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Transkript: Folge 73

KOFA auf dem Sofa: Inklusion – Eine Bereicherung für Unternehmen

Jens: 
KOFA auf dem Sofa – der Podcast. 
Mit Sibylle Stippler und Jens Breuer. 
Mittwoch, der 13. Dezember – herzlich willkommen auf dem Sofa, wo’s sich bequem machen lässt. Sibylle und ich rücken heute ein bisschen zusammen, damit alle Platz haben. 

Wir haben nämlich wieder einen ganz besonderen Gast bei uns im Podcast. Ich freue mich sehr auf diese Folge, auf viele neue Einblicke – und natürlich auch auf dich, liebe Sibylle. 

Sibylle: 
Hallo Jens! Ja, ich freue mich auch sehr. Unser Thema heute heißt: „Inklusion – eine Bereicherung für Unternehmen“
Und genau darum geht’s: Oft stellen sich Unternehmen Fragen wie – kann ich einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter mit Behinderung bestimmte Aufgaben überhaupt zumuten? Wie gehe ich im Alltag mit einer Behinderung um? Darf man offen darüber sprechen oder sollte man so tun, als wäre sie gar nicht da? 

Das sind Fragen, die viele bewegen – und wir möchten heute etwas Licht ins Dunkel bringen und praktische Tipps geben. 
Unser Gast ist Dagmar Christkamp von der Aktion Mensch. Hallo Dagmar, schön, dass du da bist! 

Dagmar: 
Hallo Jens, hallo Sibylle – vielen Dank für die Einladung! 

Jens: 
Wenn man sich dein LinkedIn-Profil anschaut, dann stechen ein paar Dinge sofort ins Auge: 
Erstens – du bist Netzwerkerin und Influencerin mit Behinderung. 
Zweitens – Expertin für Inklusion am Arbeitsplatz. 
Drittens – seit acht Jahren im Einsatz für die Aktion Mensch
Und viertens – Politikwissenschaftlerin mit zwei akademischen Abschlüssen. 

Da soll nochmal jemand sagen, Menschen mit Behinderung einzustellen sei keine gute Idee – du bist doch der beste Gegenbeweis, oder? 

Dagmar: 
Könnte man so sagen, ja. Aber natürlich war das auch ein langer Weg bis dahin, wo ich heute bin. 

Sibylle: 
Was hat dir auf diesem Weg geholfen? Gab es Menschen, die dich besonders unterstützt haben? Oder war das eher dein eigener Antrieb, der dich vorangebracht hat? 

Dagmar: 
Zum einen waren das auf jeden Fall meine Eltern – vor allem meine Mutter und mein Vater. Aber ich hatte auch immer einen starken inneren Antrieb. Ich bin ziemlich ehrgeizig, wollte mein Studium unbedingt abschließen, und ich war zwei Jahre im Ausland – das war für mich sehr wichtig und prägend. 

Ich habe immer wieder Unterstützung von Freunden und Kommilitoninnen bekommen. Der Einstieg in den Arbeitsmarkt war dann allerdings etwas schwieriger – und das prägt einen natürlich auch nachhaltig. 

Jens: 
Magst du uns ein bisschen teilhaben lassen an deinen Erfahrungen im Job? Wie war das bisher mit deiner Behinderung? War das für Kolleginnen und Kollegen ein Thema? Und wie sind Vorgesetzte damit umgegangen? 

Dagmar: 
In den meisten Jobs war das eigentlich kein großes Thema. Es war klar, dass ich an manchen Stellen Unterstützung brauche. Eine Zeit lang habe ich auch mit Arbeitsassistenz gearbeitet – das heißt, ich hatte jemanden angestellt, der Aufgaben übernommen hat, die ich selbst nicht ausführen konnte. 

Heute brauche ich das kaum noch, weil vieles digital funktioniert. Als ich anfing zu arbeiten, musste man Formulare noch handschriftlich ausfüllen – das war für mich mit meiner Spastik schwierig. Aber das fällt heute weg. 

Natürlich gibt’s immer mal Situationen, in denen es auffällt. Manchmal ist es auch ganz lustig, wenn Kolleginnen und Kollegen erst später merken, dass ich eine Behinderung habe. Wenn ich an einem Tag gut laufen kann, fällt es kaum auf. An einem anderen Tag fragen sie dann: „Was ist denn los?“ – und ich erkläre’s kurz. Meistens lachen wir dann zusammen. 

Sibylle: 
Das klingt eigentlich genau nach dem Umgang, den man sich wünscht – normal, respektvoll, aber mit einer gewissen Leichtigkeit. 

Dagmar: 
Ja, absolut. Es gab natürlich auch Situationen, in denen Unsicherheiten da waren, das ist völlig normal. Aber meistens lassen sich diese schnell auflösen. Und Humor hilft da unglaublich viel. 

Ich erinnere mich an eine Szene in meinem früheren Job – ich wollte einem Kollegen etwas zuwerfen, und das ist in einer Blumenvase gelandet. Wir haben uns so kaputtgelacht, das war herrlich. 

Jens: 
(lacht) Das hätte mir auch passieren können! Nur dass bei dir die Flugbahn vielleicht ein bisschen unberechenbarer war. 

Dagmar: 
Ganz genau! (lacht) Aber am Ende ist das einfach menschlich – und das ist doch das Schöne daran. 

Sibylle: 
Das ist wirklich eine schöne Haltung. Ist das auch etwas, was du dir allgemein wünschst – mehr Leichtigkeit, mehr Humor im Umgang mit Behinderung? Und was würdest du sagen: Wie verhält man sich als Kollegin oder Kollege am besten, wenn man merkt, man ist unsicher im Umgang? 

Dagmar: 
Also das eine ist natürlich, dass ich mir wünsche, so behandelt zu werden wie jede andere Kollegin auch. Zumindest ist das bei mir persönlich so – ich glaube, das kann man aber auch ein Stück weit verallgemeinern. Ich gehe mit meiner Behinderung offen um. Wenn mich jemand fragt oder wenn es zur Sprache kommt, dann rede ich ganz normal darüber, das ist für mich kein Problem. 

Was ich allerdings nicht so mag – das habe ich im Studium öfter erlebt –, ist, wenn man auf das Thema reduziert wird. Es gab Kommilitoninnen, die immer wieder nur darüber gesprochen haben oder mich nur darauf angesprochen haben. Und das fand ich schwierig, weil ich ja mehr bin als das – ich habe viele Interessen, Familie, Freunde, Hobbys. Wenn man dann nur über die Behinderung definiert wird, ist das auf Dauer anstrengend. 

Sibylle: 
Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Jeder Mensch ist ja mehr als nur ein einzelner Aspekt. 

Dagmar: 
Genau. Und manchmal würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen das auch merken – und dann vielleicht auch sagen: „Ich möchte, dass sich da etwas ändert.“ Also wirklich aktiv werden und sich für Inklusion einsetzen. 

Jens: 
Wenn du merkst, dass es Unsicherheiten gibt – also Kolleginnen oder Kollegen, die nicht so genau wissen, wie sie mit dir umgehen sollen –, wie gehst du dann damit um? Sagst du direkt: „Hey, ich bin die Dagmar, ich hab eine Behinderung, aber das ist kein großes Ding – wir können uns ganz normal unterhalten.“? 

Dagmar: 
(lacht) Also meistens ist das gar nicht nötig. Ich habe wirklich Glück gehabt, dass ich kaum negative Erfahrungen mit Kolleginnen oder Kollegen gemacht habe. Wenn ich merke, jemand ist zu verunsichert oder benimmt sich komisch, dann suche ich gar nicht unbedingt den Kontakt weiter. 

Was mir aber öfter passiert, ist, dass wildfremde Menschen auf der Straße mich ansprechen, mich bemitleiden oder mir ungefragt Hilfe anbieten. Und das ist etwas, das mich nervt – weil es oft aus einem falschen Mitleid heraus passiert. Ich sag dann meist freundlich, aber bestimmt: „Das ist schon okay, du musst mich nicht bedauern.“ 

Wenn ich Hilfe brauche, sage ich das. Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand Unterstützung anbietet, aber man sollte eben nicht automatisch davon ausgehen, dass sie nötig ist. 

Sibylle: 
Das ist ein guter Punkt – also einfach offen fragen, anstatt etwas zu unterstellen. 

Dagmar: 
Ja, genau. Man kann einfach sagen: „Kann ich dich irgendwie unterstützen?“ Das ist eine respektvolle Art, das anzusprechen – und das gilt übrigens auch für Arbeitgeber. Oft merkt man ja erst im Laufe der Zeit, wo Unterstützung hilfreich ist. 

Jens: 
Ich habe eben rausgehört, dass du gesagt hast, es war gar nicht so einfach, den passenden Arbeitgeber zu finden. Habe ich das richtig verstanden? 

Dagmar: 
Ja, das stimmt. Nach dem Studium war ich erstmal arbeitslos – im Rückblick nicht lange, etwa fünf Monate. Aber für mich war das ein Einschnitt, weil ich ja ehrgeizig bin und nach dem Studium sofort loslegen wollte. Dann habe ich eine Stelle bei einem Verein in Dortmund gefunden, wo ich in einem EU-Projekt gearbeitet habe. Das war eine gute Erfahrung, aber ich habe zehn Jahre lang unfreiwillig nur Teilzeit gearbeitet. 

Ich wollte eigentlich mehr, habe mich auch regelmäßig beworben, aber es hat einfach nicht geklappt. 

Jens: 
Das klingt so, als wärst du ausgebremst worden – obwohl du ja motiviert warst. Hast du das Gefühl, dass Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt werden? 

Dagmar: 
Ja, das Gefühl habe ich schon. Es gibt nach wie vor Vorurteile. Viele Arbeitgeber trauen einem Menschen mit Behinderung bestimmte Dinge einfach nicht zu. Und wenn man diese erste Chance nicht bekommt – also den Einstieg –, dann ist das oft das größte Hindernis. 

Ich habe selbst gemerkt: Sobald ich einmal im Job war, war ich „drin“. Dann war es auch viel einfacher, mich auf andere Stellen zu bewerben. Das kennen sicher auch viele ohne Behinderung – aber wenn man zusätzlich Barrieren abbauen muss, ist der Weg dorthin eben doppelt schwer. 

Jens: 
Ja, sobald man einmal zeigen konnte, dass es geht, öffnen sich Türen. 

Dagmar: 
Ganz genau. 
 
Weil ich einmal gezeigt habe, dass es funktioniert. Das heißt aber natürlich nicht, dass man nie wieder Phasen hat, in denen man arbeitssuchend ist. Es kann immer passieren, dass man den Job verliert und eine Weile braucht, bis man etwas Neues findet. 
Bei mir war das glücklicherweise nicht so – ich bin seitdem durchgehend beschäftigt. Aber das gilt eben nicht für alle. 

Sibylle: 
Ja, ich glaube, genau das ist der Punkt: Wenn man einmal eine Chance bekommen hat – und wenn auch Unternehmen sich trauen, neue Erfahrungen zu machen, vielleicht mal ins kalte Wasser zu springen und Unbekanntes zu wagen –, dann merken beide Seiten, wie gut das funktionieren kann. 

Das gilt ja nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für internationale Fachkräfte oder andere Gruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben. Wenn man sich darauf einlässt, lernt man gemeinsam, wie man mit Herausforderungen umgehen kann – und entdeckt oft auch, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. 

Du hast vorhin erzählt, dass du selbst mal mit einer Arbeitsassistenz gearbeitet hast. Ich glaube, gerade kleineren Unternehmen ist oft gar nicht bewusst, was alles möglich ist oder welche Hilfen sie bekommen können. 
Hast du da vielleicht Tipps für Unternehmen, die bisher noch nie jemanden mit Behinderung eingestellt haben? 

Dagmar: 
Ja, ganz wichtig ist, sich mit Offenheit auf das Thema einzulassen – und sich gezielt Kontakte zu suchen. 
Ein erster Schritt kann sein: Wo finde ich Menschen mit Behinderung überhaupt? Wir haben da übrigens gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vom KOFA ein tolles Produkt entwickelt – den Wegweiser Inklusion im Betrieb

Darin zeigen wir, wo man ansetzen kann: 
Man kann zum Beispiel Förderschulen oder Regelschulen ansprechen, den Integrationsfachdienst kontaktieren oder die eigenen Stellenausschreibungen inklusiver gestalten – also klar formulieren, dass man Menschen mit Behinderung ausdrücklich willkommen heißt. 

Das passiert noch nicht automatisch, aber es wäre wichtig, auch bei der Bildsprache darauf zu achten. Wenn man bereits Mitarbeitende mit Behinderung hat, kann man fragen: „Möchtest du auf einem Foto mit dabei sein?“ 
Und wenn man noch niemanden hat, sollte man lieber echte, authentische Bilder nutzen – keine gestellten Stockfotos, bei denen jemand in einen Rollstuhl gesetzt wird. Authentizität ist wirklich entscheidend. 

Sibylle: 
Ja, das klingt nachvollziehbar. 

Dagmar: 
Genau – und es ist auch völlig in Ordnung, wenn nicht von Anfang an alles perfekt ist. Man kann Arbeitsplätze später anpassen oder Hilfsmittel beantragen. Vielleicht bietet sich anfangs eine Tätigkeit im Homeoffice an, und später findet man dann gemeinsam Wege, um Barrieren vor Ort abzubauen. 

Ich kenne zum Beispiel einen Unternehmer, der ohnehin einen Neubau plante. Als er eine Mitarbeiterin mit Behinderung eingestellt hat, hat er das neue Gebäude direkt komplett barrierefrei gestalten lassen. Natürlich kann das nicht jeder sofort – aber es zeigt, dass man Lösungen finden kann. 

Und ja, es gibt Zuschüsse. Ich habe schon gehört: „Wir können keinen Rollstuhl einstellen.“ – Dann sage ich: „Sie sollen ja auch keinen Rollstuhl einstellen, sondern einen Menschen, der einen Rollstuhl nutzt.“ 

Jens: 
(lacht) Ja, das ist ein schöner Satz. 

Dagmar: 
Genau. Und wenn dann jemand sagt: „Wir haben keine barrierefreie Toilette“ oder „Keinen Zugang“, kann man überlegen, wie man das lösen kann – und bekommt dafür auch finanzielle Unterstützung. Es geht also darum, Vorurteile abzubauen und das Bild von Behinderung zu erweitern. 

Viele denken bei Behinderung zuerst an Rollstühle oder das Down-Syndrom. Aber tatsächlich sind nur etwa 3 % der Behinderungen angeboren
Die meisten entstehen im Laufe des Lebens – durch Krankheiten, Unfälle oder andere Ursachen wie Diabetes oder Krebs. 
Das bedeutet: Es gibt ganz unterschiedliche Bedürfnisse, und viele Behinderungen sind nicht sichtbar – können aber trotzdem starke Auswirkungen haben. 

Sibylle: 
Das ist ein wichtiger Hinweis. Viele denken wirklich zuerst an die offensichtlichen Fälle. 

Jens: 
Lass uns doch noch mal über das Thema Stellenanzeigen sprechen. 
Unternehmen können ja auch ruhig offensiv sagen: „Wir suchen gezielt Menschen mit Behinderung.“ 
Was wäre für dich persönlich in einer Stellenanzeige besonders wichtig? Woran würdest du merken: Das ist ein Arbeitgeber, bei dem ich willkommen bin? 

Dagmar: 
Ich schaue tatsächlich anders auf Stellenanzeigen. 
Dieser Satz „Menschen mit Schwerbehinderung werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“ – den liest man ja häufig, gerade im öffentlichen Dienst. Aber ehrlich gesagt: Der reißt niemanden vom Hocker. 

Sibylle: 
(lacht) Ja, das klingt ein bisschen wie eine Pflichtfloskel. 

Dagmar: 
Genau. Ich finde, man sollte das Thema Inklusion stärker sichtbar machen – auch im Kontext von Diversity. Denn da wird Behinderung oft vergessen. 
Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen schreiben: 
„Bei uns zählen Ihre Fähigkeiten. Wir begrüßen ausdrücklich Bewerbungen von Menschen mit Behinderung.“ 

Das ist eine viel klarere Botschaft. 
Und ja – auch bei der Bildsprache schaue ich genau hin: Sehe ich dort überhaupt jemanden mit Behinderung? Oft ist das nicht der Fall. Es wird langsam besser, aber Menschen mit Behinderung tauchen in der Öffentlichkeit immer noch viel zu selten auf – außer in speziellen Kontexten wie Inklusion. 
Dabei sollten sie überall vorkommen: in der Politik, in der Kultur und eben auch in der Wirtschaft. 

Jens: 
Absolut. 

Jens: 
Wenn du auf einer Website von einem potenziellen Arbeitgeber unterwegs bist und im Karrierebereich einen Unterpunkt wie „Inklusion“ oder „Personal & Vielfalt“ findest – und da ist dann zum Beispiel jemand im Rollstuhl oder mit einer sichtbaren Behinderung abgebildet –, wirst du da skeptisch, wenn das Thema sonst nirgendwo auf der Seite auftaucht? Das wirkt doch irgendwie unglaubwürdig, oder? 

Dagmar: 
Ja, also da geht’s schon um Glaubwürdigkeit. Natürlich kann man eigene Karriereseiten zum Thema Inklusion machen, und viele Unternehmen engagieren sich da wirklich. Aber es muss einfach eine gewisse Natürlichkeit drin sein. Wenn Menschen mit Behinderung überall auf der Website vorkommen, ohne dass man es extra betonen muss, dann habe ich das Gefühl: „Hier bin ich willkommen.“ Dann merke ich, da sind auch andere Leute, die vielleicht ein bisschen so sind wie ich oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben. 

Sibylle: 
Das ist ja bei vielen Themen ähnlich. Wenn ich als Unternehmen Frauen einstellen will, aber auf meiner Website nur Männer auf den Fotos habe – dann fragt man sich als Frau: Warum sollte ich mich da bewerben? 

Dagmar: 
Genau. Ich will mich irgendwie wiederfinden können. Und das sollte auf eine natürliche Art und Weise passieren, ohne dass man es überbetont. Warum porträtiert man nicht einfach jemanden mit einer sichtbaren Behinderung und zeigt: „Ich habe hier angefangen, arbeite jetzt in dem und dem Bereich, und das hat mir beim Einstieg geholfen.“ So wirkt es authentisch. 

Sibylle: 
Du hast eben schon den KOFA- und Aktion Mensch-Wegweiser „Inklusion im Betrieb“ erwähnt, der genau das Ziel hat, Unsicherheiten abzubauen. Wir sehen auch bei uns, dass das Interesse groß ist – zum Beispiel gehören die Checklisten und Übersichten auf www.kofa.de zu verschiedenen Behinderungsformen zu den beliebtesten Downloads. 

Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wollen sich informieren. Sie müssen schließlich auch einige Dinge wissen, wenn sie Menschen mit Behinderung einstellen – etwa, dass es manchmal Anspruch auf Zusatzurlaub gibt oder dass bestimmte Regelungen zur Mehrarbeit gelten. Aber das sind ja keine echten Hürden. 

Wenn du mit Unternehmen sprichst – woran scheitert es deiner Erfahrung nach trotzdem? Warum zahlen manche lieber die Ausgleichsabgabe, statt jemanden mit Behinderung einzustellen? 

Dagmar: 
So direkt sagt das natürlich keiner. Aber man merkt schon: Viele, gerade kleine und mittlere Unternehmen, sind einfach überfordert. Sie müssen sich um alles kümmern – um Brandschutz, Datenschutz, Gleichstellung, Fachkräftemangel – und dann kommt noch Inklusion dazu. Das ist einfach viel. 

Deshalb ist Unterstützung so wichtig. Und die gibt es! 
Seit letztem Jahr gibt es die sogenannten einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber. Die wurden von den Integrationsämtern und Hauptfürsorgestellen geschaffen, teilweise sind sie auch bei der IHK oder der Handwerkskammer angesiedelt. 

Das sind Beratungsstellen speziell für Arbeitgeber, die sie bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung begleiten – mit Informationsveranstaltungen, individueller Beratung und konkreter Unterstützung. In manchen Bundesländern sind sie schon 2023 gestartet, in anderen erst in diesem Jahr, aber inzwischen sind sie flächendeckend eingeführt

Das war auch eine Forderung aus der Wirtschaft. Viele Unternehmen haben gesagt: „Wir würden ja, aber wir wissen gar nicht, an wen wir uns wenden sollen.“ Und genau diese Lücke schließen die neuen Ansprechstellen. 

Unsere Erfahrungen zeigen: Gerade Unternehmen zwischen 20 und 50 Mitarbeitenden kennen diese Fördermöglichkeiten oft gar nicht. 41 Prozent wissen nichts davon – und von denen, die sie kennen, nutzt sie etwa die Hälfte trotzdem nicht. Also da braucht es einfach noch einmal eine gezieltere Ansprache. 

Jens: 
Wir reden jetzt die ganze Zeit über Herausforderungen – über Unsicherheiten, über Pflichten, über Vorurteile. Aber viele vergessen, dass mit der Einstellung von Menschen mit Behinderung natürlich auch große Chancen verbunden sind. 

Dagmar, vielleicht noch dein Appell an die kleinen und mittleren Unternehmen: Warum lohnt es sich, über Inklusion nachzudenken und Menschen mit Behinderung einzustellen? 

Dagmar: 
Zum einen sollten wir die Vielfalt, die wir in der Gesellschaft haben, auch in Unternehmen abbilden. Inklusion ist darüber hinaus ein Menschenrecht – verankert in Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention, der das Recht auf Arbeit in einem inklusiven Arbeitsmarkt festlegt. 

Natürlich spielt auch der Fachkräftemangel eine große Rolle. Ich finde, man sollte jetzt einfach mal Gruppen in den Blick nehmen, an die man früher vielleicht gar nicht gedacht hätte. Warum also nicht auch Menschen mit Behinderung einstellen? Ich finde es schade, dass das oft als große Herausforderung gesehen wird. Dabei sind das einfach Menschen – manche brauchen mehr Unterstützung, manche weniger, und manche kann man direkt einstellen, ohne dass man überhaupt Unterschiede bemerkt. 

Oft merken Kolleginnen und Kollegen gar nicht, dass jemand eine Behinderung hat – nur wenn ich mal um Unterstützung bitte. Ich wünsche mir, dass Unternehmen mit mehr Natürlichkeit an das Thema herangehen. Denn wer Menschen mit Behinderung einstellt, bekommt häufig hochqualifizierte Mitarbeitende. Wenn man sich anschaut, wer langfristig arbeitslos ist, dann sind Menschen mit Behinderung im Durchschnitt besser qualifiziert, haben also häufiger eine abgeschlossene Berufsausbildung. Und es gibt viele arbeitslose Akademikerinnen und Akademiker mit Behinderung – da liegt ein großes Potenzial. 

Ein guter Anlaufpunkt ist zum Beispiel die ZAV in Bonn – die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit. Sie bietet Beratung für behinderte Fach- und Führungskräfte sowie für Arbeitgeber, die auf der Suche sind. 

Jens: 
Also viele spannende Ansätze – auch gerade für kleine und mittlere Unternehmen, sich einmal intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn Sie sich auf LinkedIn umschauen, finden Sie dort nicht nur Dagmar Christkamp, sondern auch das KOFA

Sibylle: 
Oder abonnieren Sie unser Format KOFA to go – Wissen zum Mitnehmen

Inklusion ist für viele Unternehmen sicher eine Herausforderung – auf der anderen Seite aber auch eine große Chance. Und weil das so ist, hat Dagmar jetzt noch drei Tipps für Sie, wie Sie Menschen mit Behinderung optimal in Ihren Betrieb integrieren können. 

Dagmar: 
Mein erster Tipp: Es gibt viel Hilfe und Unterstützung – zum Beispiel bei den einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber oder unter www.bih.de. Dort finden Sie viele Informationen, ebenso bei Aktion Mensch oder beim KOFA unter dem Themenbereich Zielgruppen beziehungsweise auf www.inklusion.de

Zweitens: Gehen Sie offen und mutig an das Thema heran. Lassen Sie sich nicht von Unsicherheiten abhalten – einfach ausprobieren. Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, ist das kein Problem, dann versuchen Sie es eben noch einmal. 

Und drittens: Tun Sie etwas für Vielfalt – sie bereichert jedes Unternehmen. Unterschiedliche Perspektiven bringen neue Ideen, fördern Innovation und können sogar helfen, neue Kundengruppen zu gewinnen, etwa wenn Sie Ihr Unternehmen barrierefrei gestalten. 

Sibylle: 
Ein großes Dankeschön an Dagmar Christkamp von Aktion Mensch, heute hier bei KOFA auf dem Sofa

Jens: 
Die nächste Folge von KOFA auf dem Sofa gibt es dann im neuen Jahr. Da kümmern wir uns um das Thema junges Fachkräftepotenzial. Denn rund 600 000 junge Menschen unter 25 Jahren haben derzeit weder Arbeit noch Ausbildung noch Studium. 

Sibylle: 
Und trotzdem ist das eine spannende Zielgruppe – auch wenn sie manchmal schwer zu erreichen ist. Wir wollen herausfinden, wie Unternehmen sie ansprechen können und warum sich das lohnt. 

Jens: 
Ich freue mich sehr darauf – und sage schon mal vielen Dank, liebe Dagmar, liebe Sibylle. 

Sibylle: 
Das war es schon wieder mit KOFA auf dem Sofa. Wir hören uns am 13. Januar wieder. 
Bis dahin wünschen wir Ihnen eine schöne Weihnachtszeit, entspannte Feiertage und natürlich einen guten Start ins neue Jahr. 

Jens: 
Machen Sie’s gut – tschüss! 

Sibylle: 
Tschüss! 

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