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Funktionierende altersgemischte Teams sind produktiver

Funktionierende altersgemischte Teams sind produktiver

Mit dem demografischen Wandel arbeiten immer mehr Ältere in den Unternehmen. Ein Interview mit Diversity-Forscherin Uschi Backes-Gellner über Chancen und Herausforderungen.

Der demografische Wandel führt dazu, dass es am Arbeitsmarkt immer mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt. Wir haben mit Professorin Uschi Backes-Gellner, Diversity-Forscherin und Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, über die Chancen und Herausforderungen gesprochen, die diese Entwicklung für Unternehmen und Führungskräfte bedeutet.

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Was heißt es, wenn aufgrund des demografischen Wandels mehr ältere Beschäftigte in den Unternehmen arbeiten?

Backes-Gellner: Viel zu lange wurde in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion so getan, also ob Produktivität eine individuelle Eigenschaft sei. Man konzentrierte sich darauf, dass z. B. Ältere langsamer würden und es deshalb ein Problem in den Unternehmen gebe, wenn wir immer mehr ältere Arbeitnehmer haben. Aber wir wissen natürlich, dass die Produktivität in den Unternehmen immer aus dem Zusammenspiel aller Arbeitskräfte entsteht. Dabei hat man vielleicht Ältere, die besonders viel Erfahrung haben, in Kombination mit Jüngeren, die möglicherweise schnell und dynamisch sind, aber noch wenig Erfahrung haben. Wenn wir diese beiden Talente zusammenbringen, entstehen daraus sogenannte Komplementaritätseffekte. Im Ergebnis sind beide zusammen produktiver als die Summer ihrer einzelnen Produktivitäten. Unsere empirischen Untersuchungen haben bestätigt, dass es tatsächliche solche zusätzlichen Produktivitätseffekte gibt, die über die Produktivität der Einzelnen hinausgehen.

Und das Interessante ist, dass diese Effekte in kreativen, innovativen Firmen besonders stark sind, stärker als in traditionellen Firmen. Denn kreative, komplizierte Herausforderungen brauchen diese unterschiedlichen Kompetenzen der verschiedenen Altersklassen besonders. Das wiederum ergibt eine große Chance für die Unternehmen im weltweiten Wettbewerb, der aus deutscher Perspektive vor allem mit innovativen Produkten und Dienstleistungen, aber kaum alleine über den Preis zu gewinnen ist. Natürlich muss die Personalarbeit der Firmen dann auch die richtigen Anreize setzen und Bedingungen schaffen, damit die verschiedenen Arbeitnehmer-Gruppen tatsächlich im Team zusammenarbeiten. 

Es gibt Studien, die sagen, dass Ältere weniger an Weiterbildungen teilnehmen als Jüngere. Stimmt das? 

Backes-Gellner:  Es gibt schon den empirischen Befund, dass ältere Arbeitskräfte weniger Weiterbildung machen als jüngere Arbeitskräfte. Aber dafür gibt es zwei rational nachvollziehbare Gründe. Erstens hängt es sehr stark damit zusammen, welche Perspektive Älteren noch im Arbeitsleben geboten werden. Als eine sehr frühe Frühverrentung beispielsweise weit verbreitet war, haben die Leute schon mit Mitte oder Ende 50 aufgehört, Weiterbildungen zu machen. Es lohnte sich nicht mehr bei der kurzen Perspektive, die sie noch hatten. Als die Möglichkeiten der Frühverrentung stärker eingeschränkt wurden und die Arbeitskräfte damit noch länger in Arbeit blieben, hat man schnell in den Statistiken gesehen, dass auch das Durchschnittsalter in den Weiterbildungen nach oben ging. Zweitens sehen wir auch, dass Ältere oft andere Jobs haben als Jüngere. Und in manchen dieser Jobs gibt es aufgrund der Tätigkeit einfach weniger Weiterbildung. Wenn sich aber die Jobs mehr angleichen, wird sich auch das Weiterbildungsverhalten mehr angleichen.  

Beobachten Sie denn auch, dass Ältere erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, wie man von Bewerberinnen und Bewerbern der Altersgruppe oft hört? 

Backes-Gellner: Ja, das kommt sicher vor, denn es ist für Firmen oft mühsamer, wenn sie etwa auf besondere Anforderungen von Älteren Rücksicht nehmen und ihnen dafür beispielsweise eigene Arbeitszeitmodelle anbieten wollen. Wobei das heute aber auch für Jüngere erforderlich sein kann, da diese immer mehr Ansprüche an individuelle Arbeitszeiten haben. Damit hat dann natürlich die Personalabteilung viel zu tun, wenn es nicht mehr nur „9 to 5“ gibt. Da müssen sie sich in vielen Unternehmen überhaupt erst mal neue Modelle überlegen. Große Unternehmen, die eine Personalpolitik haben, die seit 100 Jahren funktioniert hat, tun sich damit vermutlich viel schwerer als neue Unternehmen. Aber auch die großen, bisher erfolgreichen Unternehmen werden ein großes Problem bekommen, wenn sie diesen Schritt der Modernisierung nicht gehen. Damit gehen ihnen über kurz oder lang die qualifizierten Arbeitskräfte aus

Sie haben gerade individuelle Arbeitszeiten angesprochen. Was müssen Führungskräfte bei der Führung altersgemischter Teams noch beachten?  

Backes-Gellner: Die besondere Herausforderung ist, dass es plötzlich umgedrehte Verhältnisse geben kann, wenn die Führungskraft beispielsweise jünger ist als mancher Mitarbeiter in ihrem Team. Früher war der Chef erstens älter und zweitens männlich. Schon, wenn einer dieser Faktoren umgedreht wird, muss die Führungskraft ihre Aufgabe kommunikativer angehen. Sie kann den Älteren dann nicht diktieren, wie es zu sein hat, denn die haben ja mehr Erfahrung. Besser ist es, erst einmal zuzuhören und dann zusammen zu erarbeiten, was die Lösung einer Problemstellung sein kann. Natürlich hat am Ende aber immer noch die Führungskraft zu entscheiden, was gemacht wird, aber das muss dann gut vermittelt sein. Kommunikation ist also eine besonders wichtige Anforderung bei der Führung altersgemischter Teams. 

Viele junge Mitarbeitende haben hohe Ansprüche an ihren Arbeitgeber, Ältere haben dagegen noch gelernt „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Wie schafft man da als Führungskraft Ausgleich? 

Backes-Gellner: Ich glaube schon, dass es schwierig ist, wenn man solche unterschiedlichen Kulturen zusammenbringt, und die eine Kultur eher eine unterordnende ist, die andere eine fordernde. Da muss man als Führungskraft sehr aufpassen. Dieses Problem haben wir in der Vergangenheit übrigens auch schon im Unterschied zwischen Frauen und Männern beobachtet. Es war und ist eine große Herausforderung für Unternehmen, daraus resultierende Unterschiede gar nicht erst entstehen zu lassen. Sie müssen sehr genau hinsehen und die Verantwortung übernehmen, alle Gruppen gleichzustellen. Irgendwann entstehen sonst Unzufriedenheiten und Konflikte, die von Kooperationsverweigerung bis zur Kündigung führen können. Und die Probleme, die wir im Hinblick auf Unterschiede zwischen Frauen und Männern gesehen haben, gibt es auch ein Stück weit zwischen Jung und Alt. Auch bei uns an der Uni sehe ich, dass die Jungen sich heute manchmal Dinge trauen, die wir uns früher nie zu fordern gewagt hätten. Damit müssen wir umgehen lernen. 

Wir danken Frau Backes-Gellner für das Gespräch.