Skip to content
Arbeitsrecht im Homeoffice sicher gestalten

Arbeitsrecht im Homeoffice sicher gestalten


Zuletzt aktualisiert: 03. August 2022

Wer Homeoffice langfristig ermöglichen will, braucht klare Regeln. Die Anwältin Livia Merla erklärt, worauf Unternehmen achten sollten.

Viele Unternehmen mussten ihre Beschäftigten in der Corona-Pandemie spontan nach Hause schicken und von dort aus arbeiten lassen. Klare Regeln für das Homeoffice gab es oft nicht. Doch was ist mit der Zeit danach? Livia Merla, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin, weiß, wie rechtssicheres Arbeiten im Homeoffice gelingt. Sie erklärt, wie Unternehmen vorgehen sollten – und wie Sie Konflikte vermeiden

Beitrag teilen:

3 Tipps, um Homeoffice langfristig einzuführen

  1. Entscheiden Sie, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden, welche Art von Homeoffice Sie etablieren möchten. In den meisten Fällen dürfte die Variante “Mobile Arbeit” ratsam sein, bei der die Beschäftigten den Arbeitsort weitgehend frei wählen können und Arbeitgeber keinen komplett ausgestatten Arbeitsplatz bereitstellen müssen.
  2. Setzen Sie ergänzend zum Arbeitsvertrag eine Homeoffice-Vereinbarung auf, die Ihre Mitarbeitenden unterschreiben. Regeln Sie dort alle Dinge, bei denen Konflikte drohen: zum Beispiel, wie oft Mitarbeitende zu Hause sein dürfen und dass Sie sie im Zweifel auch wieder zur dauerhaften Präsenz im Betrieb verpflichten können. 
  3. Sprechen Sie Ihre Pläne rechtzeitig mit dem Betriebsrat ab. Er darf mitbestimmen, wie Homeoffice ausgestaltet wird – und könnte Ihre vorgesehenen Regelungen ablehnen.

Viele Beschäftigte wurden während der Pandemie ins Homeoffice geschickt. Kann daraus ein Recht werden, dauerhaft von zu Hause arbeiten zu dürfen? 

Merla: Nein. Beschäftigte haben bislang keinen Anspruch darauf, im Homeoffice zu arbeiten. Das gilt auch dann, wenn sie das zuvor mehrere Monate lang getan haben. Der Arbeitgeber hat weiterhin das Direktionsrecht: Er entscheidet, an welchem Ort die Mitarbeitenden tätig sind. Anders kann es sein, wenn eine unbefristete schriftliche Einigung auf Homeoffice getroffen wurde, aus der sich ergibt, dass auch zukünftig ausschließlich im Homeoffice gearbeitet werden soll. Das dürfte für den Übergang der Pandemie aber so gut wie nie vorgekommen sein. 

Wenn Unternehmen nun überlegen, wie sie Homeoffice dauerhaft verankern können: Welche Varianten sollten sie kennen? 

Merla: Gängig sind zwei Varianten: Telearbeit und mobiles Arbeiten. Bei der Telearbeit muss der Arbeitgeber einen vollständig eingerichteten festen Bildschirmarbeitsplatz in der Wohnung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters zur Verfügung stellen und auch die Arbeitsstättenverordnung einhalten. Das heißt, dass er zum Beispiel die komplette technische Büroausstattung und unter Umständen ergonomische Möbel für die Wohnung der Beschäftigten bereitstellen und eine genau vorgeschriebene Positionierung des Computerbildschirms gewährleisten muss. Beim mobilen Arbeiten hingegen gibt es mehr Flexibilität: Die Beschäftigten können ihren Arbeitsort wählen – also mal zu Hause arbeiten, mal im Café oder im Zug. Der Arbeitgeber muss nur grundlegende Ausstattung wie einen Laptop stellen. 

Ist es für Unternehmen dann empfehlenswert, sich grundsätzlich für mobiles Arbeiten zu entscheiden, wenn sie ihren Beschäftigten künftig Homeoffice anbieten wollen? 

Merla: Nicht zwangsläufig. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Bei Telearbeit hat der Arbeitgeber zwar mehr Vorgaben einzuhalten, dafür aber auch mehr Kontrolle bezüglich des Arbeitsortes. Denn der oder die Mitarbeitende ist zum Beispiel verpflichtet, zu festgelegten Zeiten am immer gleichen Ort zu arbeiten – nämlich am Schreibtisch in der Wohnung. Dennoch wird in vielen Fällen die mobile Arbeit ratsam sein. Klar sein muss Arbeitgebern dabei, dass sie weniger Einfluss darauf haben, wo die Beschäftigten arbeiten. Wer dem entgegenwirken will, sollte klare Regeln festlegen und den Arbeitsort zumindest einschränken.

Sie raten also zu einer schriftlichen Homeoffice-Vereinbarung? 

Merla: Unbedingt. Eine Vereinbarung zum Homeoffice ist absolut ratsam. So vermeidet man Streit mit den Mitarbeitenden. Arbeitgeber können dazu ganz unkompliziert eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag aufsetzen, die die Mitarbeitenden unterschreiben. Möglich ist auch, entsprechende Passagen in die Arbeitsverträge selbst aufzunehmen. Dadurch werden diese allerdings sehr lang, sodass ich eher eine ergänzende Vereinbarung empfehle. 

Was lässt sich in so einer Zusatzvereinbarung alles festhalten? 

Merla: Regeln zu allen Punkten, die häufig zu Streit führen. Arbeitgeber können beim mobilen Arbeiten etwa festhalten, dass nicht im Ausland gearbeitet werden darf. Oder auch, wie die Arbeitszeiten sind und ob es feste Zeiten gibt, zu denen die oder der Mitarbeitende telefonisch erreichbar sein muss. Auch die Arbeitszeitgestaltung kann festgelegt werden, etwa wie viele Tage die Beschäftigten maximal zu Hause arbeiten dürfen. Oder auch, wer welche Arbeitsmittel stellt und was für den Datenschutz getan werden muss. Zudem kann in einer solchen Vereinbarung festgehalten werden, welche Arbeitsmittel der Arbeitgeber zur Verfügung stellt und ob er für mögliche Mehrkosten im Homeoffice aufkommt - zum Beispiel für erhöhten Stromverbrauch.

Trotzdem bekommen die Arbeitgeber weniger davon mit, was ihre Mitarbeitenden tun. Können sie noch mehr gegen den befürchteten Kontrollverlust tun? 

Merla: Eine wirksame Maßnahme ist, Arbeitszeiterfassung einzuführen. Das müssen sie früher oder später ohnehin tun, weil ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs in nationales Recht umgesetzt werden muss. Deshalb sollten sie sich schon jetzt damit vertraut machen, wie reguläre Arbeitszeit und Überstunden erfasst werden können. Da gibt es sehr unbürokratische Lösungen, zum Beispiel über Apps. Entsprechende Regeln können dann auch in die Homeoffice-Vereinbarung aufgenommen werden.   

Im Internet gibt es viele Muster für Homeoffice-Vereinbarungen. Ist es für Arbeitgeber ratsam, sich daran zu orientieren? 

Merla: Da wäre ich sehr vorsichtig. Man kann solche Muster schon als Grundlage nehmen, aber muss sie dann individuell anpassen. Denn bei jedem Unternehmen gibt es spezielle Aspekte, die berücksichtigt werden sollten. 

Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt: Inwiefern muss der beim Thema Homeoffice eingebunden werden? 

Merla: Der Betriebsrat kann nicht darüber entscheiden, ob Homeoffice eingeführt wird. Diese Entscheidung trifft allein das Unternehmen. Sollte es aber Homeoffice geben, muss er bei der Ausgestaltung eingebunden werden. Das heißt: Der Arbeitgeber braucht die Zustimmung des Betriebsrats zu den Regeln, wie zu Hause gearbeitet wird – zum Beispiel, in welchem Umfang zu Hause gearbeitet werden soll und welche Arbeitsmittel der Arbeitgeber stellt. Bevor man die Mitarbeitenden also eine Vereinbarung unterzeichnen lässt, muss man diese mit dem Betriebsrat abstimmen. 

Und wenn der Betriebsrat die Homeoffice-Vereinbarung ablehnt? 

Merla: Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, entscheidet ein unabhängiges Gremium, nämlich die Einigungsstelle. Diese müsste dann entscheiden, wer Recht bekommt. In den meisten Fällen dürften Arbeitgeber und Betriebsrat sich aber auf einen Kompromiss einigen können. 

Einige Unternehmen überlegen angesichts der aktuellen Debatte über Gasknappheit, den Bürobetrieb zurückzufahren, um Energie zu sparen. Dürfen sie Beschäftigte ins Homeoffice schicken? 

Merla: Das geht nicht so ohne Weiteres. Die Wohnung ist der private, geschützte Bereich der Mitarbeitenden. Wenn er oder sie kein Homeoffice machen will, kann der Arbeitgeber niemanden dazu zwingen. Es braucht immer ein beidseitiges Einvernehmen. Bei der Einstellung neuer Mitarbeitender könnte man sich aber vertraglich darauf einigen, dass diese dauerhaft im Homeoffice tätig sind. Unterzeichnen sie einen entsprechenden Vertrag, gibt es ja eine Zustimmung. Einseitig getroffene Regelungen sind aber nicht möglich.