Skip to content
Wenn Sie hier klicken, kommen sie zur StarteiteHome Icon
Home
KOFA Logo als Hintergrundbild

Transkript: Folge 92

KOFA auf dem Sofa: Wie KI unsere Arbeitswelt verändert

KOFA auf dem Sofa.
Fachleute für Fachkräfte.
Dein Podcast für bessere Personalarbeit im Mittelstand. Mit Sybille Stippler und Cliff Lehnen.

Cliff:
Liebe Hörerinnen und Hörer von KOFA auf dem Sofa, herzlich willkommen! Dies ist die tatsächlich echte Stimme von Cliff Lehnen. Mittlerweile kann man mit KI ja wunderbare Avatare generieren, aber ich kann euch versichern: Ich bin’s – und an meiner Seite hier auf dem schönen KOFA-Sofa, auch sie ist echt – es ist Sybille Stippler. Herzlich willkommen, Sybille!

Sybille:
Hallo, lieber Cliff! Schön, dich live und in Farbe zu sehen. Das ist mir doch lieber, als mit Avataren zu sprechen. Und wo du gerade sagst, KI kann ziemlich viel – in meinem Umfeld gibt es aktuell, nach der ersten Begeisterung, so eine kleine KI-Ernüchterung. Gerade bei Sprachmodellen wie ChatGPT dachten viele: Oh, das erledigt mir jetzt einen Großteil der Arbeit! Und jetzt zeigt sich, dass diese Modelle doch noch recht unzuverlässig sind.

Das Thema KI – was kann sie wirklich und wohin geht das Ganze – wollen wir uns heute genauer anschauen. Wir haben dafür eine Expertin eingeladen, die definitiv drangeblieben ist, denn sie hat ein ganzes Buch dazu geschrieben. Fabiola Gerpott werden wir gleich kennenlernen. Sie ist Professorin für Personalführung an der WHU und eine der anerkanntesten Expertinnen im deutschsprachigen Raum zum Thema Leadership. Professorin Dr. Fabiola Gerpott, herzlich willkommen auf dem KOFA-Sofa!

Gast:
Hallo, ihr beiden. Ich freue mich, hier zu sein.

Cliff:
Wir werden gleich ins Thema einsteigen. Sybille, wir haben uns vorher aber auch ein paar aktuelle Zahlen angeschaut und mal in die Breite der Wirtschaft geschaut, wie sich das mit der KI derzeit darstellt. Eine Studie aus eurem Hause legt nahe, dass die Verbreitung der Nutzung von KI noch nicht so richtig fortgeschritten ist – insbesondere, wenn ich auf die KMU schaue, oder?

Sybille:
Ja, genau. Laut unseren Befragungen sind es ungefähr 16 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen, die heute schon KI nutzen – oft, um Routineaufgaben zu übernehmen. Wir haben außerdem eine ganz aktuelle Studie, in der wir mit Big-Data-Analysen geschaut haben, wie das in Stellenausschreibungen aussieht – also, wie viele Stellen für Entwicklerinnen und Entwickler sowie Anwenderinnen und Anwender von KI aktuell ausgeschrieben sind.

Dabei sieht man: Zwischen 2019 und 2022 hat sich die Zahl dieser Stellen verdoppelt. Aber seit 2022 stagniert sie. Damals waren etwa 180.000 Stellen mit KI-Bezug ausgeschrieben – und seitdem tut sich da gar nicht mehr so viel. Da erkennt man also eine gewisse Zurückhaltung in deutschen Unternehmen beim Thema KI.

Cliff:
Fabiola hat jüngst mit dem ebenfalls geschätzten Prof. Dr. Stefan Jansen das Buch „Die Arbeit, wie wir sie mit KI neu erfinden – und was für uns übrig bleibt“ geschrieben. Sybille und ich haben beide fleißig gelesen. Das Buch ist dieses Jahr erschienen – und zwar bei brand eins books / Rowohlt – und ich glaube, wir beide können sagen: durchaus empfehlenswert, weil unterhaltsam, oder, Sybille?

Sybille:
Ja, absolut! Ich finde, man muss nur mal vorne ins Inhaltsverzeichnis schauen – da bekommt man schon richtig Lust, in die einzelnen Kapitel einzutauchen. Und genau so habe ich es auch gemacht. Ich habe es also nicht von vorne bis hinten gelesen, sondern kapitelweise, je nachdem, was mich gerade besonders interessiert hat.

Ich freue mich jetzt aber total, mit Fabiola endlich ins Gespräch zu kommen – über die Dinge, die im Buch stehen. Und Fabiola, bevor wir inhaltlich werden, wollen wir dich ein bisschen besser kennenlernen und laden dich herzlich ein zu unserem kurzen Couch-Geflüster, wo wir dir heute mal nicht drei, sondern vier Fragen stellen möchten. Bist du bereit dafür?

Gast:
Sehr gerne.

Sybille:
Dann beschreibe dich doch mal in drei Worten.


Gast:
Nerd, neugierig und nicht-linear.

Cliff:
Also dreimal N, würde ich sagen. Fabiola, das wolltest du als Kind werden?

Gast:
Pilotin. Leider muss man 1,65 sein. Ich habe es nur bis auf 1,63 geschafft. Deswegen musste ich dann eine andere Karriere einschlagen.

Cliff:
Okay.

Sybille:
Was für ein Glück für uns. Wobei – mit dir geflogen wäre ich durchaus auch! Wenn du nicht arbeitest, dann…?

Gast:
Bin ich entweder im Yoga-Studio oder ich reise oder ich fahre Rennrad.

Cliff:
Das klingt sehr gut und sehr bewegt. Und wir haben uns natürlich noch eine persönliche vierte Frage für dich überlegt. Welches KI-Tool möchtest du nicht mehr missen?

Gast:
ChatGPT. Wir sind ja an der WHU tatsächlich auch die erste Uni, die das flächendeckend für alle eingeführt hat. Und ich muss auch sagen: Die Bezahlversion ist deutlich besser als die freie Version, zumindest von der Zusammenarbeitserfahrung. Mit dem Tool arbeite ich wirklich jeden Tag.

Sybille:
Gab es da viele Diskussionen vor der Einführung? Ich kann mir vorstellen, dass es gerade bei den Professorinnen und Professoren einige Vorbehalte gab, oder?

Gast:
Auf jeden Fall! Und sehr schön, dass du gleich die Gruppe angesprochen hast, die uns die größte Sorge bereitet. Wir müssen klar kommunizieren, welche Einblicke das Unternehmen hat, wenn ich die KI benutze. Das ist im Moment der größte Punkt in den Diskussionen – viele haben nicht verstanden, dass weder die WHU noch das Führungsteam irgendeinen Einblick darin haben, welche Kommunikation ich mit ChatGPT führe.

Aber das scheint nicht bei allen angekommen zu sein – zumindest noch nicht optimal. Und deswegen: Jeder, der so ein Tool einführt, sollte von Anfang an ganz offen sagen, wer Einblicke darin hat, was ich mit diesem Tool mache. Sonst trauen sich die Leute nicht, Dinge auszuprobieren. Denn keiner möchte, dass jemand sieht, dass man total dämliche Fragen an ChatGPT stellt – das möchte man einfach nicht teilen.

Cliff:
Da hat gerade auch ein Stück weit die Organisationspsychologin aus dir gesprochen. Du erlebst also auch, wie die Organisation Probleme hat, sich an so ein Thema zu adaptieren. Aber wir sind eigentlich schon mitten im Thema.

Wenn ich mir jetzt deinen Arbeitsalltag anschaue – du hast gesagt, du arbeitest jeden Tag mit ChatGPT. Wie konkret nutzt du es für deine Arbeit als Professorin, als Forscherin und natürlich auch als Lehrende?

Gast:
Also der erste Bereich ist natürlich die Lehre. Und da, glaube ich, müssen wir mehr darüber nachdenken, wie man zum Beispiel Prüfungsformate anders denken kann und muss. Meine Aufgabe ist ja zunächst einmal, Klausuraufgaben zu stellen.

Wenn ich ChatGPT fragen kann: „Mach mir Multiple-Choice-Aufgaben“, dann kann das natürlich auch jeder Studierende. Der oder die kann ja sogar alle Folien hochladen. Jetzt muss ich mich fragen: Ist das ein Problem? Vielleicht würde ich erst mal sagen: Nö.

Diejenigen, die das machen, müssen den Stoff ja trotzdem auswendig lernen oder zumindest verstehen, um ihn in der Klausur wiedergeben zu können. Also warum eigentlich nicht? Da würde ich sagen: Ist vielleicht gar kein Problem.

Aber bei anderen Prüfungsformaten, glaube ich, müssen wir ganz anders darüber nachdenken, wie wir damit leben, dass KI ein Teil des Alltags wird. Die Lösung kann ja nicht sein, KI zu verbieten. Aber Hausarbeiten schreiben, Inhalte zusammenfassen, Referate vorbereiten, PowerPoint-Präsentationen erstellen – es gibt Tools, die können das perfekt. Da muss man sich wirklich fragen: Ist das noch das richtige Format, oder müssen wir Lehre grundsätzlich neu denken?

Sybille:
Also du nutzt es eher, um effizienter zu werden – also um Dinge, die dich früher mehr Zeit gekostet haben, schneller hinzubekommen. Nutzst du es auch, um neue, kreativere Ansätze zu finden, zum Beispiel für ein Thema oder eine Vorlesungsreihe? Oder ist das noch kein Einsatzzweck bei dir?

Gast:
Doch, ich finde es super als Brainstorming-Partner. Und tatsächlich muss ich sagen, dass ich schon das Gefühl habe, dadurch kreativer zu werden.

Allerdings kenne ich auch die Forschung, und die ist ganz interessant. Sie zeigt, dass das tatsächlich stimmt: Im Durchschnitt werden wir alle ein bisschen kreativer und besser. Aber – die Standardabweichung wird kleiner. Das bedeutet: Wir werden zwar im Schnitt besser, aber diese richtig out of the box, total außergewöhnlichen Ideen, die werden etwas seltener.

Da muss man sich dann selbst fragen: Habe ich gerade die Zeit und Muße, total kreativ nachzudenken und etwas ganz Eigenes zu entwickeln? Oder habe ich nur zehn Minuten, und es ist besser, wenigstens irgendwas zu haben, als gar nichts zu machen? Und dann nehme ich eben auch mal das KI-Tool.

Cliff:
Viele Forscherinnen und Forscher behaupten ja auch, dass wir durch KI eigentlich weniger Zeit haben, obwohl sie uns angeblich Arbeit abnimmt. Einerseits heißt es, KI erleichtert den Alltag – andererseits gibt es die These, dass KI die Arbeit sogar verdichtet. Dadurch, dass wir mehr schaffen können, machen wir am Ende trotzdem mehr – und haben weniger Zeit. Wie erlebst du das?

Gast:
Ja, das sind die sogenannten schönen Rebound-Effekte. Man denkt zuerst: „Oh toll, ich kann Zeit sparen!“ Das war ja bei jeder neuen Technologie so.

Am Anfang dachte man: Super, ich muss keinen Brief mehr per Post schicken – wie viel Zeit werde ich haben, wenn ich das alles einfach per E-Mail mache! Und dann stellte sich heraus: Toll, jetzt schreibt jeder viel mehr E-Mails, und am Ende des Tages ist es auch nicht besser.

Diese Effekte sieht man ganz deutlich, und ich glaube, wir müssen noch viel stärker darüber nachdenken, wo wir sie auch in Zukunft sehen werden.

Das ist die kritische Perspektive. Die optimistische wäre: Wir werden auch neue Jobs sehen. Denn das war bei jeder Technologie so – manche Tätigkeiten verschwinden, aber neue entstehen, über die vorher niemand nachgedacht hat.

Wer hätte früher gedacht, dass man Influencer werden kann? Hätte man das jemandem erklärt, hätte er gedacht, man sei völlig verrückt geworden. Und genau das werden wir bei KI auch erleben.

Sybille:
Also du sprichst eher zuversichtlich von der Zukunft oder sagst: Wir sollten auch die Chancen darin erkennen. Für viele Unternehmen fühlt sich das natürlich eher so an wie: „Oh, wir müssen jetzt etwas tun, weil unsere Leute vielleicht gar nicht mehr passend qualifiziert sind für die Arbeitswelt, die da auf uns wartet.“

Wie schätzt du das ein? Da gibt es ja schon einen hohen Veränderungsdruck. Reicht es, die Leute weiter zu qualifizieren – vielleicht auch mit kostenlosen Online-Schulungen, die es inzwischen ja reihenweise gibt – oder muss man da noch mal grundsätzlich herangehen?

Gast:
Also erstmal ist es natürlich eine Verantwortung, ganz einfach auch, weil wir den EU-AI-Act haben, der klar vorgibt: AI Literacy – also, wenn ich als Unternehmen irgendeine Form von künstlicher Intelligenz einsetze, dann muss ich auch sicherstellen, dass die Mitarbeitenden entsprechend gebildet sind.

Das heißt: An dem Thema kommt man nicht vorbei. Ich glaube allerdings, wenn ich mich jetzt als Unternehmerin oder Unternehmer positionieren würde, würde ich darüber nachdenken, dass so ein AI-Literacy- oder Prompting-Kurs wahrscheinlich nicht ausreichen wird. Denn wir sehen ja, dass solche Kurse zwar gemacht werden, aber die eigentliche Herausforderung ist eine andere:

Was für den Menschen übrig bleibt, sind die sozialen Fähigkeiten – und genau die gehen gerade verloren, wenn wir uns nur darauf fokussieren, dass alle technisch besser werden. Das ist ja auch wichtig, aber der USP des Menschen ist die soziale Seite.

Und das trifft auf eine neue Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mit ganz anderen sozialen Gewohnheiten aufgewachsen sind. Ein Beispiel: Telefonieren. Ein sehr beliebtes Thema bei jungen Beschäftigten – die telefonieren einfach nicht gern. Sie wollen niemanden anrufen, sie wollen auch nicht angerufen werden.

Und gleichzeitig sagen wir: „Das Zwischenmenschliche, das ist das, was für den Menschen übrig bleibt, wenn KI viele Aufgaben übernimmt.“ Das heißt: Ein ganz wichtiger Punkt für Unternehmen ist ja, AI-Literacy und technisches Verständnis zu fördern. Aber man darf dabei nicht vergessen, darüber nachzudenken, was uns als KMU eigentlich ausmacht.

Und das ist wahrscheinlich: Wir sind kleiner, agiler, können individuell auf Menschen eingehen – und wir brauchen Menschen, die genau das können. Menschen, die diese Fähigkeit zum sozialen Verbundensein, zur Empathie, zum Schaffen von positiven Erlebnissen behalten und leben.

Cliff:
Ja, das ist spannend. Ich hatte tatsächlich gestern noch das Privileg, mit drei Personalvorständen zu diskutieren – aus Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Größenordnungen: von 4.000 bis 600.000 Beschäftigten. Ganz andere Herausforderungen als für KMU natürlich.

Aber für alle war diese Transformation, die aktuell durch KI in die Unternehmen hineingetragen wird, eine der größten Herausforderungen – vor allem in Bezug auf die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, aber ganz besonders auch auf das Thema Kultur.

Das ist ja, wie so oft, der entscheidende Punkt: Technologie ist fast immer in erster Linie ein Kulturthema. Natürlich ist es auch ein IT- und Technikthema, aber im Kern geht es um Kultur.

Und ich glaube, da haben gerade kleine und mittlere Unternehmen wirklich eine große Chance – durch Nähe, durch Persönlichkeit, durch Begegnung. Sie können diese Kulturthemen ganz anders leben und vorantreiben, oder?


Gast:
Ja, ich sehe da auch eine große Chance – und vielleicht auch eine Rückbesinnung darauf, wo man als KMU eigentlich herkommt. Das ist ja oft eine menschlichere, empathischere Art des Arbeitens, die sich viel schneller anpassen lässt. Mein Wunsch wäre, dass man davon in Zukunft noch stärker profitiert.

Sybille:
Wir haben jetzt viel über Sprachmodelle gesprochen – also über Prompting, ChatGPT und Ähnliches. In eurem Buch schreibt ihr aber, dass gerade diesen Tools vermutlich nicht die Zukunft der Arbeit gehören wird, sondern dass sich der Fokus auf andere KI-Technologien verlagern wird. Welche habt ihr da im Kopf? Kannst du uns den Horizont ein bisschen erweitern?

Gast:
Ja, ich glaube, man denkt bei KI sehr schnell an Sprachtools – vor allem, wenn man selbst Wissensarbeiterin oder Wissensarbeiter ist. Aber man kann viel weiterdenken.

Zum Beispiel im Bereich Logistikoptimierung: Da gibt es selbstlernende Systeme, die komplette Logistikkonzepte optimieren können. Oder auch andere spannende Anwendungen – ich habe kürzlich von einer Tischlerei gelesen, die KI-gestützte Möbelberatung anbietet. Kundinnen und Kunden bringen ihre Ideen mit, und die KI hilft dann, maßgeschneiderte Möbelentwürfe zu entwickeln.

Das zeigt: Man kann KI nicht nur theoretisch nutzen, um Texte zu generieren, sondern Produktionsprozesse, Logistikabläufe oder auch Marketing ganz neu denken.

Cliff:
Thema Führung – das ist ja dein Kernbereich, und du bist dafür auch international bekannt und gelesen. In eurem Buch habt ihr euch auch intensiv mit Führung und KI beschäftigt. Das ist ja ein besonders spannendes Feld, weil sofort das Bild entsteht, dass man sich künftig von der KI führen lassen könnte.

Das ist vielleicht noch einen Schritt entfernt, aber: Welche Erkenntnisse habt ihr zum Thema Führung und KI gewonnen?

Gast:
Die erste, sehr menschliche Reaktion ist natürlich Ablehnung – fast alle sagen sofort: „Nein, das geht nicht! Ich würde mich doch nicht von einem Roboter führen lassen!“

Unser Ziel war es, dieses Denken ein bisschen zu provozieren und zu zeigen, dass viele Behauptungen – etwa „Empathie liegt allein beim Menschen“ oder „Führung muss menschlich bleiben“ – so in der Datenlage gar nicht haltbar sind.

Nehmen wir das Beispiel Empathie: Es gibt inzwischen viele Studien, auch aus der Psychotherapie, die zeigen, dass KI oft sogar besser abschneidet. In Experimenten wussten die Teilnehmenden nicht, ob sie mit einem menschlichen Therapeuten oder einer KI interagierten. Danach wurden sie gefragt: „Hat dir das geholfen? Hast du dich verstanden gefühlt? Wie hilfreich waren die Vorschläge?“ – und in fast allen Fällen gewann die KI.

Aber – und das ist der spannende Twist – sobald man den Leuten sagte, dass es ein Chatbot war, sagten sie plötzlich: „Oh, das hat mir gar nicht gefallen.“ Das heißt: Wir haben aktuell noch eine starke KI-Aversion.

Die Daten zeigen aber klar: Solange die Menschen nicht wissen, dass es KI ist, empfinden sie die Interaktion oft als empathischer. Das rüttelt an unserem Narrativ, dass Empathie nur dem Menschen vorbehalten sei.

Und wenn man über „KI-Führung“ spricht, sollte man gar nicht an Roboter denken, die einem Aufgaben zuteilen. Ich vergleiche das eher mit einer Apple Watch – oder jeder anderen Smartwatch.

Was macht sie? Sie beeinflusst ständig unser Verhalten. Sie erinnert uns daran, aufzustehen, motiviert uns, noch eine Runde zu laufen, damit wir unseren Bewegungsring schließen. Oder das Smartphone sendet eine Benachrichtigung – und wir reagieren. Das ist Führung im Sinne von Verhaltensbeeinflussung.

Genauso kann man sich KI-gestützte Führung vorstellen: nicht als Chef-Roboter, der Aufgaben verteilt, sondern als System, das uns Feedback gibt, uns Vorschläge macht, uns reflektieren lässt – und dadurch indirekt unser Verhalten beeinflusst.

Sybille:
Jetzt bist du ja Wirtschaftspsychologin, Fabiola. Ich muss sagen, das, was du gerade erzählt hast, hat mich wirklich berührt – diese Vorstellung, sich von einer KI empathisch aufgehoben zu fühlen.

Aber eine Grundvoraussetzung für gute Beziehungen – ob beruflich oder privat – ist ja Vertrauen. Kann ich einer KI als Führungskraft oder als „Führungsmaschine“ wirklich so vertrauen wie einem Menschen? Oder braucht es das in diesem Kontext vielleicht gar nicht in gleicher Weise? Ich kann mir das noch nicht so richtig vorstellen.


Gast:
Ja, zwei wichtige Punkte hier. Der erste betrifft das Vertrauen. Wir sehen ja, dass Menschen, sobald sie wissen, dass sie mit einer KI sprechen, diese oft nicht mehr annehmen. Das heißt, die Mehrheit ist noch nicht an dem Punkt, der dafür nötig wäre.

Allerdings gibt es inzwischen auch schon viele, die genau das Gegenteil leben. Es gibt Menschen, die mit KI-Avataren in Beziehungen sind. Wenn man mal auf YouTube „Chatbot als Partner“ oder „Avatar als Partner“ eingibt, findet man ganze Dokumentationen darüber – Menschen, die mit Avataren Silvester feiern, Communities, in denen solche Beziehungen ganz normal sind.

Ich fand das ehrlich gesagt etwas schockierend. Und ich würde mir wünschen, dass Führung in Zukunft hier eingreift. Also dass Führungskräfte diese soziale Verantwortung ernst nehmen – sich nicht im Homeoffice verstecken, sondern verstehen, dass ihr Job darin besteht, Identität zu schaffen und Zusammenhalt.

Das heißt: Führungskräfte müssen Räume schaffen, in denen Menschen zusammenkommen, in denen spürbar wird, wie schön es ist, Teil eines Unternehmens zu sein. Wo man sagt: „Wow, das ist cool hier. Ich bin gerne Teil davon.“
Denn wir können technisch alles optimieren – aber wenn der Mensch dabei verloren geht, hat keiner gewonnen.

Cliff:
Ich glaube ja, der Mensch bleibt präsenter – deutlich präsenter – als manche Prognosen behaupten. Aber vielleicht verschiebt sich das: Der Mensch bleibt im „Backend“, also im Sinne von – die Führungskraft coacht sich mit KI selbst, um bewusster zu handeln, um besser zwischen Reiz und Reaktion zu kommen.

Und die eigentliche Führungsarbeit – im „Frontend“ – bleibt menschlich. So stelle ich mir das vor.
Aber lass uns mal den Blick in die Zukunft richten.

Wenn wir uns die aktuellen Studien anschauen, sehen wir, dass sich die Jobmärkte massiv verändern werden – schon in den nächsten fünf Jahren. Jobprofile wandeln sich stark, neue Tätigkeiten entstehen, alte verschwinden.
Wenn du mal fünf Jahre nach vorn zoomst, Fabiola – wie stellst du dir die Arbeitswelt dann vor? Was wird sich in unserem Alltag bis dahin spürbar verändert haben?

Gast:
Also erstens – wenn wir ganz speziell auf KMU schauen – glaube ich, dass sich die Situation deutlich verändern wird. Diese Statistik, die ihr genannt habt, dass bislang nur wenige KI aktiv einsetzen, wird sich stark verschieben.

Denn schon heute sehen wir, dass Unternehmen offiziell oft sagen: „Wir machen da noch nichts.“ Aber die Mitarbeitenden machen längst etwas – sie nutzen KI einfach eigenständig. „Bring your own AI“, nennen wir das. Sie arbeiten schon damit, nur meist inoffiziell – was natürlich große Datenschutzrisiken birgt.

In fünf Jahren werden wir dieses Problem deutlich besser im Griff haben. Dann wird es nicht mehr „Bring your own AI“ heißen, sondern Unternehmen werden klare Strategien und Rahmenbedingungen entwickelt haben.

Zweitens denke ich, wir werden ein Auseinanderdriften erleben: Auf der einen Seite Unternehmen, die sehr weit vorne sind, stark experimentieren, viel investieren. Und auf der anderen Seite solche, die sagen: „Das ist nichts für uns. Wir bleiben bei direkter, persönlicher Arbeit.“ Diese Mitte, die es heute noch gibt, wird kleiner werden.

Und drittens – ich glaube, man kann auf die Veränderungsunwilligkeit des Menschen zählen. So radikal anders, wie manche denken, wird die Welt in fünf Jahren dann auch wieder nicht aussehen.

Sybille:
Dein Wort in Gottes Ohr, ja.
Aber ich würde gerne noch mal auf deinen ersten Punkt zurückkommen – dieses Thema: Viele nutzen KI, aber wenige geben es zu. Gerade bei Kernaufgaben herrscht da noch Zurückhaltung. Das ist ja auch ein Kulturthema.

Ich weiß, Microsoft hat in seinem „Work Trend Index“ gezeigt, dass 52 Prozent der Menschen nicht offen sagen, dass sie KI verwenden. Hast du einen Tipp für KMU, wie man das aus dieser „Schmuddelecke“ herausholen kann?

Gast:
Ich finde es schön, dass du das „Schmuddelecke“ nennst – weil das trifft es ganz gut. Man kann die Zurückhaltung ja verstehen, denn: Es ist ein Sicherheitsrisiko.

Wenn Mitarbeitende einfach die kostenlose ChatGPT-Version oder ein anderes Tool nutzen und dort sensible Unternehmensdaten eingeben, dann ist das natürlich problematisch. Und Unternehmen können jetzt schlecht sagen: „Toll, dass ihr das schon macht!“ – denn offiziell ist es ja nicht erlaubt.

Die Herausforderung ist also, eine Balance zu finden:
Einerseits zu sagen: „Wir finden es gut, dass ihr offen gegenüber KI seid, dass ihr neugierig seid.“
Aber andererseits: „Lasst uns das bitte in einem sicheren Rahmen tun.“

Diese Balance – Offenheit fördern, aber Datenschutz wahren – das wird die große Kunst für die nächsten Jahre.

Cliff:
Ich sprach kürzlich mit der Managerin eines großen deutschen Versicherungskonzerns. Die hatten eine interne ChatGPT-Variante eingeführt – und die häufigste Anfrage an diesen Bot war: „Schreibe mir einen LinkedIn-Post.“
Das sagt einiges – vielleicht weniger über KMU, aber viel über große Konzerne. Ich glaube, KMU haben zum Glück andere Themen auf dem Tisch.

Gast:
Ja, aber das ist tatsächlich interessant – gerade im Hinblick auf Kommunikation. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mich nerven diese Posts total.

Wenn dann eine Rakete kommt und jemand „super excited“ ist, irgendetwas zu teilen – das sind genau diese typischen ChatGPT-Posts. Ich lese die oft schon aus Prinzip nicht.

Und da stellt sich eine spannende Frage: Gewöhnen wir uns irgendwann daran und akzeptieren das – oder nutzen sich diese Formate ab?
Dasselbe gilt für E-Mails. Viele berichten inzwischen, dass sie E-Mails bekommen, die ganz offensichtlich KI-generiert sind – überfreundlich, lang, formelhaft.

Ich merke das auch bei Studierenden: Die schreiben plötzlich E-Mails, die klingen, als wären sie durch ChatGPT gelaufen – erst ein Absatz Lob, dann das eigentliche Anliegen, dann eine Zusammenfassung.

Und was mache ich dann? Natürlich kopiere ich die Mail wieder in ChatGPT und lasse mir eine Antwort generieren.
Dann schreiben sich irgendwann nur noch Bots gegenseitig. Und die Frage ist: Wann kommt der Mensch wieder rein?

Cliff:
Jetzt kommen wir wieder rein – mit dem Menschen. Und dieser Mensch bist du.

Lass uns gemeinsam noch mal die wichtigsten Learnings aus deinem Buch und deiner Arbeit für KMU zusammenfassen – in unserer Rubrik KOFA to go.

Gast:
Learning Nummer eins: Einfach ausprobieren.
Wir brauchen mehr Mut, mit KI-Tools zu experimentieren. Man braucht keine ausgefeilte KI-Strategie, um loszulegen – im Gegenteil: Lieber bottom-up als top-down.

Learning Nummer zwei: Lasst KI nicht nur bei der IT-Abteilung.
Das Thema betrifft das ganze Unternehmen. In unserem Buch plädieren wir für sogenannte Reallabore – Räume, in denen Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen, Altersgruppen und Hintergründen zusammenkommen, um gemeinsam zu überlegen: Was kann KI für uns bedeuten? Wo wollen wir sie einsetzen, wo nicht?

Natürlich muss man Datenschutz und rechtliche Fragen mitdenken – aber der Startpunkt sollte sein, gemeinsam nachzudenken.

Und Learning Nummer drei: Don’t believe the hype – aber auch nicht die Katastrophe.
KI wird nicht die Menschheit vernichten, aber sie wird sie auch nicht vollständig erlösen. Die Wahrheit liegt – wie so oft – irgendwo in der Mitte.

Also: Seht KI als Experimentierraum, als Chance, Dinge neu zu denken. Aber habt keine Angst – die Menschheit wird nicht untergehen.

Cliff:
Und ich darf das ergänzen – zitierend aus eurem Buch:
Ihr empfehlt auch jedem Einzelnen, sich mit KI den eigenen Job ein Stück weit selbst zu gestalten.
Ein sogenanntes Quiet Thriving zu entwickeln – also ein stilles Glücksempfinden und wieder Spaß an der Arbeit zu finden, auch mit und durch KI.

Eine schöne, positive Botschaft zum Schluss, finde ich, Sibylle – oder?

Sybille:
Absolut. Liebe Fabiola, ich hatte wirklich einige Aha-Momente im Gespräch mit dir.
Und allein das sorgt dafür, dass ich mittelfristig keine KI einsetzen werde, die diesen Podcast für mich übernimmt. Dafür bin ich viel zu neugierig – und viel zu gerne im Gespräch mit Menschen wie dir.

Ihr schließt euer Buch ja mit dem Appell „Ran an die Arbeit“ und gebt da auch ein paar klare Arbeitsanweisungen – an Politik, an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und an Menschen wie dich, mich, uns alle.
Und damit würde ich auch gerne schließen: Lass uns rangehen an die Arbeit.

Es hat mir große Freude gemacht, mit dir zu sprechen. Vielen Dank für deine Zeit.

Cliff:
Und euch, liebe Hörende, kann ich natürlich nur ans Herz legen:
Kauft das Buch – am besten im lokalen Buchhandel.
Folgt Fabiola auf LinkedIn, das ist immer sehr erkenntnisreich, und auf ihren anderen Kanälen.
Und wenn ihr die Gelegenheit habt: Hört oder seht sie live auf einer der Bühnen rund um die Themen Arbeitswelt und HR.

Denn die Frau ist nicht nur auditiv inspirierend, sondern auch im echten Leben.
Schön, dass du bei uns warst, Fabiola.

Gast:
Danke für die Einladung.

Sybille:
Wir hören uns wieder in zwei Wochen – dann geht es um das Thema internationale Fachkräfte:
Wie holen wir sie nicht nur nach Deutschland, sondern sorgen auch dafür, dass sie gerne bleiben?
Denn ohne sie wäre unser Wirtschaftsstandort ganz schön aufgeschmissen.

Bis dahin wünschen wir euch eine gute Zeit – tschüss!

Cliff:
Alles Gute – und bis in zwei Wochen!

 

Helfen Sie uns, besser zu werden!

Welche Angebote im Bereich Personalarbeit und Fachkräftesicherung sind für Sie besonders hilfreich? Und wie kann das KOFA Sie noch besser unterstützen?

Um die Umfrage anzuzeigen, klicken Sie bitte auf "Umfrage laden" und erlauben Sie damit die erforderlichen Cookies.