
Transkript: Folge 89
KOFA auf dem Sofa: Azubis gesucht! Wie sich Jugendliche und Unternehmen finden
Kofa auf dem Sofa.
Fachleute für Fachkräfte.
Dein Podcast für bessere Personalarbeit im Mittelstand mit Sybille Stippler und Cliff Lehnen.
Sybille:
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Kofa auf dem Sofa, dem Podcast des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung, wieder mit mir, Sybille Stippler, und an meiner Seite ist Cliff Lehnen, HR-Fachjournalist, der – und das kann ich hier offenlegen – nie in seinem Leben eine betriebliche Ausbildung absolviert hat.
Cliff:
Bei mir war das anders. Ich habe bei Bayer gestartet und in der Vorbereitung auf diese Folge habe ich mir tatsächlich noch mal meine alten Bewerbungsunterlagen angeguckt und hatte so ein gruseliges Déjà-vu, wie ich da an diesem Monster von Röhrenmonitor saß, in Times New Roman, 12 Punkt, eine Word-Datei bearbeitet habe und die dann noch ausgedruckt und in einem braunen Umschlag abgeschickt habe. So war damals Bewerbung.
Ich beobachte diesen Markt ja auch schon seit zehn, zwölf Jahren, und was ich immer – also neudeutsch gesagt – striking finde an der Sache, ist, dass einerseits wahnsinnig viele offene Ausbildungsstellen existieren und andererseits wahnsinnig viele junge Leute keinen Ausbildungsplatz finden. Das ist ja irgendwie diese Krux, und das war vor zehn Jahren schon so und ist immer noch so. Ich finde es jedes Jahr aufs Neue faszinierend.
Sybille:
Ja, das sind die, die wir nennen, das Matching-Probleme, ne? Und das ist natürlich für beide Seiten total traurig – also für die Unternehmen, die gerne ausbilden möchten und niemanden finden, und auch für die jungen Menschen, die viel zu geben haben und auf der Suche sind. Aber irgendwie finden die nicht zusammen.
Im Kofa haben wir ja auch den Ansatz, mit eigener Empirie – also mit eigenen Studien – uns die Dinge genauer anzugucken und auch Antworten zu finden. Und ein Mitglied dieses Kofa-Teams ist heute hier bei uns auf dem Kofa-Sofa: das ist Franziska Arndt. Sie hat Politikwissenschaften studiert und war Studienautorin einer ganz aktuellen Studie über das Thema modernes Azubi-Marketing. Herzlich willkommen, liebe Franziska.
Franziska:
Vielen Dank.
Cliff:
Schön, dass du bei uns bist, Franziska. Und du hast es ja schon gesehen, in unseren Kurzfolgen gehen wir in drei Schritten durch das Thema. Du bist unsere Expertin, die das Wissen und die Daten dabei hat, und wir führen dich anhand unserer drei Rubriken durch das Thema. Bist du startklar für die erste Frage?
Franziska:
Ich bin startklar.
Cliff:
Worum geht’s?
Franziska:
Wir haben am Ausbildungsmarkt die Situation, dass auf der einen Seite viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben und auf der anderen Seite viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden. Das heißt, wir haben hier ein Mismatch, weil Unternehmen und Jugendliche nicht immer zusammenfinden, und dafür gibt es unterschiedliche Gründe.
Es kann zum Beispiel sein, dass Jugendliche und Unternehmen nicht in derselben Region suchen oder dass Jugendliche nicht die Qualifikationen mitbringen, die Unternehmen voraussetzen, weil sie zum Beispiel einen niedrigeren Schulabschluss haben, als erwartet wird. Es kann aber auch sein, dass Jugendliche einen anderen Ausbildungsberuf suchen, als das Unternehmen anbietet.
In der gemeinsamen Studie, die wir vom Institut der Deutschen Wirtschaft mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt haben, haben wir einen weiteren zentralen Grund für dieses Miss-Match aufzeigen können, und zwar die Kommunikation. Denn Jugendliche können sich natürlich nur auf einen Ausbildungsplatz bewerben, von dem sie auch wissen. Das heißt, Unternehmen müssen es schaffen, Jugendliche mit ihrem Ausbildungsangebot zu erreichen.
Deswegen ist es wichtig, dass die Suchstrategien von Unternehmen und Jugendlichen zueinander passen, denn nur so können sich Ausbildungsbetriebe und Ausbildungsinteressierte auch finden.
Cliff:
Was fällt auf?
Franziska:
Wir haben Unternehmen gefragt, über welche Formate sie Auszubildende suchen. Und auch Jugendliche wurden gefragt, welche Formate sie nutzen, um sich über Ausbildungsangebote zu informieren. Wenn wir die Ergebnisse nebeneinanderstellen, sehen wir sehr gut, wo die Kommunikation schon gut klappt und wo sich Unternehmen und Jugendliche gar nicht finden, weil sie auf unterschiedlichen Kanälen suchen.
Die gute Nachricht ist: An einigen Stellen passt es bereits gut, beispielsweise weil beide den Schwerpunkt auf Online-Stellenanzeigen legen. Auch die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit und Social Media spielen für beide Seiten eine wichtige Rolle.
Überrascht hat uns allerdings, dass über die Hälfte der Jugendlichen Stellenausschreibungen in Zeitungen oder als Aushänge an schwarzen Brettern noch nutzt – während nur eine Minderheit der Unternehmen dort sucht. Das heißt, die Unternehmen, die nicht über Zeitungen oder Aushänge suchen, erreichen diese Jugendlichen gar nicht.
Spannend war auch, dass es Unterschiede je nach Schulabschluss gibt. Je höher der Schulabschluss, desto digitaler wird die Suche. Jugendliche mit Abitur suchen stärker über Online-Stellenanzeigen und Social Media, während Jugendliche mit Hauptschulabschluss analoge Formate deutlich häufiger nutzen. Drei Viertel von ihnen informieren sich über Zeitungsanzeigen, Aushänge oder die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit.
Wir haben uns außerdem angeschaut, welche Social-Media-Kanäle genutzt werden – und auch hier sehen wir große Unterschiede. Für beide Seiten ist Instagram der Favorit, aber schon auf Platz zwei gehen die Wege auseinander: Über 70 Prozent der Unternehmen suchen über Facebook nach Auszubildenden, während nur ein Viertel der Jugendlichen dort aktiv ist. Jugendliche sind stattdessen viel mehr auf YouTube, WhatsApp, LinkedIn, Xing, TikTok und Snapchat unterwegs.
Auch hier spielt der Schulabschluss eine Rolle. Alle Jugendlichen nutzen Instagram und YouTube, aber Jugendliche mit Abitur suchen häufiger über LinkedIn und Xing, während Jugendliche mit Hauptschulabschluss eher über WhatsApp suchen. Es zeigt sich also, wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre Zielgruppe kennen.
Cliff:
Wie läuft’s besser?
Franziska:
Das Gute an unseren Ergebnissen ist, dass wir sehr konkret sehen können, wo es schon gut läuft und wo es noch nicht so gut passt. Daraus ergeben sich die Handlungsempfehlungen quasi von selbst.
Neben den Überschneidungen gibt es noch Potenzial für ein besseres Matching. Wichtig ist, dass Unternehmen ihre Zielgruppe kennen und wissen, welche Formate und Kanäle sie nutzt, um sich über Ausbildungsangebote zu informieren – und dieses Wissen dann auch umsetzen.
Social Media ist nicht gleich Social Media. Es kommt wirklich auf die Wahl der Kanäle an. Statt Facebook sollten Unternehmen lieber über WhatsApp oder YouTube suchen. Wer Jugendliche mit Hauptschulabschluss sucht, sollte eher über WhatsApp statt über LinkedIn gehen.
Ebenso wichtig ist, neben Social Media auch klassische Formate nicht zu vergessen: Online-Stellenanzeigen, die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit oder Ausschreibungen in der Zeitung oder am schwarzen Brett sind für viele Jugendliche weiterhin relevant.
Das Wichtigste ist, dass Unternehmen dort suchen, wo Jugendliche auch suchen. Nur wenn Jugendliche von Ausbildungsangeboten erfahren, können sie sich auch bewerben.
Cliff:
Also, liebe Franziska, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die gute ist: Ich habe wahnsinnig viel gelernt. Die schlechte ist: Ich hätte als Journalist jetzt gern noch viele Folgefragen gestellt – aber, liebe Sybille, das lässt unser Kurzformat ja leider nicht zu.
Sybille:
Genau, da bremse ich dich aus. Mir ging’s aber genauso. Ich hatte mehrere Aha-Effekte, und dass schwarze Bretter und Zeitungsanzeigen noch relevant sind, hätte ich nie gedacht.
Für alle, die sich weiter informieren wollen: Schaut gerne mal auf kofa.de vorbei. Dort haben wir viele Tipps, wie man verschiedene Kanäle bespielen kann, um junge Menschen zu erreichen.
Cliff:
Vielleicht sollten wir unseren Podcast ja demnächst auch am schwarzen Brett aushängen.
Sybille:
Super Idee – ich hol schon mal die Heftzwecken. Ganz herzlichen Dank, Franziska, auch von mir. Das war großartig. Und Cliff, ich freue mich schon, wenn wir uns in zwei Wochen wieder hören mit einer neuen Folge Kofa auf dem Sofa.
Cliff:
Genau. Bis dahin wünschen wir euch eine gute Zeit. Und wenn es euch gefallen hat, teilt die Folge gerne mit Freunden, Kolleginnen und Bekannten und hinterlasst uns eine freundliche Bewertung.
Franziska:
Danke und Tschüss.
Sybille:
Bis bald.
Cliff:
Ciao.