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Transkript: Folge 88

KOFA auf dem Sofa: Unternehmensnachfolge im Mittelstand – Brücke zwischen Tradition und Zukunft

Kofa auf dem Sofa.
Fachleute für Fachkräfte.
Dein Podcast für bessere Personalarbeit im Mittelstand – mit Sybille Stippler und Cliff Lehnen.

Sybille:
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge Kofa auf dem Sofa. Heute mit einem Thema, das ganz unmittelbar mit dem Fachkräftemangel zusammenhängt, aber noch einmal eine andere Nuance besetzt. Und lieber Cliff, ich freue mich, dich wiederzusehen.

Cliff:
Ich freue mich auch, Sybille. Es geht heute um das Thema Unternehmensnachfolge – also eines der ganz großen Herausforderungsthemen für den deutschen Mittelstand. Wir wissen und sehen, dass hunderttausende Übergaben in den nächsten Jahren anstehen und ganz viele Unternehmen darauf nicht ausreichend vorbereitet sind. Das haben erst im letzten Jahr wieder zwei Studien gezeigt – von der KfW und der DIHK. Und wir haben uns gedacht, das ist ein Thema, das auch für unsere Hörerinnen und Hörer, die ja nun mal aus KMU kommen, ganz besonders relevant sein dürfte.

Sybille:
Genau, und das hat eben auch ganz große Bedeutung für unseren Wirtschaftsstandort. Diese Zahlen von der KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die du gerade zitiert hast, Cliff, zeigen unter anderem, dass im Jahr 2002 ungefähr ein Fünftel der Unternehmenslenkerinnen und -lenker älter als 55 Jahre alt waren. In 2021 ist es schon mehr als die Hälfte.

Also das zeigt einfach, dass da – auch durch den demografischen Wandel – eine hohe Dynamik drinsteht. Und ein Problem, das damit zusammenhängt, ist, dass gerade ältere Geschäftsführer nachweislich weniger bereit sind, große Investitionen in ihr Unternehmen zu tätigen. Da gehen uns also Investitionen in den Wirtschaftsstandort verloren.

Und das kann man jetzt so schön sehen, sich die Zahlen angucken und verzweifeln – das wollen wir aber gar nicht tun. Denn wir haben heute unsere Sofakissen aufgeschüttelt für einen ganz besonderen Gast, die ganz viel Mut machen und Hoffnung geben kann, weil sie gerade in das Familienunternehmen einsteigt. Cliff, magst du unseren Gast vorstellen?

Cliff:
Natürlich. Also wir sagen herzlich willkommen, Lisa Marie Höcker. Schön, dass du bei uns bist, Lisa.

Lisa:
Hallo, liebe Sybille, lieber Cliff. Ganz lieben Dank für die Einladung. Ich freue mich auch sehr, heute da zu sein.

Cliff:
Lisa ist inzwischen Assistentin der Geschäftsführung und Leiterin Marketing im Familienunternehmen. Höcker Polytechnik ist ein solches Familienunternehmen, aktuell in zweiter Generation. Frank Höcker – also Lisas Vater – übernahm 1993 die Geschäftsführung von seinem Vater Günther.

Um es genau zu sagen: Die Höcker Polytechnik GmbH sitzt am Teutoburger Wald in Niedersachsen und wurde 1962 gegründet. Das Unternehmen entwickelt und produziert leistungsfähige Entstaubungs-, Absaug- und Filteranlagen sowie Brikettierpressen für die Holzverarbeitung, Papier-, Wellpappen- und Recyclingindustrie und ist sogar mit einer Niederlassung in den USA aktiv.

Und seit 2023, Lisa – wenn ich das richtig weiß – seid ihr in einem strukturierten Übergabeprozess an dich. Dieser Prozess ist auf fünf Jahre angelegt. Du bist, glaube ich, erstmals 2019 als duale Studentin ins Unternehmen eingestiegen. Jetzt kannst du erst mal sagen, ob all das, was ich so an vermeintlichen Fakten auf dich losgelassen habe, auch der Realität entspricht.

Lisa:
Nee, das stimmt. Das ist absolut richtig. Ich bin mit dem dualen Studium berufsbegleitend in den Master eingestiegen und danach haben wir dann den strategischen Nachfolgeprozess begonnen. Jetzt haben mein Vater und ich noch vier Jahre zusammen, bis er dann tatsächlich mit 66 wirklich in Rente gehen möchte.

Sybille:
Wir haben, wie du es schon aus unserer ersten Folge kennst, erst mal eine Kategorie, mit der wir dich persönlicher kennenlernen wollen.

Cliff:
Genau, in unserem Couch-Geflüster wollen wir dir mal so ein bisschen näher auf die Pelle rücken. Und ich fange einfach direkt mit der ersten Frage an, Lisa. Bist du bereit?

Lisa:
Ich bin bereit.

Cliff:
Das bin ich in drei Worten?

Lisa:
Ich würde sagen, auf jeden Fall empathisch, lösungsorientiert, vielleicht sogar manchmal ein bisschen effizienzgetrieben – aber auch definitiv reflektiert.

Cliff:
Das wollte ich als Kind werden?

Lisa:
Ich glaube, als Kind will man meistens vieles werden. Jeder von uns hat ja verschiedene Vorstellungen, was er gerne mal sein will. Was bei mir ehrlich gesagt eine präsente Erinnerung ist – mag jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig klingen – ich wollte als Kind gerne mal Nonne werden. Aber eigentlich primär, weil ich die Klöster so schön fand und unbedingt in diesen alten Häusern mit den wunderschönen Gärten leben wollte.

Und ich wollte als Kind auch Meeresbiologin werden, Köchin oder Tierärztin. Also ich glaube, da waren meiner Fantasie schon als Kind keine Grenzen gesetzt.

Cliff:
Wenn ich nicht arbeite, dann …

Lisa:
… bin ich im Garten, mit dem Hund im Wald, Radfahren oder mache Yoga und koche sehr gerne.

Cliff:
Drei Dinge, ohne die ich nicht arbeiten kann?

Lisa:
Notizbuch oder iPad – je nachdem. Snacks. Und ein angenehmes Arbeitsumfeld.

Sybille:
Klingt sympathisch, klingt vertraut. Und damit würde ich sagen, haben wir dich ein bisschen kennengelernt und gehen aus dem Couch-Geflüster rein ins tatsächliche Gespräch.

Cliff:
Ja, liebe Lisa, wir haben eben gehört, es stehen ganz viele Unternehmen in Deutschland zur Nachfolge an. Und was wir noch nicht erwähnt haben, aber auch ganz präsent ist: Viele Nachfolgerinnen und Nachfolger kümmern sich gar nicht so rechtzeitig darum, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden.

Wie war das denn bei euch? Gab es da so einen Moment, wo dein Vater gesagt hat: „Lisa, komm, wir gehen mal eine Runde im Wald, wir müssen jetzt mal langsam einen Plan machen.“ Oder wie war das bei euch?

Lisa:
Also es hat ja alles quasi angefangen, als ich dann mehr oder weniger mein berufsbegleitendes Masterstudium beendet habe, dass wir wirklich mit dem Prozess gestartet haben. Vorher stand das aber ehrlich gesagt schon immer im Raum.

Wir haben uns immer mal wieder darüber unterhalten, ob wir uns einen Berater suchen sollten, der uns bei dem Thema unterstützt, haben das aber nie wirklich verfolgt. Mein Vater hat sich vorher schon bei verschiedenen Veranstaltungen informiert, wie man am besten die Unternehmensnachfolge strukturell angehen kann, was für ihn – als derjenige, der das Unternehmen eines Tages übergibt – wichtig ist.

Das war also immer ein präsentes Thema, über das wir geredet haben. Und dann, mit dem Ende meines Studiums, haben wir gesagt: „Okay, jetzt ist es soweit. Jetzt sollten wir uns wirklich damit auseinandersetzen.“

Ich glaube, dass mein Vater tatsächlich der Initiator war, der gesagt hat: „Dann lass uns jetzt einen Berater oder Coach suchen, der uns dabei unterstützt.“ Und ich war ehrlich gesagt sofort offen dafür, weil mir persönlich immer wichtig war, ein klares Bild und eine klare Struktur für meine Zukunft zu haben – dass man eben diesen Weg, den wir gemeinsam gehen wollen, vorher gemeinsam festlegt.

Und dann haben wir uns gemeinsam einen Coach gesucht, der uns bei diesem Prozess unterstützt.

Cliff:
Jetzt hast du es gerade schon gesagt: Der Prozess ist 2023 gestartet und auf fünf Jahre angelegt. Kannst du uns ein bisschen mit reinnehmen – was habt ihr für Meilensteine, was sind Zwischenziele, wie organisiert ihr euch da?

Lisa:
Also bevor wir wirklich an den eigentlichen Prozess gegangen sind, haben wir erst einmal gesagt: „Okay, wir suchen uns jemanden, der uns zur richtigen Unternehmensform berät.“

Mein Großvater, der damals unser Unternehmen Höcker Polytechnik gegründet hat, hatte auch ein Faible dafür, viele kleine Unternehmen für verschiedene Zwecke zu gründen. Das heißt, wir hatten eine sehr komplexe Struktur aus vielen verschiedenen Unternehmen. Diese haben wir zusammengeführt, eine Holding gegründet und so ermöglicht, dass die Übergabe möglichst reibungslos ablaufen kann.

Im zweiten Schritt haben wir uns dann einen Berater gesucht, der uns bei dem – sagen wir eher persönlichen, alltäglichen – Nachfolgeprozess begleitet und nicht nur bei dem strukturellen Thema. Das war dann Anfang 2024, kurz nach der Handelsregistereintragung.

Im ersten Schritt haben wir über persönliche Themen gesprochen. Der Coach hat uns begleitet, dass wir zunächst unsere eigenen Visionen entwickeln – also die, die wir für uns persönlich und für die Zukunft des Unternehmens haben. Wir haben meine Rolle als Nachfolgerin definiert, über Fähigkeiten gesprochen, die mein Vater sich für mich wünscht, über Learnings aus seinem Leben und darüber, was ich mir noch aneignen könnte, um dieser Rolle möglichst gerecht zu werden.

Wir haben aber auch über Potenziale und Stärken gesprochen – sowohl für mich persönlich als auch für meinen Vater und für unsere Zusammenarbeit. Diese persönliche Ebene war quasi die Basis, bevor wir in den strategischen Teil übergegangen sind.

Sybille:
Also moderiert es auch ein Stück weit diese Idee des Bewahrens, die ja schon da ist – und die Idee, dass man gleichzeitig in die Zukunft geht. Ich habe zum Beispiel gesehen, dass du bei LinkedIn eine KI-Schulung für eure Mitarbeitenden angeboten hast. Ist es für dich leicht, deinen Vater zu überzeugen, Dinge auch mal anders zu machen? Oder gibt es da manchmal Diskussionen zwischen euch beiden?

Lisa:
Witzigerweise gibt es bei uns so gut wie gar keine Diskussionen, wenn es um Veränderungen oder Innovationen geht. Mein Vater ist jemand, der sehr offen ist für Wandel, für Veränderungen und für neue Ideen – und der sich auch sehr gut dafür begeistern lässt.

Es ist eher eine Art positive Diskussion oder ein Brainstorming, das zwischen uns entsteht. Er ist meistens absolut konform mit bestimmten Ideen. Und wenn er dann doch mal ein anderes Empfinden hat, sprechen wir offen darüber und entwickeln gemeinsam eine Lösung, bei der wir beide sagen: „Okay, das passt für den Moment fürs Unternehmen – und wir fühlen uns beide wohl damit.“

Cliff:
Ihr arbeitet sowohl mit dem Blick nach vorn, also mit Visionen, als auch mit dem Blick zurück – im Sinne von: Was hat dein Vater mitgenommen aus seiner Zeit? Jetzt habt ihr wahrscheinlich für die nächsten drei, vier Jahre noch einige wichtige Meilensteine. Was sind die, auf die du mit dem größten Respekt schaust? Oder wo wird es dann für dich so richtig ernst?

Lisa:
Mit dem größten Respekt schaue ich wirklich auf den Punkt, an dem ich offiziell Teil der Geschäftsführung werde. Wir haben uns hingesetzt und überlegt, wie sich das Unternehmen bis 2030 entwickeln kann. Also quasi: Was ist das Zielorganigramm? Was stellen wir uns vor, wenn mein Vater eines Tages wirklich in Rente ist?

Dann haben wir überlegt, welche Zwischenschritte wir bis dahin erreicht haben müssen – nicht nur, um mich als Nachfolgerin in die richtige Rolle zu bringen, sondern auch, weil wir im Unternehmen weitere leitende Positionen haben, bei denen wir uns mit dem Thema Nachfolge befassen müssen. Das ist uns sehr wichtig, dass wir das frühzeitig und strukturiert angehen.

Wir haben all das in einem Gesamtkonzept berücksichtigt und durch diese Zielorganigramme Meilensteine festgelegt. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns Monats- oder Quartalsziele gesetzt haben, sondern wir haben es jahresorientiert gemacht und gesagt: 2026 wollen wir beispielsweise den nächsten Schritt gehen. Was müssen wir bis dahin erreicht haben?

Daraus habe ich für mich persönliche Meilensteine entwickelt. Zum Beispiel: Was muss ich noch erreichen, was ist mein Anspruch an mich selbst, bevor ich Teil der Geschäftsführung werde? Dazu gehört unter anderem, technisches Wissen und Produktwissen weiter auszubauen. Ich habe ja einen kaufmännischen Hintergrund, mein Vater einen technischen – da sind wir also relativ unterschiedlich.

Deshalb liegt ein Fokus unserer Nachfolge auch auf dem Wissenstransfer: das technische und produktspezifische Wissen meines Vaters an mich weiterzugeben. Da möchte ich noch deutlich besser werden. Außerdem möchte ich mich intensiver mit Vertriebsthemen beschäftigen, näher an unseren Händlern und Kunden sein.

Und natürlich leite ich aktuell den Marketingbereich. Wenn die Rolle in der Geschäftsführung präsenter wird, möchte ich diese Verantwortung in gute Hände abgeben. Das heißt, ich muss auch in meinem Bereich Strukturen und Verantwortlichkeiten aufbauen, die es mir später ermöglichen, mich stärker auf andere Themen zu konzentrieren.

Cliff:
Jetzt hast du schon gesagt, Nachfolge ist nicht nur ein Thema auf der Unternehmensleitungsebene, sondern auch auf anderen Ebenen. Das ist ja etwas, das wir gerade im deutschen Mittelstand sehr häufig beobachten. Viele tun sich damit schwer. Woran liegt das deiner Meinung nach – warum gibt es da so viele Hemmungen, das Thema anzugehen?

Lisa:
Ich glaube, das kann man pauschal ganz schwer beantworten, weil jedes Unternehmen andere Herausforderungen hat. Zum einen kann es sein, dass die Generation, die gerne übergeben möchte, gar nicht wirklich abgeben kann – dass sie der neuen Generation nicht genügend Raum für Veränderungen lässt.

Es kann aber auch sein, dass sich intern keine geeignete Nachfolge findet oder extern niemand Passendes. Oder dass die Person, die eigentlich nachfolgen soll, im Prozess merkt: Das ist doch nicht das Richtige für mich, ich fühle mich mit dieser Aufgabe oder in diesem Unternehmen nicht wohl.

Manchmal stellt sich auch heraus, dass die Person, die abgeben möchte, am Ende doch eine andere Lösung bevorzugt. Ich bin im Austausch mit vielen anderen Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolgern aus unterschiedlichen Branchen und habe schon die verschiedensten Gründe erlebt, weshalb Nachfolgen zwar nicht unbedingt scheitern, aber herausfordernd verlaufen.

Das können zum Beispiel Finanzierungsprobleme sein, wenn es um die Übernahme von Anteilen geht, oder der Punkt, dass man sich zu spät mit dem Thema beschäftigt und die junge Generation nicht frühzeitig einbindet. Oft gibt es auch unterschiedliche Visionen oder Strategien.

In manchen Unternehmen entstehen Konflikte zwischen der älteren und der jüngeren Generation, weil beide unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie das Unternehmen geführt werden soll. Oder man sagt der jungen Generation zunächst: „Mach mal“, und merkt später: „Nee, das will ich doch nicht.“ Da gibt es ganz unterschiedliche Szenarien.

Ich glaube, diese eine pauschale Schwierigkeit, weshalb es KMU besonders schwerfällt, Nachfolgeprozesse anzugehen, gibt es meiner Erfahrung nach nicht.

Cliff:
Du hast gerade angesprochen, dass du in Netzwerken mit anderen Nachfolgerinnen und Nachfolgern aktiv bist. Das könnte ja für unsere Hörerinnen und Hörer auch interessant sein. Was sind das für Netzwerke?

Lisa:
Es gibt zum einen ein Stipendium, das heißt „In guter Gesellschaft“. Da hatte ich ein Jahr lang die Möglichkeit, andere Unternehmensnachfolgende aus ganz Deutschland kennenzulernen. Wir waren die erste Gruppe, in der das umgesetzt wurde – eine Gruppe von fünf Nachfolgenden.

Jede und jeder von uns hatte einen Mentor oder eine Mentorin, die uns das ganze Jahr über begleitet haben. Zusätzlich gab es Coachings und regelmäßige Treffen, meistens in Hamburg, wo wir uns gemeinsam getroffen und workshopartig Themen bearbeitet haben, die uns aktuell beschäftigen.

Und dann gründen wir gerade bei uns im Stadt- und Landkreis Osnabrück einen Verein für ein Netzwerk, das es schon eine Weile gibt, ebenfalls zum Thema Unternehmensnachfolge. Da sind verschiedene Nachfolgerinnen und Nachfolger aus unserer Region aktiv. Wir treffen uns regelmäßig, tauschen uns zu Themen aus, die uns beschäftigen, unterstützen uns gegenseitig mit Rat, Tat und Erfahrung und helfen auch jüngeren, potenziellen Nachfolgenden bei der Entscheidung, ob sie das Familienunternehmen übernehmen möchten oder nicht.

Sybille:
Also Netzwerk und Austausch als ganz wichtiger Faktor – auch in der eigenen Karriereentwicklung hin zur Nachfolgerin. Das nehmen wir auf jeden Fall mit.

Lisa:
Definitiv, weil niemand einen so gut verstehen kann wie Menschen, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind oder waren. Das ist ganz wichtig und war für mich auch wirklich sehr hilfreich – Menschen zu haben, mit denen man sich über die verschiedensten Themen austauschen kann, die einem im Arbeitsalltag immer wieder begegnen.

Cliff:
Wie lebt ihr das nach innen? Das ist ja auch für eure Beschäftigten eine große Umstellung – wenn der Frank, den jeder kennt, jetzt geht und die Neue kommt. Was macht die denn da wohl jetzt alles so anders? Habt ihr da auch eine Strategie entwickelt, wie ihr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmt? Oder bist du schon so integriert im Unternehmen, dass das ein fließender Prozess ist?

Lisa:
Ich glaube, dass das mittlerweile gar nicht mehr überraschend ist. Ich habe ja mit meinem berufsbegleitenden Studium hier im Unternehmen angefangen und in den ersten Monaten wirklich alle Abteilungen einmal durchlaufen.
Ich war im Außendienst, auf Montage, in der Produktion, im Schaltschrankbau, habe eigene Schaltschränke verdrahtet, war in der Projektabwicklung und später im Marketing – und habe überall mal mitgeholfen.

Ich glaube, dass das sehr viel zur Akzeptanz beigetragen hat. Gleichzeitig hat es mir persönlich extrem geholfen, das Unternehmen und unsere Produkte besser kennenzulernen. Das wäre auch etwas, was ich jedem raten würde: Nur wenn man wirklich weiß, wie das Unternehmen funktioniert und wie die einzelnen Bereiche zusammenspielen, kann man für sich entscheiden, ob man die Unternehmensnachfolge antreten möchte oder nicht.

Da ich nun schon seit 2019 im Unternehmen bin und mein Vater und ich immer offen kommuniziert haben, dass ich die Nachfolge antreten werde, war das für die Mitarbeitenden keine große Überraschung.
Wir haben bei uns regelmäßig Mitarbeitendentagungen, bei denen wir über strukturelle Änderungen, das Geschäftsjahr, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, neue Produkte und technische Entwicklungen sprechen. Und genau in diesen Tagungen haben wir auch unseren Nachfolgeprozess transparent kommuniziert.

Sybille:
Also ein sehr transparenter, offener Kommunikationsprozess, wie ich raushöre. Jetzt trägst du den Namen Höcker, der natürlich auf jeder Broschüre, an jeder Unternehmenspforte und auf jeder Maschine steht – den dein Großvater trug, dein Vater trägt und du auch. Damit trägst du natürlich viel Unternehmenshistorie in deinem Namen und in dir als Person.
Glaubst du, dass es einfacher ist, mit all dieser Historie gestärkt Führungsverantwortung zu übernehmen? Oder würdest du manchmal denken, es wäre leichter, wenn du ganz woanders Führungsverantwortung tragen würdest – ohne diese Familiengeschichte im Rücken?

Lisa:
Schwierig zu beantworten – da müsste ich ja quasi in einem Paralleluniversum leben, um das wirklich beurteilen zu können.

Cliff:
Aber du könntest ja zumindest deine Fantasie nutzen, um die Frage zu beantworten.

Lisa:
(lacht) Ich glaube, es wäre weder leichter noch schwieriger – einfach unterschiedlich. Es gibt Vorteile und Herausforderungen.
Der große Vorteil, im eigenen Familienunternehmen tätig zu sein und denselben Namen zu tragen, ist die extrem starke Identifikation mit dem Unternehmen, mit den Produkten – und daraus entsteht auch diese intrinsische Motivation, das Familienunternehmen erfolgreich weiterzuführen.

Dazu kommt das tiefe Verständnis für das Unternehmen, die Kultur, die Werte und die enge Bindung zu den Mitarbeitenden. Ich merke das besonders, wenn ich durch die Produktion gehe. Viele Mitarbeitende kannten meinen Großvater noch persönlich und erzählen Geschichten – zum Beispiel, wie sie damals als Auszubildende bei meinen Großeltern auf dem Hof waren und von meiner Oma noch ein Schnitzel zum Mittagessen bekommen haben.

Das sind Bindungen, die bekommt man nur in einem Familienunternehmen. Ich erinnere mich auch an meine eigenen Kindheitserinnerungen: Wenn wir am Wochenende mit meinem Vater im Büro waren, stand auf einem kleinen Kühlschrank ein Mini-Fernseher, auf dem mein Bruder und ich Serien geschaut haben, während mein Vater gearbeitet hat. Oder wir haben auf dem Firmengelände Inlinerfahren gelernt.

Diese emotionale Verbindung zum Unternehmen – die hat man nur, wenn es das eigene Familienunternehmen ist. Gleichzeitig gibt es aber auch Herausforderungen: Die Erwartungshaltung von außen ist sehr hoch, man steht unter Beobachtung, und die Vermischung von beruflich und privat ist nicht immer einfach.

Aber wenn ihr mich fragt, ob es eine Bürde ist, den Namen zu tragen – nein, das ist es nicht. Für mich fühlt es sich überhaupt nicht wie eine Bürde an. Im Gegenteil: Es ist eine große Ehre.
Ich bin sehr stolz, hier zu sein, wo ich heute bin – und noch stolzer auf meinen Großvater, meinen Vater und alle, die dazu beigetragen haben, dass das Unternehmen heute da steht, wo es steht.
Das spüre ich jeden Tag, wenn ich über den Hof gehe, unsere Mitarbeitenden sehe, unsere Produkte sehe, mit Kunden spreche. Dieses Gefühl – das kann einem, glaube ich, nur ein Familienunternehmen geben.

Sybille:
Lisa, du wirst das Unternehmen jetzt in die Zukunft führen – und deine Aufgabe wird es auch sein, Nachwuchskräfte zu gewinnen für eine neue Arbeitswelt, in der andere Werte vorherrschen als früher.
Du hast erzählt, dass ihr am Wochenende im Büro wart, während dein Vater gearbeitet hat – und ihr auf dem Hof Inlinerfahren gelernt habt. Das ist ja vielleicht etwas, was die jüngere Generation heute so nicht mehr möchte.
Die Vorstellung, dass Arbeit und Privatleben so ineinanderfließen, hat sich verändert. Hast du schon eine Vorstellung, was du anpacken möchtest – gerade mit Blick auf Personal und Marketing, also deine Herzensthemen?

Lisa:
Womit wir auf jeden Fall schon angefangen haben: Wir haben begonnen, unsere Unternehmenskultur noch einmal zu überarbeiten.
Wir sind als mittelständisches Familienunternehmen in den letzten Jahren stark gewachsen – mittlerweile haben wir über 300 Mitarbeitende allein hier bei Höcker Polytechnik. Und das merkt man natürlich: im Alltag, in den Strukturen, in der Art, wie man zusammenarbeitet, in den Prozessen.

Mir ist extrem wichtig, dass wir uns die Werte eines Familienunternehmens beibehalten. Man spürt sie bei uns auch noch überall – und das soll so bleiben, auch wenn wir weiterwachsen.
Zum Beispiel mit dem neuen Produktionsstandort in den USA, den wir gegründet haben – auch dort sollen diese Werte fest verankert bleiben.

Deshalb haben wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden und Führungskräften Werte für Zusammenarbeit und Führung entwickelt. Das war vor rund zwei Jahren, und seitdem versuchen wir, diese Werte kontinuierlich im Alltag zu leben.
Das klappt an manchen Tagen besser, an anderen schlechter – aber das ist mir extrem wichtig. Denn egal, wie sehr wir noch wachsen: Diese Werte sollen immer die Basis unseres Unternehmens bleiben.

Sibylle:
Das ist ja, glaube ich, die Herausforderung auch, dass man einerseits Sachen verändert und fortentwickelt und gleichzeitig etwas bewahrt.
Gibt es einen Bereich in der operativen Praxis, wo du diesen Spagat zwischen Bewahren und Verändern als besonders schwierig erlebst?

Lisa:
Bisher muss ich ganz ehrlich sagen: nein. Also, wirklich die größte Herausforderung, hätte ich gesagt, ist das Thema Unternehmenskultur.
Aber bisher muss ich sagen, dass wir – gerade mein Vater und ich – bei Veränderungen keine größeren Konflikte hatten, weil er auch sehr offen für Wandel und Veränderungen ist.
Wir setzen in den nächsten zwei Jahren einen sehr großen Fokus auf das Thema Digitalisierung und auf den Einsatz von KI. Das werde ich mit einer anderen Kollegin, die bei uns eine leitende Position hat, stärker vorantreiben. Und das findet auch im Unternehmen sehr positiven Anklang.
Also das muss man ganz ehrlich sagen.
Bisher habe ich nicht das Gefühl, dass wir uns mit Wandel und Veränderungen besonders schwertun. Klar stößt man immer mal wieder auf Hindernisse und Hürden, aber das ist wirklich keine extrem große Herausforderung. So nehme ich das ehrlich gesagt nicht wahr.

Cliff:
Ich habe noch eine Frage, bevor wir dann vielleicht auch zum Abschluss kommen.
Du sagtest eben, ihr habt gar nicht so viele Diskussionen.
Aber wenn es jetzt mal unterschiedliche Einschätzungen gäbe zwischen deinem Vater und dir – er hat ja immer das Ass im Ärmel zu sagen: „Hör mal, Mädel, ich habe das hier schließlich zum Erfolg geführt. Ich weiß doch, wie es läuft.“
Was hältst du ihm dann entgegen in solchen Situationen?

Lisa:
Naja, man muss dazu sagen: Mein Vater ist der Geschäftsführer, und er ist am Ende derjenige, der entscheidet.
Was ich natürlich machen kann – und was wir ehrlich gesagt auch sehr viel machen – ist, aktiv in den Austausch zu gehen.
Wir haben ursprünglich damit angefangen, dass wir uns einmal in der Woche, freitags nachmittags, für eine Stunde oder auch anderthalb Stunden zusammensetzen und über das sprechen, was wir in der Woche erlebt haben, über Herausforderungen oder Probleme.
Ich bringe dann auch Fragen mit, die sich für mich gestellt haben, zum Beispiel, warum er bestimmte Entscheidungen so getroffen hat, wie er sie getroffen hat.
Dann diskutieren wir ganz offen darüber. Es kommt auch vor, dass er sagt: „Okay, du hast recht, das wäre auch ein guter Ansatz gewesen.“ Oder dass wir gemeinsam ein Learning daraus ziehen und sagen: Dann folgt jetzt die Konsequenz, dass wir zusätzlich noch etwas anderes machen.

Wir haben aber ganz schnell festgestellt, dass diese eine Stunde jeden Freitagnachmittag absolut nicht ausreichend ist. Deshalb haben wir beschlossen, dass wir jeden Mittwoch zusammen verbringen.
Das heißt, wir sitzen jeden Mittwoch gemeinsam in einem Büro. Und es ist auch nicht so, dass jeder individuell einfach nur an seinem Laptop arbeitet, sondern wir setzen uns dann zusammen an seinen oder meinen PC, sprechen über bestimmte Themen, die in dem Moment wichtig sind, und setzen viel den Fokus auf technische oder produktbezogene Themen.
Diese enge Zusammenarbeit ermöglicht auch, dass ich, bevor Entscheidungen getroffen werden, meine Meinung äußern oder Einwände einbringen kann – oder dass ich verstehe, wieso bestimmte Herangehensweisen so sind, wie sie sind.
Mein Vater hat viele Jahre Berufserfahrung, und häufig ist ja auch gerechtfertigt, wieso er Entscheidungen so trifft.
Und am Ende ist er eben derjenige, der entscheidet.
Natürlich hatten wir auch schon ein, zwei Situationen, wo er gesagt hat: „Ich möchte das jetzt aber so. In vier Jahren kannst du dich dann ja selbst anders entscheiden.“
Aber das ist immer mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen – also nie bösartig gemeint.

Sibylle:
Lisa, wir haben zum Abschluss unserer Folge immer die Rubrik KOFA to go.
Da bitten wir dich, vielleicht drei Dinge zu nennen, die aus deiner Sicht entscheidend sind, damit Nachfolge gelingt – oder auch Dinge, die man unbedingt vermeiden sollte.
Was würdest du uns und unseren Hörerinnen und Hörern mitgeben?

Lisa:
Also, ich hätte vier Dinge, die ich entscheidend finde: Kommunikation auf Augenhöhe, Ehrlichkeit, Verbindlichkeit und dass man ein Team ist.

Cliff:
Willst du dazu noch ein bisschen mehr sagen?

Lisa:
Ich bin der Meinung, gerade beim Thema Team: Gemeinsam kann man viel mehr erreichen als alleine. Jeder hat tolle individuelle Ideen, aber wenn man sich zusammensetzt, entsteht meist die Idee, die wirklich gut umsetzbar ist und für alle passt.
Wenn man dann mit guter Kommunikation auf Augenhöhe das ganze Team mitnimmt, die Leute begeistert und mit einer guten Vision vorangeht, ist das für mich entscheidend.
Ich finde auch, wenn die Führungsebene – also Nachfolgerin oder Nachfolger und übergebende Person – nicht als Team agiert, sondern gegeneinander arbeitet oder sich nicht an Absprachen hält, dann kann Nachfolge schon nicht funktionieren.
Man muss die Mitarbeitenden mitnehmen und sagen: „Das ist unser Nachfolgeprozess. Ich als übergebende Person vertraue meinem Nachfolger und bin überzeugt, dass das die richtige Person fürs Unternehmen ist.“
Wenn man nicht als Team agiert, nicht ehrlich zueinander ist, sich nicht verbindlich an Absprachen hält und nicht auf Augenhöhe kommuniziert, dann ist die Nachfolge meiner Meinung nach mehr oder weniger schon zum Scheitern verurteilt.

Sibylle:
Lisa, ich glaube, ihr habt einen Prozess, der sehr vielversprechend ist und hoffentlich mit gutem Ausgang gesegnet sein wird.
Wir wünschen euch dafür nur das Beste, drücken alle Daumen – dir ganz persönlich, deiner Familie und natürlich auch dem Unternehmen.
Wir haben uns sehr gefreut, dass du deine Erfahrungen so offen mit uns geteilt hast.
Ich glaube, da war für viele Zuhörerinnen und Zuhörer etwas dabei, woran man andocken kann – egal, ob man in eine Unternehmensnachfolge geht oder auf einer anderen Führungsebene eine Nachfolge antritt. Das ähnelt sich ja in vielen Bereichen sehr.
Ganz herzlichen Dank, liebe Lisa. Ich würde sagen, wir bleiben im Kontakt – ich möchte nämlich ganz gerne wissen, wie es bei euch weitergeht.

Lisa:
Ganz lieben Dank an euch für die Einladung. Es war mir eine Freude, über das Thema Nachfolge bei uns zu sprechen. Ich bin auch gerne jederzeit ansprechbar, sollten Zuhörerinnen oder Zuhörer dazu Fragen haben.

Sibylle:
Wow, das ist ja ein tolles Angebot. Herzlichen Dank!

Cliff:
Prima, Lisa. Dir und dem Unternehmen alles Gute, und wir drücken die Daumen. Ciao, ciao.

Lisa:
Dankeschön und bis dahin. Ciao.

Sibylle:
In zwei Wochen kommt die nächste Folge KOFA auf dem Sofa – dann mit Franziska Arndt und dem Thema Auszubildenden-Marketing. Also: Wie gelingt es Unternehmen, Azubis anzusprechen und für sich zu gewinnen? Ich freue mich sehr darauf.

Cliff:
Nachwuchs sucht natürlich jedes Unternehmen heutzutage. Das gilt ganz besonders – und ich würde sagen, liebe Sibylle, wir fordern unsere Hörerinnen und Hörer nochmal dazu auf, fleißig uns zu liken, auf uns zu reagieren, uns zu teilen und uns eine freundliche Bewertung zu hinterlassen. Denn das hilft uns auch immer weiter.

Sibylle:
Das wären die schönsten Ostergeschenke, absolut, lieber Cliff. Dann wünsche ich dir frohe Tage, schönes Eiersuchen, und ich freue mich auf das nächste Mal. Tschüss!

Cliff:
Ich freue mich auch. Bis bald, ciao, ciao.

 

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