
Transkription: Folge 99
KOFA auf dem Sofa kompakt: Krise, Wandel, Wachstum – Was wirklich in der Gastronomie passiert
KOFA auf dem Sofa. Kompakt – wenn kurze Fragen auf kluge Köpfe treffen.
Letizia:
Hallo und herzlich willkommen zu unserer Kurzfolge „KOFA auf dem Sofa – wenn kurze Fragen auf kluge Köpfe treffen“.
Ich bin Letizia, Social Media Managerin im Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, und werde in diesen Kurzfolgen mit vielen klugen Köpfen aus dem KOFA-Team sprechen. Heute sprechen wir über die aktuelle Situation und die Zukunft der Gastronomie. Dafür habe ich meine Kollegin und KOFA-Expertin Franziska Arndt eingeladen. Schön, dass du da bist, Franziska.
Franziska:
Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dabei zu sein.
Letizia:
Ja, Franziska, direkt zum Einstieg: Wie steht die Branche aktuell da, welche Entwicklungen hat das Hotel- und Gastgewerbe in den letzten Jahren durchlaufen?
Franziska:
Die schwache wirtschaftliche Lage, die wir derzeit in Deutschland sehen, trifft eben auch das Hotel- und Gastgewerbe. Das sind insbesondere die steigenden Preise für Lebensmittel, die wir natürlich auch als Privatverbraucher merken. Das sind aber auch steigende Personalkosten. Gleichzeitig gibt es eine Konsumzurückhaltung der Gäste. Die Leute gehen tendenziell etwas weniger essen, verzichten vielleicht auch auf bestimmte Extras wie den Nachtisch oder das zweite Getränk. Das alles bedeutet, dass der Umsatz im Gastgewerbe derzeit sinkt. Hinzu kommt der Fachkräftemangel – es gibt zu wenig Personal. Man sieht das ja auch, wenn man unterwegs ist: In Bars, Cafés und Restaurants hängen überall die Zettel, dass nach Personal gesucht wird. Infolgedessen schränken viele Gastronomen ihr Angebot ein, verkürzen ihre Öffnungszeiten, haben ganze Schließtage, setzen stärker auf Selbstbedienung oder vereinfachen und standardisieren bestimmte Aufgaben. Sie arbeiten zum Beispiel mehr mit Convenience-Produkten. Wenn wir über die Entwicklung des Hotel- und Gastgewerbes in den letzten Jahren sprechen, dann müssen wir natürlich auch über die Corona-Pandemie reden, die die Branche sehr stark betroffen hat. Durch die Einschränkungen im Lockdown war die Branche wirklich sehr unter Druck. Es gab einen großen Beschäftigungsrückgang, und seit den Lockerungen mussten diese Stellen erst wieder aufgebaut werden. Das hat natürlich auch seine Zeit gedauert. Ich möchte aber auch noch auf positive Entwicklungen eingehen, und das betrifft insbesondere den Ausbildungsmarkt. Nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie hat er sich sehr gut stabilisiert, diesen Einbruch kompensiert und steht jetzt wieder sehr stark da.
Letizia:
Ja, das sind eigentlich schöne Neuigkeiten. Ich frage mich jetzt: Welche Ausbildungsberufe gibt es in dem Bereich überhaupt? Ich denke an Hotel- und Gastronomiekaufleute, aber welche Rolle spielt die Ausbildung insgesamt für die Zukunft der Branche?
Franziska:
Die Ausbildung ist eine ganz wichtige Stellschraube der Nachwuchssicherung im Hotel- und Gastgewerbe. Denn die meisten Berufe in dieser Branche erfordern eine abgeschlossene Berufsausbildung oder bauen darauf auf. Köchinnen und Köche zum Beispiel haben eine Ausbildung, aber auch Servicekräfte im Hotel- und Gastgewerbe sind klassischerweise ausgebildete Fachkräfte. Insgesamt gibt es sieben Ausbildungsberufe. Wir haben jetzt schon ein paar genannt, aber es gibt auch kaufmännische Ausbildungen im Hotelmanagement oder Ausbildungen mit Schwerpunkt Systemgastronomie. Vor drei Jahren wurden die Berufe reformiert und modernisiert. Ausbildungsinhalte wurden aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht. Auch aktuelle Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit wurden stärker in die Ausbildung integriert, sodass man hier wirklich zukunftsfähig aufgestellt ist. Die Ausbildung im Hotel- und Gastgewerbe hat außerdem einen besonderen Schwerpunkt: internationale Auszubildende. Sie leisten einen ganz wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Ausbildungsmarkts. Dazu veröffentlichen wir bald im KOFA eine Studie, aber ich kann schon verraten, dass internationale Azubis hier wirklich eine entscheidende Rolle spielen – und das deutlich stärker als in anderen Bereichen.
Letizia:
Ja, das ist eine schöne Erkenntnis, dass internationale Auszubildende so eine große Chance für Unternehmen sein können. Gleichzeitig ist es ja so, dass manche nach Deutschland kommen und dann feststellen: „Oh, das ist aber doch anders, als ich mir vorgestellt habe.“ Vielleicht sind die Erwartungen an die Ausbildung oder auch das Leben hier ganz anders – und im schlimmsten Fall überlegen sich die Leute sogar wieder zu gehen. Was können Betriebe denn dafür tun, um die jungen Leute schon im Vorfeld realistisch vorzubereiten und ihnen zu helfen, sich hier gut einzuleben?
Franziska:
Wie du sagst, ist es eben ganz wichtig, die Auszubildenden schon gut vorzubereiten – sowohl was die Ausbildung an sich angeht als auch das Leben in Deutschland. Wenn Auszubildende aus Ländern wie Indonesien nach Deutschland kommen, wissen sie wahrscheinlich vieles gar nicht. Sie haben vielleicht ein paar Dinge gehört, aber nicht alles davon stimmt. Es geht darum, wirklich zu zeigen, was sie hier erwartet. Es kommt ja auch darauf an, in welche Region sie in Deutschland kommen: Eine Ausbildung in Berlin, mitten in der Großstadt, ist etwas anderes als im ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern. Auch das ist sehr unterschiedlich. Es geht also darum, ein umfassendes Bild zu zeichnen, sodass die Auszubildenden wissen, was auf sie zukommt – sowohl in der Ausbildung als auch im Alltag. Dann ist natürlich Sprache das A und O. Englisch hilft, aber um wirklich anzukommen, muss man Deutsch können. Deswegen sind Sprachkurse während der Ausbildung sehr wichtig. Vielleicht gibt es sogar die Möglichkeit, schon vor der Ausbildung im Heimatland der Azubis einen Crashkurs anzubieten, sodass sie hier mit ersten Grundkenntnissen starten. Und es ist wichtig, als Betrieb zu verstehen: Integration ist ein Prozess. Es reicht nicht, die Azubis nur hierherzuholen. Sie müssen auch während der Ausbildung begleitet werden. Sie brauchen feste Ansprechpersonen – und zwar nicht nur die Ausbilderin oder den Ausbilder, sondern auch andere Azubis im Betrieb oder in der Region. Das können welche sein, die selbst aus dem Ausland gekommen sind, oder deutsche Azubis, die gut erklären können, wie das Leben hier ist. Man kann sogar noch breiter denken: Es gibt Beispiele, wo Betriebe in lokalen Netzwerken mit festen Ansprechpartnern, zum Beispiel seitens der IHK, zusammenarbeiten, um die Azubis bestmöglich zu unterstützen.
Letizia:
Ja, das sind ja schon viele gute Tipps zum Schluss. Vielleicht noch mal an dich die große Frage: Wenn ich jetzt Gastronom bin oder ein Hotel führe – also generell Unternehmer oder Führungskraft in der Branche – was kann ich denn konkret tun, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein? Sowohl wenn es darum geht, neue Auszubildende und Mitarbeitende zu finden, als auch darum, die Leute zu halten, die schon im Betrieb sind. Welche Tipps hast du da, damit man langfristig Mitarbeitende findet, bindet und motiviert?
Franziska:
Ja, wie du schon sagst, es ist wirklich wichtig, Rekrutierung und Mitarbeiterbindung gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Ausbildungsmarketing ist dabei entscheidend. Wir sehen im Hotel- und Gastgewerbe wirklich kreative Ideen und Ansätze, um Ausbildungsmarketing spannend zu gestalten. Es gibt zum Beispiel Azubi-Dinners, bei denen Auszubildende für interessierte Jugendliche kochen und über die Ausbildung informieren. Es gibt die Gastromobile, die unterwegs sind und einen niedrigschwelligen Zugang zu Ausbildungsinformationen schaffen. Wir sehen also sehr innovative Ansätze in der Azubigewinnung. Es lohnt sich, über klassische Formate hinauszudenken oder diese neu zu erfinden und kreativ zu gestalten. Unsere zwei Kooperationsstudien mit der Bertelsmann Stiftung haben außerdem gezeigt, dass Unternehmen Jugendliche oft gar nicht richtig erreichen, weil sie nicht die passenden Kommunikationskanäle nutzen. Insbesondere auf Social Media sind Betriebe nicht immer dort präsent, wo Jugendliche tatsächlich nach Ausbildungsangeboten suchen. Zudem wissen wir, dass Unternehmen vieles von dem, was eine Ausbildung aus Sicht der jungen Menschen attraktiv macht, tatsächlich anbieten – aber sie kommunizieren es nicht ausreichend. Es ist also wichtig, ein zielgruppengerechtes Ausbildungsmarketing zu betreiben und zu verstehen: Wer ist meine Zielgruppe, und wie tickt sie? Auch die Mitarbeiterbindung ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein sehr wichtiges Feld. Es reicht nicht, die Fachkräfte überhaupt zu finden, sie müssen auch nachhaltig gebunden werden. Hier kommt es wirklich sehr auf die Beschäftigten an. Es lohnt sich, mit der eigenen Belegschaft in den Austausch zu gehen: Was möchten meine Mitarbeitenden, was brauchen sie? Das können flexiblere Arbeitsbedingungen sein, was gerade im Schichtdienst nicht immer leicht ist – aber auch nicht unmöglich. Viele Beschäftigte schätzen es schon, wenn sie aktiv miteinbezogen werden, indem sie zum Beispiel Dienstpläne mit ausarbeiten oder selbst organisiert im Team Dienste tauschen können. Das ist insbesondere für Mitarbeitende mit familiären Verpflichtungen eine gute Möglichkeit, Job und Familie besser zu vereinbaren. Also insgesamt gilt: Die Zielgruppe – sprich die Beschäftigten – gut kennen, ihre Bedürfnisse ernst nehmen und schauen, wie man beide Seiten zusammenbringt. Nur so gelingt es, langfristig Mitarbeitende zu finden, zu binden und zu motivieren.
Letizia:
Ja, vielen Dank, Franziska, für deine Einblicke in die Situation der Gastronomie und die Tipps für Betriebe. Euch danke ich fürs Zuhören. In der nächsten Folge ist Sybille Stippler wieder mit dabei. Bis dahin macht es gut und bleibt uns treu bei „KOFA auf dem Sofa“. Jetzt abonnieren und keine Folge verpassen – auch auf kofa.de.