
Transkript: Folge 84
KOFA auf dem Sofa: Raus aus den Metropolen - rein ins gelobte Land
Sibylle:
KOFA auf dem Sofa – der Podcast.
Jens:
Mit Sibylle Stippler und Jens Breuer. Wer in der Stadt wohnt und arbeitet, hat auf den ersten Blick alle Vorteile auf seiner Seite. Die Lebensqualität ist hoch, alles, was man braucht oder vielleicht brauchen könnte, ist grundsätzlich da. Man kommt mit Bus und Bahn überall schnell hin. Auch Gehälter und Karrierechancen passen in den allermeisten Firmen. Trotzdem wollen wir in dieser Folge mal eine Lanze brechen – fürs Arbeiten auf dem Land.
Sibylle:
Ehrlich gesagt: Ich bin Anfang 20 nach Köln gezogen, das war für mich der Heilige Gral. Ich liebe es, überall schnell hinzukommen – passionierte Fahrradfahrerin – und konnte mir nie vorstellen, dass mich mal eine leise Sehnsucht nach Bäumen, Wiesen, Kühen und Kuhfladen packt. Jetzt bin ich 48 – und sie kommt. Gewaltig.
Jens:
Ja, verrückt. Ich bin 42 – und bei mir kommt das auch. Mit Anfang 20 nach Leipzig, super Stadt. Ich komme aber vom Land – Schleswig-Holstein, Dithmarschen. Ländlicher geht’s nicht: zwölf Kilometer in jede Richtung gar nichts. Dann war die Stadt der Sprung in die Zivilisation. Mittlerweile denke ich: Mir ist das zu laut, zu streng. Ich hätte Bock, im Garten zu sitzen, die Blumen anzugucken oder den Rasen zu mähen – und nebenbei zu arbeiten. Ab 40 packt einen wohl die Sehnsucht.
Sibylle:
Dann sind wir heute leichtes Spiel für unseren Gast. (lacht)
Jens:
Genau. Wir freuen uns auf Hanna Wagner vom Regionalrat Wirtschaft Rhein-Hunsrück. Sie ist überzeugt: Auf dem Land lebt und arbeitet es sich mindestens genauso gut wie in der Großstadt. Hi, Hanna!
Hanna:
Hi!
Jens:
Team Stadt oder Team Land – und hat sich das mal geändert?
Hanna:
Ich bin absolut Team Land. Hier aufgewachsen, zwischendurch in der (Groß-)Stadt gelebt – und inzwischen wieder zurück aufs Land gegangen. Und sehr glücklich damit.
Sibylle:
Erzähl kurz: Du leitest das Projekt „Gelobtes Land“ beim Regionalrat Wirtschaft Rhein-Hunsrück. Was steckt dahinter?
Hanna:
Ich arbeite bei der Wirtschaftsförderung im Rhein-Hunsrück-Kreis – ziemlich in der Mitte von Rheinland-Pfalz. Schon vor sechs Jahren hat man sich hier intensiv mit Fachkräftesicherung befasst. Klar wurde: Jugendliche allein zu halten reicht nicht, um die Lücke zu schließen. Also entstand die Kampagne Gelobtes Land. Wir überzeugen Menschen, aufs Land zu ziehen: Rückkehrer:innen, Familien – und auch Stadtmüde, die in der Stadt nicht mehr zufrieden sind.
Jens:
Menschen wie uns. (lacht) Mach mal Werbung: Warum Hunsrück?
Hanna:
Hunderte Argumente! Natur, saubere Luft, aus dem Fenster ins Grüne statt Betonwand. Man kann einfach rausgehen. Das Leben ist insgesamt ruhiger, ein Stück langsamer – so wie ihr es beschrieben habt. Zukunft fühlt sich hier oft erträglicher an. Dörfliche Gemeinschaft und Netzwerke sind stark. Ich habe vor zweieinhalb Jahren eine alte Schule gekauft und saniert – wenn etwas fehlte, Frontlader, Heckenschere oder eine helfende Hand: Es war immer jemand da. In der Stadt habe ich das anders erlebt.
Jobseitig: Ländliche Regionen haben viel zu bieten. Unternehmen haben Raum zum Wachsen – das schafft tolle Ausbildungs- und Jobperspektiven. Wohnen und Bauplätze sind trotz gestiegener Preise deutlich erschwinglicher als in Ballungsräumen – gerade für Familien attraktiv. Am Ende ist es eine Lebensphasenentscheidung: Rushhour des Lebens oft in der Stadt, später gern aufs Land. Weggehen, kennenlernen, Wissen zurückbringen – Region und Unternehmen mitgestalten.
Jens:
Klingt gut. Trotzdem haben viele das Vorurteil: „Im Dorf ist man immer die/der Neue.“ Bei uns im Dorf waren Zugezogene auch nach 20 Jahren „die Neuen“.
Hanna:
Ich habe es anders erlebt – auch, weil ich offen ankam. Ich wohne nicht im Heimatdorf, sondern in einem anderen, sitze dort im Gemeinderat, bin gut vernetzt. Ja, am Anfang ist man Zugezogene:r. Aber mit Offenheit auf beiden Seiten wird es bereichernd. Mein Rat: Mit Menschen sprechen, aktiv zugehen – dann merkt man schnell, die Hürden sind kleiner als gedacht.
Sibylle:
Wie ist es mit Infrastruktur: schnelles Internet, Kitas, weiterführende Schulen, ärztliche Versorgung?
Hanna:
Das sind Zuzugsargumente – also arbeiten wir daran. Wir kooperieren mit Kreisverwaltung und Partnern. Zur medizinischen Versorgung gab es mehrere Maßnahmen. Bei Kitas/Schulen geben wir Impulse in die Gremien. Internet: aktuell im Ausbau – oft besser als in der Stadt. Wichtig: Aufklären, zeigen, was vorhanden ist. Unser Vorteil ist das Netzwerk in Gremien und Institutionen – wir hören hin, wo sich etwas entwickelt, und sprechen Empfehlungen aus.
Jens:
Was können Unternehmen auf dem Land tun, um Fachkräfte zu gewinnen?
Hanna:
Grundsätzlich – nicht nur land-spezifisch: Netzwerken. Voneinander lernen, sich gemeinsam engagieren, die Region sichtbar machen. Viele Mittelständler sind weniger sichtbar als große Player im Ballungsraum. Unsere Initiative bündelt Kräfte und präsentiert Vorteile des Landlebens gemeinsam – ohne Konkurrenzdenken, sondern mit gegenseitiger Stärkung. Und klar: gute Basics der Arbeitgeberkommunikation.
Sibylle:
Gib uns konkrete Maßnahmen. Sagen wir: mittelgroßer Betrieb, zwei Azubi-Stellen, ein paar Facharbeiter:innen gesucht. Wie helft ihr?
Hanna:
Anschluss an unsere Initiative oder den Verein für Wirtschaftsförderung. Maßnahmen:
– „Social Media – Hanna unterwegs“: Ich besuche Betriebe, schaue mir die Arbeit an, packe mit an – Schweißen, Bau, was anliegt. Das macht die verborgene Vielfalt sichtbar.
– Veranstaltungen/Jobbörsen: z. B. eine Jobmesse im Tierpark – anderes Ambiente, große Aufmerksamkeit.
Unternehmen werden von uns mit präsentiert – Reichweite, Storytelling, persönliches Erleben.
Jens:
Manche Rückkehr-Initiativen nutzen die Weihnachtszeit, weil viele Ex-Einwohner:innen bei der Familie sind. Macht ihr das?
Hanna:
Ja. Am 24. Dezember liegt eine Jobzeitung als Beilage in der Regionalzeitung. Wir sprechen damit Weggezogene an, die über die Feiertage hier sind – und sehen: „Wow, was im Rhein-Hunsrück-Kreis los ist!“ So bin übrigens auch ich zu meinem Job gekommen – meine Mutter hat mir die Anzeige aus der Zeitung geschickt. Trotz aller digitalen Kanäle: Print wirkt – gerade auf dem Land.
Jens:
Stimmt – bei meinen Eltern wird das Wochenblatt am Wochenende immer gründlich durchgearbeitet. (lacht)
Sibylle:
Remote Work: Viele Jobs gehen inzwischen von überall. Zieht das Menschen aufs Land – auch wenn der Arbeitgeber in der Stadt ist?
Hanna:
Das haben wir in der Corona-Zeit deutlich gesehen. Familien zogen aus beengten Stadtwohnungen zurück in die Region, bauten oder mieteten Häuser. Spannend: Viele verlagern später auch ihren Job in die Region. Man verortet sich, lernt Leute kennen, bekommt Jobs mit, die man zuvor nicht auf dem Schirm hatte.
Jens:
Bleiben die Leute auch?
Hanna:
In der Regel: ja. Natürlich gibt es familiäre Gründe fürs Weiterziehen. Aber der Kreis ist lebenswert, viele bleiben gern. Wir unterstützen mit Rückkehrer-Treffs (Stammtisch), einem Gründungsnetzwerk und Vernetzung insgesamt. Im Flächenlandkreis sieht man nicht ständig Gleichaltrige auf der Straße – auf Events merkt man dann: „Hier ist richtig viel Potenzial und viele coole Menschen.“
Jens:
Sehr schön. (lacht) Bevor wir schließen, noch ein Hinweis in eigener Sache: Auf unserem YouTube-Kanal „KOFA to go“ finden Sie kompakte, praxisnahe Tipps zu Rekrutierung und Bindung. Gerne abonnieren.
Sibylle:
Und jetzt drei kurze, konkrete Tipps von Hanna – zum Mitnehmen.
Hanna:
Erstens: Region zeigen – Landleben und Qualitäten offensiv nach außen stellen.
Zweitens: Regional Netzwerken – als Unternehmen zusammenschließen, Vorteile gemeinsam sichtbar machen.
Drittens: Spezifische Angebote für Familien und Frauen schaffen – zwei Zielgruppen mit viel Potenzial und hoher Land-Affinität.
Jens:
Sehr spannend. Danke, Hanna Wagner, Regionalrat Wirtschaft Rhein-Hunsrück!
Hanna:
Danke – bei Fragen zum Rhein-Hunsrück-Kreis gern melden.
Sibylle:
Oder einfach mal vorbeikommen und anschauen – hilft am besten. Ich schaue auf Social Media bei euch vorbei, Hanna. Danke für die konkreten Einblicke – das hat Spaß gemacht.
Jens:
Eine Folge KOFA auf dem Sofa gibt’s in diesem Jahr noch – am 11. Dezember. In lieb gewonnener Tradition blicken wir zurück: Highlights, was uns beeindruckt oder überrascht hat.
Sibylle:
Oh ja, da fällt mir schon einiges ein. Ich freue mich auf einen spannenden Galopp mit dir, lieber Jens, einmal quer durchs Jahr. Und bis dahin: Überlegen Sie in Ruhe – Land oder Stadt – gern mit der Familie.
Jens:
Die Entscheidung steht – aufs Land! (lacht) Herzlich willkommen überall, wo tolle Unternehmen tolle Fachkräfte suchen. Wir verabschieden uns für vier Wochen und hören uns am 11. Dezember wieder mit einer neuen Folge KOFA auf dem Sofa. Bis dahin – machen Sie’s gut und tschüss.
Sibylle:
Fachleute für Fachkräfte – KOFA auf dem Sofa, der Podcast.