
Transkript: Folge 83
KOFA auf dem Sofa: Die Arbeitswelt von morgen: Konzept Karriere überholt?
Jens:
KOFA auf dem Sofa – der Podcast.
Sibylle:
Mit Sibylle Stippler und Jens Breuer. Hallo, schön, dass ihr reinhört! Das ist die Oktoberausgabe von KOFA auf dem Sofa – und was wäre KOFA auf dem Sofa ohne Sibylle zu meiner Rechten? Hallo Sibylle, schön, dass du da bist.
Sibylle:
Ich freue mich auch, dass wir wieder zusammensitzen. Ich bin ganz gespannt auf unseren Gast heute und auf unsere Folge. Ich sag kurz, worum es heute geht: Es geht um das Thema Karriere. Wenn du dich zurückerinnerst an die Zeit nach dem Schulabschluss – was war für dich damals der Inbegriff von Karriere?
Jens:
Tatsächlich wollte ich Karriere machen und viel reisen. Ich wollte in anderen Ländern sein, in schönen Hotels wohnen und einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag haben – das war mir total wichtig.
Sibylle:
Bei mir war’s vor allem so, dass ich natürlich – das höre ich heute auch von meinem Sohn, der ist 15 – damals dachte: Man will ordentlich Geld verdienen. Das ist ja auch bei der Generation Z heute ein großes Thema. Aber mir war auch immer Gestaltungsfreiraum wichtig. Ich wollte Dinge vorantreiben und fand es immer frustrierend, wenn etwas nicht richtig weiterging. Das war für mich irgendwie Karriere. Heute wollen wir darüber sprechen, was Karriere heute bedeutet, wie sich das verändert hat. Und dazu gibt es eine neue Studie, die KOFA zusammen mit meinestadt.de durchgeführt hat. Es geht um die Berufs- und Lebensziele der jungen Generation. Und wir sprechen mit jemandem, der daran maßgeblich beteiligt war: dem CEO von meinestadt.de, Marc Hoffmann. Hallo Marc, schön, dass du da bist!
Marc:
Hi, grüß euch! Ich muss direkt klarstellen: Ich bin zwar CEO von meinestadt.de, aber nicht Mitgründer. Das Unternehmen wurde 1996 gegründet – da war ich zehn Jahre alt. (lacht)
Jens:
Erzähl trotzdem mal, wie du zu meinestadt.de gekommen bist – und was Karriere damals und heute für dich bedeutet.
Marc:
meinestadt.de steht seit 1996 dafür, dass man in jeder deutschen Stadt oder Gemeinde alle wichtigen Informationen findet: Jobs, Immobilien, Gebrauchtwagen, Events, Nachrichten. Wir sind eine der führenden Jobbörsen für den Bereich Blue Collar. Karriere war für mich nie ein Zielbegriff. Mir ging es immer darum, etwas zu machen, wofür ich Leidenschaft habe – also Spaß an der Sache, Lernfreude, Ehrgeiz, Freiraum. Ich gewinne gerne, aber noch lieber lerne ich dazu. Das war damals für mich der Inbegriff von beruflicher Erfüllung – nicht unbedingt Karriere.
Sibylle:
Ihr seid ja stark im Bereich gewerblicher Berufe unterwegs. Viele eurer Nutzerinnen und Nutzer haben eine Ausbildung gemacht. Da vermutet man, dass Selbstverwirklichung beim Thema Jobsuche gar nicht so eine große Rolle spielt. Was hat sich in den letzten Jahren bei Stellenanzeigen verändert?
Marc:
Ehrlich gesagt: gar nicht so viel, wie man denken würde. Viele Firmen nennen ihre Jobseiten immer noch „Karriereseite“ – aber gerade im gewerblichen Bereich spricht das die Fachkräfte gar nicht an. Sie interessieren sich eher für Fragen wie: Mit wem arbeite ich? Wer ist mein Vorgesetzter? Wofür steht das Unternehmen? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Was bietet mir der Arbeitgeber? Und ganz entscheidend: Wie kann ich mich fachlich weiterentwickeln? Karriere klingt für viele nach Stress, Überstunden oder höherer Belastung. Weiterbildung und technisches Dazulernen sind oft wichtiger.
Jens:
Früher war Karriere gleichbedeutend mit Eckbüro und Dienstwagen. Heute scheint das persönlicher zu sein – Sicherheit, Sinn, Balance.
Marc:
Total. Gerade nach Pandemie und Krisen ist Sicherheit für viele das Wichtigste: pünktliche Gehaltszahlung, unbefristeter Vertrag, eine krisensichere Branche. Niemand will ständig neue Chefs oder Umbrüche. Zu viel Wechsel erzeugt Unsicherheit – und das schreckt ab.
Sibylle:
In unserer gemeinsamen Studie mit über 3000 Fachkräften haben viele berichtet, dass sie im Job unter Druck stehen – auch, weil durch den Fachkräftemangel oft zu wenig Kolleginnen und Kollegen da sind. Das befeuert ja manchmal sogar den Jobwechsel. Jetzt ist es gar nicht so leicht, solche Themen in einer Stellenanzeige zu transportieren. Hast du da einen Tipp, wie Unternehmen Team, Kultur und Vertrauen sichtbar machen können?
Marc:
Zuerst sollten Unternehmen das Thema Recruiting wirklich priorisieren. Und dann in den Stellenanzeigen ehrlicher und transparenter werden: Zeigt, wer ihr seid, wie das Team tickt, wer führt, und wofür ihr steht. Trendthemen wie KI sollte man nicht als Schlagwort, sondern als Beispiel für Entwicklung und Lernmöglichkeiten einsetzen. Es geht nicht darum, Karriere zu versprechen, sondern Entwicklung.
ChatGPT:
Marc:
Also auf der einen Seite ist es, glaube ich, total relevant, den ersten Aspekt von dir noch mal aufzugreifen – dass sich der Fachkräftemangel in gewisser Weise selbst verstärkt. Weil es zu wenige Fachkräfte gibt, müssen die vorhandenen mehr leisten, mehr Überstunden machen. Für Unternehmen bedeutet das: Recruiting muss absolute Priorität haben. Das ist der Anfangspunkt.
Und wenn man dann in die Stellenanzeige selbst reingeht, geht es darum, Vertrauen und Nähe aufzubauen. Zeigt, wer ihr seid, wie ihr führt, wie ihr mit euren Leuten umgeht. Und: Welche Trends spielen bei euch eine Rolle? Zum Beispiel künstliche Intelligenz – wie integriert ihr sie? Wie geht ihr mit neuen Technologien um? Weiterbildung und Entwicklung sind für viele wichtiger als der klassische Karrierebegriff. Und genau das sollte in einer Stellenanzeige sichtbar werden: Wo kann ich mich weiterentwickeln, was lerne ich Neues, wie bleibe ich zukunftsfähig?
Sibylle:
Viele Unternehmen, gerade kleine und mittlere, stehen beim Thema KI ja noch am Anfang. Was gibst du denen mit auf den Weg?
Marc:
KI ist gerade ein Riesenthema – und sie wird unsere Gesellschaft und die Unternehmenswelt komplett verändern. Ich vergleiche das gern mit dem Aufkommen des Smartphones: Erst war es nur ein Trend, dann kam das iPhone, dann Breitband, dann Social Media – und plötzlich war alles anders. Aber kein Unternehmen musste damals selbst ein Handy oder eine App entwickeln, um davon zu profitieren. Es ging darum, zu verstehen, wie man diese Technologien sinnvoll nutzt.
Genauso ist es jetzt mit KI: Ich muss keine KI bauen, keine App entwickeln. Wichtig ist, mich zu fragen: Wie kann ich als Unternehmen die Tools, die es jetzt und in den nächsten Jahren gibt, einsetzen, um meine Prozesse zu verbessern und mein Team zu entlasten? Offenheit ist hier entscheidend – keine Angst vor Neuem, sondern ausprobieren. Und den Mitarbeitenden zutrauen, dass sie das können und Lust darauf haben, Neues zu lernen.
Sibylle:
Das passt auch zu einem Ergebnis aus unserer Studie: Viele, die schon mit KI arbeiten, berichten, dass sie dadurch spannende neue Projekte haben, mehr schaffen und sich ihre Arbeit sogar sicherer anfühlt. Und das finde ich bemerkenswert – weil man in den Medien ja oft eher Horrorszenarien liest, in denen Roboter Menschen ersetzen.
Jens:
Ja, das ist wirklich interessant, dass KI von vielen eher als Chance gesehen wird.
Sibylle:
Genau. Sie übernehmen Routinen, schaffen Zeit für das, was man wirklich gern macht. Und klar – es werden auch Jobs wegfallen, aber gleichzeitig entstehen neue. Mich macht das hoffnungsvoll, weil die Studie zeigt: Die Leute erleben KI als Unterstützung, und sie wollen sich weiterentwickeln.
Sibylle:
Gab’s für dich noch so einen Aha-Moment, Marc – etwas, das dich bei der Studie besonders überrascht hat?
Marc:
Ja, tatsächlich: Über 80 Prozent der Befragten möchten informiert werden, wenn im Bewerbungsprozess KI eingesetzt wird. Das zeigt, dass das Thema in der Gesellschaft angekommen ist – die Menschen haben ein Bewusstsein dafür und wollen Transparenz. Gleichzeitig nehmen sie an, dass KI längst Standard ist. Das fand ich faszinierend – und es zeigt, wie wichtig offene Kommunikation auch hier ist.
Marc:
Also ich weiß gar nicht, ob man da jetzt ansetzen kann, was das Thema Karriere angeht, aber was mich wirklich überrascht hat, ist, dass über 80 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber informiert werden möchten, wenn im Bewerbungsprozess KI eingesetzt wird. Das kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Einerseits zeigt es, dass das Thema längst in der Gesellschaft angekommen ist – 80 Prozent sagen, sie wollen das wissen, es interessiert sie, es ist ihnen wichtig. Gleichzeitig bedeutet das natürlich auch: Es gibt eine gewisse Skepsis. Und spannend finde ich, dass viele schon davon ausgehen, dass KI im Bewerbungsprozess längst Standard ist – obwohl das in der Realität noch gar nicht überall der Fall ist. Dieses Bewusstsein und diese Erwartungshaltung haben mich wirklich fasziniert.
Sibylle:
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal herzlich dazu einladen, sich die Studie anzusehen. Wir haben an jedem Kapitelende konkrete Praxistipps eingebaut. Und ich glaube, wir haben in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit – danke, lieber Marc – die wichtigsten Ergebnisse schon besprochen.
Jens:
Eine Frage habe ich aber noch. Ihr habt euch ja sowohl die Ansprüche der Älteren als auch der Jüngeren angeschaut. Jetzt stehen da zwei Generationen mit teils gegensätzlichen Erwartungen: Die jüngeren wollen mehr Freiheit und Selbstverwirklichung, die älteren legen oft mehr Wert auf Sicherheit und Beständigkeit. Wie bringt man das zusammen, damit beide Seiten gut miteinander arbeiten können?
Marc:
Ich glaube, das geht nur individuell. Eine Einheitslösung wird hier nicht funktionieren. Es geht darum, auf Menschen einzugehen, zuzuhören und zu verstehen, was sie wirklich brauchen. Das ist heute generell entscheidend – nicht nur eine Frage der Generationen. Wir sprechen von Fachkräftemangel, also können wir nicht gleichzeitig mit Standards arbeiten, die auf alle passen sollen. Wir müssen aktiv zuhören, Bedürfnisse ernst nehmen und uns fragen: Wie können wir diese erfüllen? Und ja – das ist auch ein Wettbewerbsvorteil. Wer seine Mitarbeitenden versteht, wird sie nicht nur gewinnen, sondern auch halten. So sehen die Menschen ihren Beruf nicht mehr nur als Job, sondern als Berufung.
Sibylle:
Es gibt übrigens auch einen KOFA-Instagram-Account – da laden wir euch herzlich ein, vorbeizuschauen. Dort gibt’s regelmäßig neue Inhalte rund ums Thema Fachkräftesicherung. Also: gern folgen, liken und teilen.
Jens:
KOFA to go – zum Mitnehmen.
Die Arbeitswelt von morgen wird ganz anders aussehen als die, die unsere Eltern oder Großeltern kannten. Der Karrierebegriff hat sich verändert. Und die große Herausforderung für Unternehmen ist, die Bedürfnisse der jungen Generation zu berücksichtigen und gleichzeitig das Beste für das Unternehmen herauszuholen.
Sibylle:
Unser erster Tipp: Offen sein, zuhören und die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen wirklich ernst nehmen.
Jens:
Tipp zwei: Der Begriff „Karriereseite“ hat ausgedient. Karriere im klassischen Sinn reizt viele Fachkräfte gar nicht mehr. Setzen Sie stattdessen auf Sicherheit, Teamgeist und klare Werte.
Sibylle:
Und der dritte Tipp: Neue Mitarbeitende kommen meist wegen des Unternehmens – aber sie gehen wegen der Vorgesetzten. Achten Sie auf gute Führung, denn das ist der Schlüssel für langfristige Bindung.
Jens:
Das war Folge 83 von KOFA auf dem Sofa mit unserem Gast Marc Hoffmann. Danke, dass du heute bei uns warst!
Marc:
Vielen Dank für die Einladung!
Sibylle:
Und wer die Studie noch einmal im Detail nachlesen möchte, findet sie natürlich auf kofa.de – und auch auf meinestadt.de.
Jens:
In der nächsten Folge, am 13. November, ist Hanna Wagner vom Regionalrat Wirtschaft Rhein-Hunsrück zu Gast.
Sibylle:
Mit ihr sprechen wir darüber, wie man Fachkräfte nicht in die Metropolen zieht, sondern aufs Land. Ich bin sehr gespannt auf ihre Ansätze.
Jens:
Ich auch! Also – wir hören uns am 13. November wieder. Bis dahin, macht’s gut!
Sibylle:
Tschüss!
Jens:
Fachleute für Fachkräfte – KOFA auf dem Sofa, der Podcast.