
Transkript: Folge 76
KOFA auf dem Sofa: „Der Blick in die Zukunft– Wo geht es hin mit dem Fachkräftemangel?“
KOFA auf dem Sofa – der Podcast
Mit Sibylle Stippler und Jens Breuer
Jens:
Herzlich willkommen zur März-Ausgabe von KOFA auf dem Sofa. Sibylle und ich freuen uns riesig, dass Sie auch diesmal wieder mit dabei sind. Schön, dass Sie da sind – und hallo, Sibylle!
Sibylle:
Hallo, Jens! Schön, dich wiederzusehen.
Ja, die Zahl ist beeindruckend: Rund 630.000 offene Stellen gab es im Jahr 2022 im Durchschnitt, die in Deutschland nicht besetzt werden konnten. Da müssen wir nicht lange drum herumreden – das ist eine enorme Herausforderung für die Wirtschaft. Und das spüren wir natürlich auch heute noch.
Jens:
Absolut. Du warst ja neulich auf dem Fachkräftekongress – auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Wie hast du das Ganze erlebt? Wie hat sich das Fachkräfteproblem dort für dich dargestellt?
Sibylle:
Es ist ganz deutlich geworden, dass wir da ein massives Problem haben – schon heute, und das wird sich weiter verschärfen.
Da reicht es eben nicht, an einem einzigen Hebel zu drehen. Wir brauchen mehrere Stellschrauben, an denen wir gleichzeitig arbeiten.
Sehr stark diskutiert wurde das Thema internationale Fachkräfte – immer wieder, auch weil wir ja gesellschaftlich und politisch spüren, dass es da noch Vorbehalte gibt. Das Bundesarbeitsministerium hat jetzt den sogenannten Job-Turbo gestartet, das wurde auf der Messe viel besprochen.
Aber ich habe auch viele Menschen getroffen, die wirklich etwas bewegen wollen, die anpacken – das fand ich sehr positiv.
Jens:
Du warst also auf der Internationalen Handwerksmesse – und natürlich war KOFA auf dem Sofa mit dabei.
Du hast dich dort auch mit interessanten Gästen unterhalten, unter anderem mit unserem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Was hast du ihn gefragt?
Sibylle:
Das war natürlich ein besonderer Moment.
Wir haben gemeinsam über die Messe geblickt – und es war wirklich beeindruckend: extrem viele Besucherinnen und Besucher, viele junge Menschen. Offenbar werden am ersten Tag auch viele Schulklassen über die Messe geführt.
Ich habe Robert Habeck gefragt, wie er die aktuelle Lage einschätzt – gerade im Handwerk, wo die Sorge um fehlende Fachkräfte besonders groß ist.
Wir brauchen ja gerade dort viele junge Leute, damit wir die Klimaziele erreichen.
Und ich wollte wissen, was er jungen Menschen persönlich empfehlen würde: Welche Berufe sollten sie ergreifen, wenn sie bei der Energiewende mit anpacken möchten?
Robert Habeck:
Also erst einmal ist wichtig, dass das Handwerk gesehen wird als das, was es ist: die Stütze des Landes.
Das, was abstrakt diskutiert wird, wird dort ganz konkret umgesetzt – und meiner Ansicht nach ist das unglaublich befriedigend.
Ich durfte selbst mal reinschnuppern – beim Gartenpflastern. Da merkt man schon, dass man etwas schafft, das bleibt. Abends siehst du, was du gemacht hast.
Und so ist es ja bei ganz vielen Handwerksberufen: Du siehst am Ende des Tages dein Ergebnis.
Ich finde, das ist eine unglaubliche Befriedigung.
Und gleichzeitig haben wir viele kleine, konkrete Aufgaben zu lösen – von der Frage, wie junge Leute zur Berufsschule kommen, über die Vergütung bis hin zu Wohnmöglichkeiten.
Dann gibt es aber auch ein strukturelles Problem, das ich noch nicht vollständig greifen kann:
Wir haben rund 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss. Ich mag nicht glauben, dass die nichts können – da steckt ein enormes Potenzial.
Das gilt es in Ausbildung zu bringen.
Ich frage mich, ob das an den Menschen liegt, an Zugangshürden, an systemischen Fragen oder an der Schulausbildung.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass manche an der Mathematik oder Grammatik scheitern – also an der Wurzelrechnung oder am Genitiv und Dativ –, obwohl sie vielleicht großartige Malerinnen, Lackierer oder Metallhandwerker werden könnten.
Vielleicht müssen wir stärker auf Talente schauen – jede und jeder sollte die Chance haben, das eigene Potenzial zu entfalten, statt an starren Normen zu scheitern.
Sybille:
Jetzt haben wir schon viel über die Talente und Potenziale der jungen Generation gesprochen.
Aber auch die älteren Beschäftigten bieten ja ein riesiges Potenzial.
Und wenn ich mich hier so umschaue, sehe ich viele Besucherinnen und Besucher der Generation Erfahrung.
Was tut denn die Bundesregierung, um der drohenden Fachkräftelücke oder den Engpässen zu begegnen?
Robert Habeck:
Wir sind ja eigentlich schon mittendrin in der Fachkräftelücke, wenn Sie so wollen.
Und das ist tatsächlich bedrückend – fast schon politisch atemberaubend, wie plötzlich alle überrascht waren:
„Oh, da ist ja eine Fachkräftelücke!“
Als wäre die einfach vom Himmel gefallen.
Das war ja alles nicht überraschend – aber wir sind jetzt voll drin.
Erste Schritte sind gemacht worden:
Wenn man heute das gesetzliche Rentenalter erreicht, darf man darüber hinaus unbegrenzt dazuverdienen.
Früher war das ja reguliert.
Ich kann mir aber vorstellen, dass wir da noch weitergehen sollten.
Ich finde, es macht Sinn, Menschen, die jahrzehntelang körperlich hart gearbeitet haben – etwa auf dem Bau –, nicht zu zwingen, weiterzuarbeiten.
Da ist das gesetzliche Rentenalter richtig.
Aber es gibt viele Berufe, in denen Leute sagen: „Ich bin doch noch fit!“
Und wenn die weiterarbeiten wollen, sollte man das eher belohnen.
Zum Beispiel zahlen Arbeitgeber ja Arbeitslosenversicherungsbeiträge – aber ein 65-Jähriger wird nicht mehr arbeitslos, der geht in Rente.
Also könnte man diese Beiträge einfach dem Gehalt zuschlagen, sodass es sich lohnt, zwei, drei Jahre länger zu bleiben.
Alles, was hilft, sollte möglich gemacht werden.
Jens:
„Alles, was hilft, sollte möglich gemacht werden“, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Sybille:
Da hat er mir wirklich aus der Seele gesprochen.
Zur Generation Erfahrung gehören wir zwar noch nicht ganz, aber auch wir haben ja schon einiges erlebt.
Und dieses Potenzial weiter zu nutzen, ist sicher ein ganz wichtiger Hebel.
Jetzt wollen wir das Thema noch ein bisschen vertiefen.
Wenn es um den Fachkräftemangel in Deutschland geht, kommt man an einem Mann kaum vorbei – er beschäftigt sich beruflich genau damit.
Alexander Burstedde vom Institut der deutschen Wirtschaft, er ist Wirtschaftswissenschaftler.
Hallo, Alex, schön, dass du da bist!
Alexander:
Hallo zusammen!
Sybille:
Dein Job besteht ja darin, dich tief in die Zahlen und Entwicklungen des Fachkräftemarkts einzuarbeiten.
Wo stehen wir denn aktuell – wie schlimm ist der Fachkräftemangel wirklich?
Alexander:
Man sieht in unseren Daten ganz deutlich: Der Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen.
Hier und da gab es mal eine kleine wirtschaftliche Abkühlung, aber der Trend ist eindeutig – es fehlen immer mehr Menschen.
Und eine wirkliche Entspannung ist derzeit nicht in Sicht.
Jens:
Ja, das ist die große Frage:
Was kommt da in den nächsten Jahren auf uns zu – oder sollte man besser sagen, auf uns zurollen?
Alexander:
Ja, das kann man tatsächlich so sagen.
Da lässt sich nicht mehr viel aufhalten – das liegt an der Altersstruktur in Deutschland.
Wir haben eine ganze Generation, die in den nächsten Jahren in Rente geht.
Das betrifft vor allem Westdeutschland.
Bis Ende des Jahrzehnts werden dort deutlich mehr Menschen in Rente gehen, als junge nachrücken.
Dadurch wird sich der Fachkräftemangel dort noch einmal deutlich verschärfen.
In Ostdeutschland ist dieser Prozess bereits weiter fortgeschritten – dort hat man den großen Schub der Renteneintritte schon hinter sich.
Man ist dort sozusagen auf einem Plateau angekommen und kennt die Situation bereits.
Aber ich glaube, in Westdeutschland ist vielen noch gar nicht bewusst, was da auf sie zukommt.
Sybille:
Jetzt hast du ja ganz neu etwas entwickelt – nämlich die Arbeitsmarktfortschreibung, mit der man ein Stück weit in die Zukunft des Arbeitsmarktes schauen kann.
Was ist denn aus deiner Sicht das Wichtigste, was wir jetzt tun sollten?
Oder wo siehst du noch Potenziale, die wir bislang vielleicht nicht richtig nutzen und wo wir genauer hinschauen sollten?
Alexander:
Ja, also diese Fortschreibung war für uns ein super Tool, um den Blick zu schärfen.
An der Demografie, so wie sie ist, können wir natürlich spontan nichts ändern.
Aber ein zentrales Ergebnis unserer Studie war: Entscheidend ist vor allem, wie sich in Zukunft die Erwerbsbeteiligung entwickelt – und die Zuwanderung.
Das heißt:
Wie viele Menschen, die bereits hier leben, arbeiten tatsächlich – und wie viele können oder wollen wir noch zusätzlich für den Arbeitsmarkt gewinnen?
Wenn wir da unsere Hausaufgaben machen, kann sich das sogar sehr positiv entwickeln.
Wir hätten das Potenzial, jedes Jahr rund eine halbe Million zusätzliche Beschäftigte aufzubauen.
Aber es liegt eben an uns, ob wir das schaffen – ob wir die Menschen motivieren und denen, die Unterstützung brauchen, den sprichwörtlichen Steigbügel halten.
Jens:
Du hast jetzt ganz selbstverständlich von der Fortschreibung gesprochen – und der ein oder andere fragt sich vielleicht: Was ist das eigentlich genau?
Ich weiß ja, du hast zwei Kinder – wie alt sind die?
Alexander:
Eins und vier.
Jens:
Na also, dann erklär doch bitte mal deinen Kindern – oder uns – was eine Fortschreibung eigentlich ist.
Alexander:
(lacht) Also im Grunde ist es so: Wir wollen einen Blick in die Zukunft werfen.
Dafür schauen wir uns an, wie es in der jüngeren Vergangenheit gelaufen ist, und tun so, als würde sich das so weiterentwickeln.
Wir behaupten also nicht, dass wir wissen, was passieren wird – sondern wir sagen:
„Wenn alles so weiterläuft wie bisher, was würde das bedeuten?“
Und das machen wir mit unglaublich vielen Daten.
Da steckt sehr viel Rechenarbeit drin.
Am Ende können wir aber ziemlich genau sagen, welche Bevölkerungsgruppen noch mehr arbeiten könnten, in welchen Regionen es Unterschiede gibt – und vor allem, in welchen Berufen künftig mehr oder weniger Menschen gebraucht werden.
Sybille:
Jetzt hast du schon allgemein gesagt, in welchen Bevölkerungsgruppen noch Potenzial steckt.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat sich ja in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.
Steckt da trotzdem noch Spielraum drin, oder sollten wir uns stärker auf andere Gruppen fokussieren?
Kannst du uns mal ein paar Beispiele nennen?
Alexander:
Bei den Frauen in Deutschland ist es tatsächlich so, dass fast alle arbeiten – zumindest in Teilzeit oder Vollzeit.
Die Frage ist also weniger ob, sondern wie viel.
Denn in den meisten Familien übernehmen immer noch Frauen den größeren Teil der Kinderbetreuung.
Wenn jetzt die Männer mehr davon übernehmen, arbeiten sie natürlich weniger – das bringt dem Arbeitsmarkt in Summe nichts.
Wenn wir also wollen, dass insgesamt mehr gearbeitet wird, müssen wir die Kinderbetreuung weiter ausbauen.
Da sehen wir zwar schon Fortschritte – zum Beispiel einen deutlichen Anstieg bei den Erzieherinnen und Erziehern – aber es müsste noch schneller gehen.
Und vor allem: Die Betreuung muss qualitativ hochwertig und verlässlich sein.
Das ist wichtig für die Bildungsgerechtigkeit – aber eben auch dafür, dass Eltern ihre Arbeitszeit erhöhen können, weil sie wissen: Die Kita läuft, und ich muss nicht ständig einspringen.
Jens:
Sind die Ergebnisse insgesamt so ausgefallen, wie du sie erwartet hattest?
Oder gab es Dinge, bei denen du gedacht hast: „Hoppla, das hätte ich jetzt nicht erwartet“?
Alexander:
Es gab schon hier und da Dinge, die auch mich überrascht haben.
Eine davon war, dass unsere Fortschreibung für Ostdeutschland zeigt:
Dort könnte es beim Beschäftigungsaufbau künftig schneller vorangehen als im Westen.
Das war bisher ja eher andersherum – aber es dreht sich gerade ein bisschen.
Das liegt unter anderem daran, dass wir in Westdeutschland eigentlich schon fast jeden, der geradeaus laufen kann, in Arbeit haben.
In Ostdeutschland gibt es dagegen noch etwas mehr Arbeitslose, die man in den Arbeitsmarkt integrieren kann.
Gleichzeitig wird der Osten auch attraktiver – es ziehen weniger Menschen in den Westen ab, und die Zuwanderung nimmt zu.
Das heißt: Der Osten holt den Westen gerade ein, was die Beschäftigungsperspektive angeht.
Sybille:
Jetzt haben wir uns gerade schon die Erzieherinnen und Erzieher angeschaut – da sagst du, der Trend ist positiv.
Gibt es denn auch Branchen oder Berufe, wo du sagst: „Da müssen wir uns Sorgen machen, da sollten wir genauer hinschauen“?
Alexander:
Also, ich bin kein Freund davon, Sorgen zu schüren oder den Kopf in den Sand zu stecken.
Aber ja, es gibt natürlich Berufe, in denen der Trend rückläufig ist – und das sind keine neuen Entwicklungen, sondern Entwicklungen, die schon länger bestehen.
Ein Beispiel: Früher hieß es ja oft „Kind, mach was Vernünftiges, mach eine Banklehre“.
Das würde ich heute meinen Kindern nicht mehr raten.
Die Banken schließen Filialen, der Bedarf an Mitarbeitenden in den Schaltern sinkt – und das sieht man ganz klar in den Zahlen.
Warum? Weil wir heute fast alles online erledigen.
Das heißt, wir brauchen weniger Leute hinter den Schaltern – aber mehr IT-Fachkräfte.
Die gute Nachricht ist: Das haben viele junge Menschen längst erkannt.
IT-Berufe sind attraktiv, da müssen wir kaum noch Werbung machen.
Aber im Handwerk – das hatten wir ja eben auch schon mit Herrn Habeck – sieht es anders aus.
Ohne diese Leute passiert nichts!
Es bringt nichts, wenn ein Architekt ein schönes Haus plant – jemand muss es auch bauen.
Und wenn das dann noch gut gedämmt, mit Wärmepumpe und Photovoltaik ausgestattet sein soll, brauchen wir Fachkräfte, die wirklich Ahnung haben.
Da ist die deutsche Berufsausbildung ein echtes Pfund – sie bietet hervorragende Voraussetzungen und viele Chancen.
Sybille:
Eine ganz wesentliche Erkenntnis eurer Studie ist ja auch:
In Zukunft wird es immer weniger Fachkräfte mit einer klassischen Berufsausbildung geben – obwohl wir in Deutschland ja sehr stolz auf unser duales Ausbildungssystem sind.
Was bedeutet das denn für kleine und mittlere Unternehmen?
Alexander:
Da gibt es zwei Seiten der Medaille.
Die eine ist: Unsere Ausbildung ist top!
Wir werden international immer noch dafür beneidet, wie gut sie funktioniert und welche Fachkräfte sie hervorbringt.
Aber man darf nicht die Augen davor verschließen, dass heute mehr junge Menschen studieren, statt eine Ausbildung zu machen.
Wir müssen also wieder stärker für die Ausbildung werben – und zwar, indem wir Perspektiven aufzeigen.
Man kann mit 16 eine Ausbildung anfangen, ist mit 19 fertig und startet direkt ins Berufsleben.
Aber das muss ja nicht das Ende der Karriere sein.
Man kann sich weiterbilden, den Meister machen, sich spezialisieren – es gibt viele Wege, ohne Studium sehr weit zu kommen.
Das müssen wir viel deutlicher vermitteln:
Nach der Ausbildung geht es weiter!
Jens:
Alex, jetzt interessiert uns natürlich auch die zweite Seite der Medaille. Wie siehst du das?
Alexander:
Da muss man realistisch sein.
Auch aus demografischen Gründen wird es in Zukunft wohl weniger ausgebildete Fachkräfte geben.
Und die Unternehmen müssen lernen, damit umzugehen.
Das heißt: Sie sollten ihre Produktionsprozesse so anpassen, dass sie auch mit weniger – aber dafür vielleicht höher qualifizierten – Beschäftigten funktionieren.
Vielleicht steht in der Werkstatt künftig ein kleiner Roboter – das muss keine riesige Maschine sein, es gibt auch kleine, bezahlbare Lösungen.
Wichtig ist: Nicht hoffen, dass alles wieder so wird wie früher, mit einem Überangebot an Fachkräften.
Sondern realistisch schauen:
Wen bekomme ich – und wie kann ich mit denen bestmöglich arbeiten?
Sybille:
Die Ergebnisse, über die wir gerade sprechen, stammen aus eurer Studie, die du Anfang Juli 2023 veröffentlicht hast.
Jetzt könnte man natürlich sagen: „Na gut, das ist ja schon wieder ein bisschen her.“
Aber du arbeitest ja gerade an der Fortschreibung.
Spoilern ist ja eigentlich nicht so dein Ding – aber gibt es vielleicht trotzdem etwas, das du uns verraten kannst?
Etwas, wo du sagst: „Da zeichnet sich schon jetzt ab, wohin die Zukunft für die Unternehmen geht“?
Alexander:
Natürlich arbeiten wir im Hintergrund an einer Aktualisierung – und ich sag mal: Die gute oder, je nach Perspektive, langweilige Nachricht ist, dass sich die bisherigen Trends im Wesentlichen bestätigt haben.
Das Ganze ist also relativ robust.
Aber im Detail sehen wir natürlich einige Veränderungen – und die möchte ich gern kurz spoilern.
Wir haben ja seit ein paar Jahren eine ganze Reihe von Krisen erlebt – das schlägt sich auch in der Wirtschaft nieder.
Grundsätzlich läuft der Arbeitsmarkt aber weiter sehr stabil.
Das Thema Fachkräftemangel ist inzwischen deutlich relevanter als die Konjunktur.
Trotzdem sehen wir, dass sich das Beschäftigungswachstum gegenüber der letzten Studie leicht abflacht.
Nicht, weil weniger Arbeitskräfte gebraucht werden – sondern, weil der Fachkräftemangel noch größer wird, als wir erwartet hatten.
Der Schluss, den ich daraus ziehe:
Der Wandel, welche Qualifikationen in den Unternehmen gebraucht werden und was die Menschen tatsächlich mitbringen, verläuft noch schneller als gedacht.
Das heißt: Wir müssen noch stärker in Weiterbildung investieren – und die Menschen fit machen für das, was wirklich gefragt ist.
Sybille:
Jetzt sagst du gerade, der Arbeitsmarkt sticht die Konjunktur.
Aber in den letzten Wochen häufen sich ja die Meldungen, dass viele Unternehmen – auch große Konzerne – Stellen abbauen oder sich umstrukturieren.
Wie passt das zusammen?
Alexander:
Diese Meldungen von Großunternehmen, die Stellen abbauen, sind natürlich sehr sichtbar – aber sie sind nicht repräsentativ für die gesamte deutsche Wirtschaft.
Wenn ein Großunternehmen ankündigt, ein paar Stellen zu streichen, bedeutet das in der Regel nicht, dass massenhaft Menschen entlassen werden.
Oft heißt es einfach nur: „Wir stellen vorerst niemanden mehr ein.“
Tatsächlich wird derzeit kaum gekündigt.
Zum einen, weil das rechtlich gar nicht so einfach ist – und zum anderen, weil jedes Unternehmen weiß:
Wenn ich heute jemanden gehen lasse, bekomme ich den nie wieder.
Denn der Arbeitsmarkt ist so leergefegt, dass die Menschen praktisch sofort woanders einen Job finden.
Viele Mittelständler sind sogar froh, wenn die Großen mal weniger einstellen – dann haben sie bessere Chancen, gute Fachkräfte zu gewinnen.
Also: Kein Grund zur Panik.
Wir haben in Deutschland nach wie vor einen massiven Fachkräftebedarf – das ist das eigentliche Thema.
Um das mal plastisch zu machen:
Wenn man sich Städte wie Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig oder Bremen vorstellt –
so viele Menschen, wie dort leben, fehlen uns an Fachkräften.
Das sind rund 600.000 Menschen, die sofort eine Stelle haben könnten – sie sind einfach nicht da.
Und wenn jetzt irgendwo ein paar Tausend Stellen nicht besetzt oder gestrichen werden, ändert das nichts am Gesamtbild.
Es gibt genug Unternehmen, die dringend Leute suchen.
Jens:
Das „KOFA“ in KOFA auf dem Sofa steht ja für Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.
Wir beschäftigen uns mit allem, was den Fachkräftemangel betrifft.
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Einfach anmelden unter kofa.de.
Sybille:
Zum Mitnehmen:
Alexander Burstedde ist einer der führenden Experten in Deutschland, wenn es um das Thema Fachkräftemangel geht.
Er kennt nicht nur die Probleme von heute, sondern auch die Herausforderungen von morgen.
Dass sich daran so schnell nichts ändern wird, haben wir gerade gehört.
Umso wichtiger ist es, jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.
Was Unternehmen tun können, fasst Alex jetzt noch einmal in drei kurzen Tipps zusammen.
Alexander:
Tipp Nummer 1:
Kurzfristig sollten Unternehmen ihre älteren Beschäftigten ansprechen – und sie fragen:
„Was muss ich tun, damit du länger bleibst?“
Wenn man da flexibel ist, kann man viele erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, noch ein paar Jahre dranzuhängen.
Tipp Nummer 2:
Beim Thema Zuwanderung müssen wir uns klarmachen:
Für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gibt es weltweit viele Möglichkeiten.
Damit sie sich für Deutschland entscheiden, müssen wir ihnen entgegenkommen – serviceorientierter denken, Unterstützung bieten.
Versuchen Sie mal, aus dem Ausland eine Wohnung in Berlin zu finden – das geht kaum.
Da müssen wir mit anpacken, Willkommenskultur leben – dann kommen auch mehr Menschen zu uns.
Tipp Nummer 3:
Wir haben in Deutschland viele Menschen, die noch eine Chance brauchen –
die bisher keine Ausbildung abgeschlossen haben, oft aus schwierigen Lebenssituationen heraus.
Diese Menschen brauchen jemanden, der sie an die Hand nimmt, ihnen den Einstieg erleichtert und die ersten Schritte begleitet.
Da können Unternehmen enorm viel bewirken – und wo sich das wirtschaftlich nicht direkt rechnet, kann oft die Arbeitsagentur unterstützen.
Sybille:
Zum Mitnehmen:
Ein großes Dankeschön an Alexander Burstedde vom Institut der deutschen Wirtschaft – schön, dass du heute bei uns warst.
Alexander:
Sehr gerne – hat Spaß gemacht!
Jens:
Die nächste Folge von KOFA auf dem Sofa gibt’s am 10. April.
Dann stellen wir eine echte Grundsatzfrage: Transformation – wie schaffen wir das?
Da geht’s um Haltung, Mindset und die Frage, wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden mitnehmen können,
wenn Veränderung unausweichlich ist – und notwendig.
Vielen Dank fürs Zuhören – wir freuen uns auf Sie am 10. April.
Bis dahin sagen wir Tschüss und machen Sie’s gut.
Sybille:
Tschüss!
Abspann:
Fachleute für Fachkräfte – KOFA auf dem Sofa, der Podcast.