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Transkript: Folge 105

KOFA auf dem Sofa: Wie schaffen wir echte Gleichberechtigung in Unternehmen? - mit Dr. Anika Jansen

Letizia: 
KOFA auf dem Sofa kompakt. Letizia fragt nach – wenn kurze Fragen auf kluge Köpfe treffen. 
Ich bin Letizia Celentano und heute sprechen wir darüber, wie wir Frauen im Arbeitsleben besser unterstützen können. Oft glauben wir ja, das Thema sei erledigt, doch die Realität zeigt etwas anderes. Und darüber spreche ich heute mit Anika Jansen aus dem KOFA-Team. Schön, dass du da bist, Anika. 

Anika: 
Ja, hallo. 

Letizia: 
Zum Einstieg erstmal: Warum beschäftigen wir uns heute überhaupt mit dem Thema? Viele sagen ja, wir seien längst gleichberechtigt. Stimmt das? Wie ist deine Einschätzung dazu? Wo stehen wir heute eigentlich wirklich? 

Anika: 
Ja, gute Frage. Also zunächst einmal muss man sagen: In den vergangenen Jahren hat sich tatsächlich für Frauen auf dem Arbeitsmarkt viel getan. Allein in den letzten zehn Jahren, also zwischen 2014 und 2024, kamen rund 2,5 Millionen mehr erwerbstätige Frauen hinzu, was einen Zuwachs von knapp 20 Prozent ausmacht. 
Aber trotz dieser positiven Entwicklung gibt es immer noch große Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung, also dem Anteil der arbeitenden Frauen oder Männer an der Bevölkerung. Die Erwerbsquote der Männer liegt nach wie vor rund sieben Prozent über der der Frauen. 
Und selbst wenn Frauen arbeiten, zeigt sich: Die gleichen Verhältnisse haben wir immer noch nicht erreicht. Frauen arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit – knapp die Hälfte aller Frauen arbeitet in Teilzeit, bei Männern sind es lediglich 13 Prozent. Frauen sind außerdem wesentlich seltener in Führungspositionen vertreten. 
Was aber besonders besorgniserregend ist: Viele Frauen sind unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt. Sie üben Tätigkeiten aus, für die sie eigentlich überqualifiziert sind. 

Letizia: 
Das waren jetzt erstmal ganz schön viele Zahlen, aber das Problem wird dadurch sehr deutlich. Was ich mich jetzt frage: Welche Maßnahmen helfen denn nachweislich, um Frauen zu stärken, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihre Chancen zu verbessern? Was sind da deine Erfahrungen? 

Anika: 
Also ich würde sagen, es gibt zwei große Hebel, an denen Unternehmen ansetzen können: das Thema Vereinbarkeit und das Thema Karriere. 
Starten wir mit der Vereinbarkeit. Tatsächlich ist es immer noch so, dass Frauen viel häufiger die sogenannte Care-Arbeit übernehmen, also die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen. Wenn ein Unternehmen gezielt Frauen gewinnen oder vor allem halten möchte, muss es Rahmenbedingungen anbieten, die ermöglichen, dass sich Arbeit mit weiteren Verpflichtungen vereinbaren lässt. 
Dazu gehört zum einen grundsätzlich die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, aber auch die Option, die Arbeitszeit auszuweiten. Denn es gibt viele Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen würden. Dazu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. 

Letizia: 
Da frage ich mich jetzt: Flexibilität, flexible Arbeitszeit – darüber wird immer so viel gesprochen. Was bedeutet das eigentlich wirklich? Man hört ja auch oft, dass es in der Realität trotzdem Kernarbeitszeiten gibt oder Arbeitgeber nicht so gerne möchten, dass man längere Mittagspausen macht. Was bedeutet Flexibilität und was ist für Frauen besonders wichtig? 

Anika: 
Flexibilität bedeutet natürlich nicht, dass Arbeit grenzenlos ausgeweitet wird. Es heißt vielmehr, dass Beschäftigte auf unvorhergesehene Situationen flexibel reagieren können – und das kommt häufiger vor, wenn man sich um Angehörige oder Kinder kümmert, wenn sie plötzlich betreut werden müssen, krank sind oder die Kita zu hat. 
Dann ist es super, wenn es möglich ist, Stunden vor- oder nachzuarbeiten. Aber klar, dafür braucht es Vertrauen und eine klare Kommunikation zwischen allen Beteiligten. 
Es ist außerdem wichtig, dass das ganze Team diesen Ansatz mitträgt. Man kann zum Beispiel schauen, dass verpflichtende Termine wie Jour fixe in den Kernarbeitszeiten liegen und nicht am frühen Abend, wo es für manche schwieriger ist. So wird niemand benachteiligt. 

Letizia: 
Total. Für mich ist auch wichtig, dass das ganze Team das mitträgt und Bescheid weiß, dass es Personen gibt, die zu bestimmten Zeiten weniger gut arbeiten können. Du wolltest aber auch noch etwas zum Thema Karriere sagen. 

Anika: 
Ja, ganz wichtig. Ich finde, es wird viel über Vereinbarkeit gesprochen – zu Recht, das ist unglaublich wichtig. Aber man darf Frauenförderung nicht darauf reduzieren. Der zweite wichtige Hebel ist, Frauen echte Karriere- und Entwicklungschancen zu eröffnen. 
Das bedeutet zum Beispiel, dass Führungspositionen und generell verantwortungsvolle Aufgaben auch in Teilzeit ermöglicht werden. Es ist aber auch wichtig, Frauen zu stärken und zu ermutigen. Denn obwohl Frauen oft die nötigen Qualifikationen mitbringen, trauen sie sich weniger zu als Männer. 
Da hilft eine gezielte Ansprache bei neuen Stellenbesetzungen, insbesondere bei Führungspositionen. Unternehmen können außerdem Weiterbildung in Soft Skills anbieten, wie Selbstmarketing oder Kommunikation. 
Was auch einen wichtigen Beitrag leistet, sind Mentoringprogramme mit weiblichen Fach- und Führungskräften, die schon länger dabei sind und jüngere Frauen unterstützen. Und Frauennetzwerke, in denen sich Frauen treffen, austauschen, informieren und gegenseitig stärken können. 
Ein weiterer wichtiger Punkt: Unternehmen sollten ihre eigenen Prozesse immer wieder kritisch prüfen. Studien zeigen, dass unbewusste Vorurteile – sogenannte unconscious bias – Personalentscheidungen beeinflussen. Männer gelten tendenziell eher als durchsetzungsstark oder führungsorientiert, Frauen eher als kommunikativ oder teamorientiert. 
Solche Zuschreibungen beeinflussen, wer eine Führungsposition bekommt. Da hilft es, Auswahl- und Beförderungsprozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Objektive Kompetenz- und Leistungsbewertungen helfen, subjektive Einschätzungen zu reduzieren. 
Sinnvoll sind auch Trainings oder Weiterbildungen zu Unconscious Bias, die sensibilisieren und solche Verzerrungen sichtbar machen und abbauen. 

Letizia: 
Ja, das ist total wichtig, einfach für die Chancengleichheit am Ende des Tages. Du hast ja eben gesagt, dass man auch schauen muss, Frauen gezielt anzusprechen. Worauf können Unternehmen denn konkret achten, wenn sie Frauen ansprechen möchten, zum Beispiel in Berufen, in denen es nicht so viele Frauen gibt – etwa in technischen Berufen? 

Anika: 
Also grundsätzlich gilt im Recruiting ganz generell erstmal, ein toller Arbeitgeber zu sein und das im zweiten Schritt nach außen zu kommunizieren. Und so ist es bei der Ansprache von Frauen dann eigentlich auch. 
Wenn ein Unternehmen mehr Frauen gewinnen möchte, sollte es zuerst daran arbeiten, wirklich attraktiv für Frauen zu sein. Da spielen natürlich die Aspekte eine zentrale Rolle, über die wir eben gesprochen haben – wie Vereinbarkeit, Karriereförderung und Entwicklungschancen. 
Im zweiten Schritt geht es dann darum, das nach außen sichtbar zu machen, damit potenzielle Bewerberinnen diese positiven Aspekte auch wahrnehmen können. Das kann über die Karriereseite passieren, über Stellenanzeigen, aber auch über soziale Medien. 
Am Ende sollten Bewerberinnen einfach das Gefühl haben: Das ist ein Unternehmen, zu dem ich passe, bei dem meine Bedürfnisse ernst genommen werden und in dem ich wachsen kann. 

Bei Stellenanzeigen gibt es ganz konkret ein paar Punkte, auf die man achten sollte – vor allem im Anforderungsteil. Frauen neigen dazu, jede einzelne Anforderung als zwingend notwendig zu interpretieren und bewerben sich dann eher nicht, wenn sie nicht alles erfüllen. Männer würden sich hingegen trotzdem bewerben. 
Da hilft es als Tipp, in Stellenanzeigen klar zu unterscheiden: Welche Anforderungen sind wirklich zwingend? Und welche sind optional oder nice to have? Diese Unterscheidung schriftlich sichtbar zu machen, führt oft schon zu mehr Bewerbungen von Frauen. 

Auch die Sprache macht einen großen Unterschied. Wer mehr Frauen ansprechen möchte, sollte auf männlich konnotierte Begriffe verzichten, wie Durchsetzungsstärke oder Kämpfernatur, und stattdessen eher weibliche oder neutrale Begriffe verwenden – zum Beispiel Wortgewandtheit oder Selbstbewusstsein. 
Das ist wichtig, weil sich gezeigt hat, dass bestimmte männliche Begriffe Frauen abschrecken. Wenn man neutraler oder weiblicher formuliert, schreckt das Männer jedoch nicht ab. Dadurch erhöht man einfach seine potenzielle Zielgruppe, was für Unternehmen absolut sinnvoll ist. 

Letizia: 
Ja, total. Und ich habe gerade nachgedacht: Mir fallen wirklich nicht viele Stellenanzeigen ein, in denen Kriterien klar getrennt sind in „nice to have“ und „zwingend notwendig“. Die meisten Stellenanzeigen sehen ja heutzutage doch sehr ähnlich aus. 
Was ich mich jetzt aber gefragt habe: Wenn ein Unternehmen gezielt Frauen fördert und einstellt und all das macht, was du eben beschrieben hast – was hat das Unternehmen denn konkret davon? Kann das auch positive Auswirkungen haben? Was ist da deine Erfahrung? 

Anika: 
Sagen wir mal so: Der erste Grund ist natürlich, dass Frauen volkswirtschaftlich ein enormes Fachkräftepotenzial darstellen, weil sie immer noch seltener und vor allem weniger Stunden arbeiten. Unternehmen, die gezielt Frauen ansprechen, erhöhen ganz konkret ihre Chancen, offene Stellen erfolgreich zu besetzen, weil sie ihre Zielgruppe erweitern. Das ist ein klarer Vorteil im Fachkräftemangel. 
Aber auch Unternehmen, die gar nicht so große Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung haben, profitieren von einem höheren Frauenanteil. Es zeigt sich zum Beispiel, dass gemischte Teams – weil sie unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen – positiv auf Produktivität und Innovationskraft wirken. 
Es gibt außerdem Studien, die zeigen, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in Führungspositionen bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. 
Und last but not least: Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil werden tendenziell als attraktivere Arbeitgeber wahrgenommen. Dadurch steigt die Arbeitgeberattraktivität, was wiederum die zukünftige Personalgewinnung erleichtert. 

Letizia: 
Ja, also es ist am Ende nicht nur eine Frage der Gleichberechtigung, sondern auch entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Total wichtige Erkenntnisse, die du heute mit uns geteilt hast. Anika, danke für das Gespräch. 

Anika: 
Sehr gerne, danke für die Einladung. 

Letizia: 
Und das war es auch für heute bei KOFA auf dem Sofa. In der nächsten Folge ist dann wieder Sybille für euch da – mit einem spannenden Gast. Bis bald. 
KOFA auf dem Sofa – und vergesst nicht: Mehr Informationen findet ihr auch auf kofa.de. 

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