
Transkript: Folge 104
KOFA auf dem Sofa: Nähe statt Klischees: Wie wir die Gen Z wirklich erreichen mit Ronja Ebeling
Sibylle:
KOFA auf dem Sofa – dein Podcast für bessere Personalarbeit im Mittelstand, präsentiert vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge KOFA auf dem Sofa, mit der ich mich direkt erstmal outen möchte: als ein Kind der 80er Jahre. Ich bin mit dem Walkman groß geworden, mit Super Mario auf dem Gameboy und tatsächlich noch mit dem Festnetztelefon. In meiner Jugend habe ich dann die Verbreitung des Internets ganz stark kennengelernt und später auch die ersten Mobiltelefone.
Und was mich wirklich total geprägt hat, war die Wiedervereinigung. Da habe ich auch das Ende des Kalten Krieges erlebt und so ein Gefühl von: Hey, der Westen hat sich durchgesetzt, Demokratie ist stabil. Als ich dann Abi gemacht habe, bin ich zum ersten Mal in Kontakt gekommen mit den Gedanken, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber über mich und meine Generation hatten.
Und vielleicht nehme ich das vorweg: Da hieß es dann, wir wären viel zu stark an Selbstverwirklichung orientiert. Wir wären nicht so leistungsbereit, sondern eher freizeitorientiert und würden unseren eigenen Vorteil in den Vordergrund rücken.
Vielleicht kommt Ihnen und euch Zuhörerinnen da etwas bekannt vor, denn ich denke, die Urteile, die wir heute haben, wenn wir auf die Generation Z im Arbeitsmarkt schauen, sind manchmal gar nicht so weit davon entfernt.
Denen will ich jetzt aber nicht mit Science-Fiction, sondern vielmehr auf der Spur kommen – und dafür freue ich mich total über meinen Gast. Denn heute ist die liebe Ronja Eimer bei mir. Ronja, herzlich willkommen hier auf dem Kuschelsofa.
Ronja:
Ja hallo, ich freue mich, dass ich dabei sein darf.
Sibylle:
Ronja, du bist Autorin, Unternehmensberaterin und du hast dich der Generation Z verschrieben. Was fasziniert dich so an dem Thema? Und vielleicht kannst du uns auch direkt ein paar Einblicke geben, was so typische Eigenschaften sind, die der Generation Z zugeschrieben werden.
Ronja:
Also erstmal: Was hat mich dazu bewegt, mich mit der Generation Z – mit meiner Generation – zu beschäftigen? Ich glaube, es ist eine eigene Betroffenheit, um es so zusammenzufassen. Die Generation Z meint ja die Jahrgänge von ungefähr 1995 bis 2010. Ich finde es aber gar nicht so wichtig, sich da fest an Geburtsjahre zu klammern. Ich glaube, es ist viel wichtiger, von gewissen Lebensphasen zu sprechen, in denen wir uns aktuell befinden, und festzuhalten, dass wir von bestimmten gesellschaftlichen Ereignissen geprägt sind.
Du hast jetzt gerade schon im Intro gesagt, was dich geprägt hat, was deine Generation geprägt hat. Ihr habt in dem Zeitraum alle dasselbe erlebt – und das prägt natürlich ein Gefühl von Freiheit und ein bestimmtes Selbstverständnis, mit dem wir durchs Leben gehen. Und da gibt es durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Generationen. Gleichzeitig passen sich die Generationen immer wieder an, denn es gibt so etwas Wunderbares wie den Zeitgeist. Und der sorgt dafür, dass wir uns alle irgendwie kalibrieren und dadurch ein bisschen mehr aneinander rücken.
Zu deiner Frage: Was sind die Vorurteile?
Im Prinzip sind es die Vorurteile, die dir auch entgegengebracht wurden. Also: Wir seien besonders faul, wir wollten keine Leistung mehr erbringen, wir wollten alle nur noch an die Uni und Schreibtischjobs haben, keine Ausbildungsberufe mehr machen, nicht mehr anpacken. Das ist, glaube ich, auch etwas, was häufig gesagt wird. Und wir würden auf dem erarbeiteten Wohlstand der älteren Generation leben – das ist ebenfalls etwas, was uns häufig entgegengeworfen wird.
Vieles davon lässt sich, wenn man in die Zahlen schaut, aber gar nicht wirklich belegen. Gerade dieses Vorurteil, die junge Generation sei faul: Wenn man schaut, wie viele junge Menschen zwischen 14 und 29 erwerbstätig sind – das sind so viele wie seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr. Trotzdem lieben wir Menschen Bilder im Kopf. Irgendwie macht uns das den Alltag leichter.
Jetzt arbeitest du ja mit Führungskräften – also mit Vertreterinnen und Vertretern der Generation Y oder X, jedenfalls mit Menschen, die in den 1990er Jahren sozialisiert wurden – und mit jungen Menschen. Wo hast du den Eindruck, funktioniert die Verständigung noch nicht so gut? Und wo klappt der Dialog vielleicht auch schon?
Ronja:
Also das Positive ist erstmal, dass wir alle die gleichen Werte haben. Wenn man zum Beispiel die Jugend-in-Deutschland-Studie anschaut, die diese unterschiedlichen Generationen vergleicht, dann stellen wir fest, dass uns im Großen und Ganzen dieselben Dinge wichtig sind.
Das heißt: Familie ist uns wichtig, Freundschaften sind uns wichtig, Gesundheit ist uns wichtig. Wir teilen auch zum Teil dieselben Sorgen, auch wenn wir sie vielleicht in einer anderen Reihenfolge festlegen.
Man kann aber grob sagen, dass wir uns alle vor Krieg fürchten – generell, aber besonders vor Krieg in Europa. Dass uns die Inflation Sorgen bereitet, dass uns Wohlstandsverlust Sorgen bereitet, dass uns Wohnungsnot Sorgen bereitet. Das heißt, da unterscheiden wir uns gar nicht so stark. Die Frage ist nur: Inwiefern leben wir diese Dinge unterschiedlich aus?
Und das hängt damit zusammen, dass sich die Rollenbilder in unserer Gesellschaft verändert haben. Wenn wir zum Beispiel den Wert Familie nehmen, dann ist das etwas, das allen Generationen wichtig ist. Aber das traditionelle Familienbild, mit dem ältere Generationen groß geworden sind, meint zum Beispiel, dass der Mann der Hauptverdiener ist – der Ernährer, der das Geld nach Hause bringt – und die Mutter ist die Fürsorgliche, die zu Hause für Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig ist.
Mittlerweile brechen wir diese Rollenbilder viel stärker auf. Ein junger Mann, der heute Vater wird, möchte nicht nur der Ernährer sein, sondern im Idealfall natürlich auch ein aktiver Vater. Die Partnerin fordert das – wenn wir von einer heteronormativen Beziehung ausgehen – auch stärker ein, weil wir ein anderes Rollenverständnis haben.
Und das ist etwas, das nicht nur unser Privatleben prägt, sondern am Ende des Tages natürlich auch unser Arbeitsleben. Früher, wenn eine Kollegin ihre Schwangerschaft verkündet hat, war klar: Okay, die ist jetzt erstmal eine ganze Weile raus. Heute muss das im Zweifel gar nicht mehr so sein. Wir wissen zwar, dass Männer nach wie vor relativ wenig Elternzeit in Anspruch nehmen – im Durchschnitt etwa zwei Monate –, aber das Ziel ist es natürlich, den Vätern auch die Frage zu stellen: Wie stellst du dir deine künftige Vaterrolle vor? Womit müssen wir hier im Unternehmen rechnen? Was brauchst du? Was brauchen wir? Wie können wir da zusammenkommen?
Das heißt, auch lebensverändernde Momente – wie zum Beispiel die Geburt eines Kindes – finden heute in einer ganz anderen Dimension statt. Und ich glaube, dieses Beispiel Familie macht ganz gut deutlich, dass es da Verschiebungen gibt, die aber auch durch bestimmte Gesetze ermöglicht wurden. Zum Beispiel, dass Väter Elternzeit nehmen können und Elterngeld in Anspruch nehmen. Das gibt es erst seit 2007. Ganz viele Generationen vorher hatten diese Möglichkeit gar nicht.
Sibylle:
Ich finde das Beispiel Familie auch deshalb so schön, weil die Vielfalt der Familienentwürfe total zugenommen hat in den letzten Jahren. Allein wenn ich mir anschaue, wie individuell solche Entscheidungen heute sind, dann liegt es ja nahe, dass es zu einfach ist zu sagen: Ach, die junge Generation, die Generation Z, die wollen alle entweder wieder „Tradwives“ werden – also zurück an den Herd –, oder alle Frauen wollen Karriere machen, oder die Väter wollen alle Elternzeit nehmen.
Das ist ja nicht so. Es ist viel heterogener. Diese Abkürzungen, ja … mhm.
Ronja:
Ja, das ist gut, dass du das Beispiel jetzt einmal eingebracht hast. Denn dann haben wir natürlich auch das komplette Gegenteil und die Sehnsucht danach, dass vieles vielleicht auch wieder einfacher wird. Man muss natürlich festhalten: Das Aufbrechen der klassischen Rollenkonstellationen bringt auch Herausforderungen in den jeweiligen Familien und Paarbeziehungen mit sich. Das ist ja nicht unbedingt einfach.
Und die Schwierigkeit liegt in erster Linie daran, dass unser System noch nicht so ausgelegt ist, dass wir diese Familienvielfalt, wie du sie beschrieben hast, tatsächlich so leben können. Das heißt: Ja, es gibt auf jeden Fall auch in der jungen Generation eine Sehnsucht, sich wieder eher traditionellen Rollenbildern zuzuwenden, weil es auf den ersten Blick häufig einfacher scheint.
Sibylle:
Mich erschreckt sowas ja immer. Ich habe auch eine Tochter und denke dann: Oh Gott, Kind, bitte nimm dir ein Beispiel an deiner Mama. Nein, wir gucken, wohin die Reise geht.
Wir halten fest: Die Gruppe hat gemeinsame Erlebnisse, Erfahrungen, die sie geprägt haben. Die Generation hat dadurch einige Eigenschaften, die vergleichbar sind – aber sie ist auch sehr heterogen.
Jetzt kümmerst du dich ja auch darum, Unternehmen, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu beraten: wie sie die junge Zielgruppe erreichen können, auf welchen Kanälen, vielleicht auch mit welchen Botschaften sie junge Menschen für sich gewinnen. Kannst du uns mal so drei, vier Sachen nennen, von denen du sagen würdest: Ja, das ist schon ein bisschen Zeitgeist oder einfach in der Generation sehr verbreitet – damit kann man sie kriegen?
Ronja:
Also, Vorbilder sind essentiell. Und für uns müssen die Vorbilder im ersten Moment, um uns mit ihnen zu identifizieren, gar nicht persönlich bekannt sein. Wir können sie auch erstmal „nur“ online sehen, um ein Identifikationspotenzial aufzubauen. Das sehen wir ja auch, wenn wir uns mit Online-Creator*innen identifizieren und sagen: Boah, die sind so cool, ich begleite total gerne deren Reise oder tauche ab und zu in deren Leben ab.
Und das können Unternehmen eben auch kreieren, indem sie gerade auf den sozialen Netzwerken Vorbilder sichtbar machen.
Weißt du, es ist so irritierend: Dieses Thema KI wird ja aktuell sehr gehypt. Und Unternehmen finden es total toll, für ihre Social-Media-Kanäle oder Stellenanzeigen KI-generierte Bilder von Menschen zu nutzen. Und ich frage mich: Hä, wieso denn? Das ist doch nicht cool. Klar, vielleicht spart ihr ein bisschen Geld und zeitliche Kapazitäten, aber damit kann sich im Zweifel niemand oder nur sehr wenige identifizieren.
Ich sage immer: Zeigt eure echten Mitarbeitenden und macht vor allem deren Projekte deutlich – die wirklich beweisen, was man als junger Mensch schon im Unternehmen erreichen kann.
Ich war zum Beispiel vor einer Weile bei Hansgrohe, ein Familienunternehmen – ursprünglich sehr traditionell im Schwarzwald, kennt ja eigentlich jeder. Aber die sind total innovativ in ihrem Ausbildungsweg und machen auch Vorbilder sichtbar.
Da gibt es zum Beispiel eine duale Studentin, die die Idee einer Hundedusche hatte. Und diese Hundedusche hat sie schon während ihres dualen Studiums entwickelt und in die Läden gebracht. In wie vielen Unternehmen hat man als duale Studentin ganz am Anfang die Möglichkeit, eine Idee in ein Produkt zu übersetzen und das später wirklich verkaufen zu können?
Wenn man diese Geschichte erzählt, wird deutlich, welche Spannweite an Möglichkeiten es in diesem Unternehmen – in dem Fall bei Hansgrohe – gibt. Also, dass man dort wirklich gehört wird, dass man dem Vorstand Ideen pitchen kann. Das ist großartig. Und ich glaube, sowas braucht es, um Berufsbilder greifbarer zu machen und Vorbilder sichtbarer zu machen – und dadurch insgesamt zu begeistern.
Sibylle:
Sich selbst verwirklichen können – das sind so zwei zentrale Werte. Was ist mit dem Thema Sicherheit? Wie würdest du das einordnen?
Ronja:
Ja, also Sicherheit ist gerade in den Krisenzeiten, wie wir sie aktuell erleben, ein sehr wichtiges Thema. Individuell betrachtet kann man natürlich sagen: Je unsicherer mein familiärer Background ist oder das, was ich vom Elternhaus mitbekommen habe, desto größer ist mein Sicherheitsbedürfnis.
Das heißt: Wenn ich weiß, ich falle relativ weich, meine Eltern können mich im Worst Case unterstützen, dann treffe ich Entscheidungen vielleicht leichter und mehr aus dem Bauch heraus. Ich denke manchmal nicht so groß darüber nach, weil ich weiß: So viel kann am Ende des Tages nicht passieren.
Wenn ich aber weiß: Meine Eltern können mich nicht auffangen. Und wenn ich zum Beispiel meine Ausbildung abbreche, muss ich mir ernsthaft Gedanken machen, wie ich mein WG-Zimmer finanzieren soll oder was mein Plan B ist – dann treffe ich Entscheidungen natürlich nicht so leichtfertig, sondern mache mir mehr Gedanken.
Deswegen würde ich sagen: Das Thema Sicherheit ist insgesamt unglaublich wichtig, hängt aber stark davon ab, wie mein familiärer Hintergrund aussieht.
Sibylle:
Wenn du dir jetzt mal vorstellst: Ich würde ein kleines Sanitär- und Heizungsunternehmen führen. Ich habe 20 Mitarbeitende, ich habe noch zwei Ausbildungsplätze, die ich total gerne besetzen möchte, ich habe aber niemanden, der Social Media macht, und ich bin selbst eher facebooksozialisiert – da kriege ich keine Nachwuchskräfte drüber.
Was würdest du mir empfehlen? Welche drei ersten Schritte sollte ich tun, um auf mich aufmerksam zu machen?
Ronja:
Also, ich würde tatsächlich Kapazitäten für Social Media schaffen. Viele kleine Unternehmen denken: Boah, ey, da geht so viel Zeit flöten, und der Azubi aus dem zweiten Lehrjahr könnte doch eigentlich etwas anderes machen, statt das Handy mit auf die Baustelle zu nehmen oder mit Kunden zu filmen. Aber da drin steckt so viel Potenzial.
Gerade wenn wir vom SHK-Betrieb sprechen. Der SHK-Bereich ist leider immer noch mit vielen Vorurteilen verknüpft. Der Anteil wurde in den letzten Generationen immer auf „Gas, Wasser, Scheiße“ reduziert. Und das stimmt heute de facto nicht mehr: Der SHK-Bereich setzt die Energiewende um, die bauen Wärmepumpen ein – die machen so verdammt viel. Und da gehört so verdammt viel dazu.
Und das muss erstmal transportiert werden – in Form einer Botschaft, in Form von Social-Media-Beiträgen, um diese Vorurteile abzubauen.
Ich war mit der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe unterwegs: Drei Zukunftsberufe wurden vorgestellt – Dachdecker, Elektroniker und SHK. Wir waren in verschiedenen Betrieben unterwegs und haben anhand junger Azubis diese Vorurteile aufgebrochen und dazu ganz viel Social-Media-Content kreiert, um junge Menschen zu erreichen.
Wenn man diese Vorurteile bricht und gleichzeitig Vorbilder vorstellt, dann hat man zwei Ausbildungsstellen relativ schnell besetzt oder zumindest erstmal Interessenten. Darauf kann man dann aufbauen.
Aber einfach darauf zu setzen, nichts mit Social Media zu tun haben zu wollen und zu hoffen, dass die jungen Leute schon kommen – damit tut man sich keinen Gefallen. Da wartet man sehr lange.
Sibylle:
Okay, und gibt es so Argumente, die junge Menschen besonders überzeugen? Ist es eher ein gutes Gehalt? Oder die Nähe zum Wohnort? Oder andere Benefits, die besonders gut ankommen?
Ronja:
Also da würde ich tatsächlich sagen, muss man ganz genau auf die Motivation der jeweiligen Menschen schauen. Manche reizt natürlich ein hohes Gehalt, manche auch die Aussicht auf den Firmenwagen und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten. Aber wenn wir zum Beispiel bei diesem klassischen Handwerksberuf im SHK-Bereich bleiben, dann ist tatsächlich die Nähe zum Wohnort, zum Elternhaus ein sehr wichtiger Punkt. Denn die wenigsten können sich während der Ausbildung tatsächlich eine eigene Wohnung leisten – je nachdem, wo es eben ist.
Oder man sagt: Ich biete als Ausbildungsbetrieb vielleicht auch eine Azubi-WG an. Auch das machen einige Betriebe, um dieses große Thema Wohnraumnot irgendwie zu lösen oder für die Azubis zumindest etwas abzufedern.
Mobilität ist auch ein wichtiges Thema, gerade im ländlichen Raum. Wenn wir uns den 15- oder 16-Jährigen anschauen, der noch kein Auto fahren kann, dann muss man diese Dimension mitdenken: Wie kommt denn der 15- oder 16-Jährige tatsächlich zum Betrieb oder zur Berufsschule? Sollten wir vielleicht Shuttles anbieten? Fahrgemeinschaften für den Weg zur Berufsschule? Oder vielleicht E-Roller?
Auch da kenne ich zum Beispiel eine Gärtnerei, die für 16-Jährige E-Scooter anbietet, damit sie von A nach B kommen und gerade im ländlichen Raum mobiler sind. Da ein bisschen kreativ zu werden, lohnt sich total.
Sibylle:
Jetzt habe ich es also geschafft, mit deinen Tipps zwei Auszubildende zu gewinnen. Die sind jetzt bei mir – und jetzt möchte ich natürlich, dass sie gerne lange bei mir bleiben und sie halten. Es gibt den Ansatz des Reverse Mentorings. Kannst du erklären, was hinter dem Konzept steckt und warum das eine gute Idee ist?
Ronja:
Ja genau, Reverse Mentoring ist tatsächlich eine tolle Idee. Dabei geht es darum, dass Mentoring nicht nur in eine Richtung stattfindet, sondern in beide Richtungen. Das heißt: Im Idealfall findet eine junge Person eine ältere, erfahrene Person im Betrieb – und die beiden tauschen sich aus.
Im Zweifel auch zu ganz spezifischen Themen, die vorgegeben sein können. Wenn ein bisschen mehr Übung besteht, können das auch frei ausgewählte Themen sein. Dann hilft zum Beispiel die junge Person der älteren Fachkraft beim Thema Digitalisierung, oder die ältere Fachkraft hilft der jüngeren bei anderen Themen.
Dadurch entsteht ein Austausch, von dem beide Seiten profitieren – und bei dem sich beide gesehen und gehört fühlen. Beide Seiten erfahren ein Gefühl von Wertschätzung.
Sibylle:
Und vielleicht stellen beide sogar fest, was wir ganz am Anfang hatten: Wir haben ähnliche Werte und leben die gar nicht so weit voneinander entfernt. Ich glaube, dass wirklich miteinander reden oft genau der Weg ist, um Leute zu entwickeln und Vorurteile abzubauen.
Vielleicht zum Schluss noch ein Thema: mentale Gesundheit. Die betrifft uns alle in diesen Zeiten. Wir haben die Corona-Pandemie gemeinsam überstanden, wir gucken jetzt mit Sorge nach Osten und wissen nicht genau, was uns erwartet. Viele junge Menschen haben heute enormen Leistungsdruck, machen sich Stress.
Hast du einen Tipp, wie man eine gute Balance findet – und wie man das auch als Führungskraft unterstützen kann? Gerade für junge Menschen, die neu in den Arbeitsmarkt kommen?
Ronja:
Ja, ich würde da tatsächlich total gerne die jungen Männer in den Blick nehmen. Denn wir wissen, dass gerade das Thema mentale Gesundheit bei Männern nach wie vor ein Tabu ist.
Wenn wir von einem klassischen Handwerksbetrieb ausgehen – wir hatten ja gerade das Bild vom SHK-Betrieb –, dann ist es leider nach wie vor so, dass es sowohl für ältere Kolleginnen und Kollegen ein Problem ist, über dieses Thema zu sprechen, wenn sie sich überfordert fühlen, wenn es ihnen nicht gut geht, oder wenn es vielleicht noch düsterer wird in Form von Depressionen oder Ähnlichem.
Da ist es total wichtig, dieses Thema für alle im Betrieb zu öffnen und als Führungskraft voranzugehen. Auch mal gewisse weichere Seiten von sich preiszugeben und Zeichen der Überforderung zu teilen – und natürlich trotzdem zu führen. Aber man darf ruhig sagen, dass man an der einen oder anderen Stelle überfordert ist.
Dann können die Älteren, vielleicht auch der Ausbilder oder der Meister, das den Jüngeren vorleben. So entsteht das Signal: Es ist gut, über Sorgen und Ängste zu sprechen – gerade als Mann. Man sollte nicht alles runterschlucken.
Ich habe vorhin das Bild aufgemacht, dass Männer sich häufig noch als die Ernährer sehen. Und wir wissen aus Studien: In Zeiten der Inflation, in Zeiten, in denen alles teurer wird und der wirtschaftliche Druck in Familien steigt, macht das gerade Männern besonders zu schaffen. Sie fühlen sich dann in ihrer Rolle als Ernährer plötzlich instabil.
Deswegen müssen wir das gerade jetzt besonders im Blick behalten und junge Männer in Form von Vorbildern sichtbar machen. Es ist total wichtig, einfach darüber zu sprechen. Und da kann man als Führungskraft in bestimmten Runden den Dialog anregen und auch eigene Sorgen teilen.
Sibylle:
Wissen zum Mitnehmen: Heute zu Gast auf dem KOFA-Sofa ist Ronja Ebeling – und hier kommen ihre drei Tipps, wie Sie die Generation Z besser verstehen und für sich gewinnen können.
Ronja:
Tipp Nummer 1: Gestaltet eure Stellenanzeigen luftiger und ladet vielleicht auch mal diejenigen jungen Menschen zum Gespräch ein, die nicht das allerbeste Schulabschlusszeugnis mitbringen – oder vielleicht auch gar kein Schulabschlusszeugnis.
Tipp Nummer 2: Setzt euch auch mit den Jugendwerkstätten eurer Region auseinander. Denn dort schlummert vielleicht das ein oder andere Talent, das schon Erfahrungen in der Holzwerkstatt oder in der Textilwerkstatt in der Jugendwerkstatt gesammelt hat – und diese Erfahrungen dann perfekt bei euch in Form einer Ausbildung weiter ausbauen kann.
Und Tipp Nummer 3: Nehmt doch einfach mal zum nächsten Bewerbungsgespräch euren aktuellen Azubi mit. Dann findet das Gespräch nicht nur klassisch zwischen Bewerberin oder Bewerber und zukünftiger Chefin oder Chef statt, sondern es ist auch noch jemand dabei, der ganz authentisch von einer Ausbildung berichten kann.
Sibylle:
KOFA to go – Wissen zum Mitnehmen.
Liebe Ronja, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für dieses Gespräch. Ich habe total viel mitgenommen über die Generation Z. Manches war mir schon bewusst, aber es noch einmal aus deinem Mund zu hören, hat in meinem Kopf doch einiges angeregt, was ich vielleicht im Bewerbungsgespräch künftig anders machen kann.
Wenn ihr da draußen noch nicht genug habt von Ronjas Tipps und ihren Erfahrungen, dann folgt ihr doch auf LinkedIn und lest ihre Kolumnen. Die sind auf jeden Fall immer die Zeit wert.
Ronja, ganz lieben Dank – und ich hoffe, wir begegnen uns bald mal wieder irgendwo da draußen in der echten Welt.
Ronja:
Ich würde mich freuen. Danke, dass ich heute dabei sein durfte.
Sibylle:
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