
Agile Führung bei Arineo
3 Tipps: Führen in Teilzeit – Vertrauen gehört dazu
- Neues wagen und realistisch bleiben: Wer Führen in Teilzeit noch nie ausprobiert hat, sollte zuerst analysieren: Welche Aufgaben mit welchem Aufwand fallen überhaupt an? Wie lassen sich die Arbeitspakete verteilen? Und welche Teilzeitoptionen sind dementsprechend sinnvoll?
- Vertrauen geben und Vertrauen erfüllen: Sich auf die Kompetenz und Gewissenhaftigkeit der Führungskraft zu verlassen, ist die Basis. Diesem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden, zählt ebenfalls dazu.
- Flexibel sein: Anforderungen, Aufgaben, Aufwände und auch persönliche Voraussetzungen ändern sich. Zeigt sich, dass bestimmte Führungsstärken weiterentwickelt werden müssen, mehr oder weniger Kapazität gebraucht wird, gilt: nachjustieren. Und zwar immer dann, wenn es erforderlich ist.
Warum Vollzeit führen, wenn es auch in Teilzeit geht?
Schreibt der Göttinger IT-Dienstleister Arineo Stellen aus, dann ist fast immer Teilzeit möglich. Bei dem Unternehmen mit rund 400 Beschäftigten gilt dies ebenso für die Führungsaufgaben wie für alle anderen Jobs. „Teilzeit und Führen haben sich bei uns noch nie ausgeschlossen“, erklärt Personalleiterin Sarah Peters.
Der Talente-Pool wird größer
Im Gegenteil: Teilzeit-Führung erlaubt es, auch solche Talente zu nutzen, die sich auf eine Vollzeitstelle nicht bewerben würden – weil Familienpflichten sie davon abhalten.
So wünschten sich mehrere weibliche und männliche Arineo-Mitarbeitende mit Führungsverantwortung ausdrücklich Arbeitszeiten, die zum Beispiel mit den Kita-Schließzeiten zusammenpassen. „Weil wir gesagt haben, du bist frei in deiner Arbeitszeitgestaltung, ging das“, berichtet Sarah Peters. Klar definierte Aufgaben sind dann nach Absprache vorher oder nachher dran – aber eben nicht, wenn das Kind abgeholt und versorgt wird.
Arineos Startvorteil: flache Hierarchien und viel Beweglichkeit
Das schnell wachsende Unternehmen gibt es erst seit 2018. Es macht andere Unternehmen wettbewerbsfähiger, unter anderem durch Digitalisierungsstrategien, Zukunftstechnologien und Organisationsentwicklung. Ein modernes Organisations- und Führungsverständnis vorzuleben, gehörte bei Arineo von Anfang an dazu.
Das Unternehmen prägte den Begriff der „Kollegialen Organisation“. Er beschreibt, wie Teams, Teammitglieder und Führung bei Arineo zusammenarbeiten. Dieses Modell bedeutet beispielsweise:
- Bestimmte Führungsaufgaben sollen diejenigen übernehmen, die es am besten können. Dafür hat Arineo die Aufgaben geclustert: in Koordinatorinnen oder Koordinatoren für Teamentwicklung, Auslastungsplanung und Teamorganisation. Ein weiterer Führungsbereich bezieht sich auf die Fragen rund um Arbeitsverträge. Führungskräfte, die sich darum kümmern, heißen Vertragspartnerinnen oder Vertragspartner.
- Die typische Bündelung solcher Führungsaufgaben in einer Teamleitungs-, Bereichs- oder Abteilungsebene entfällt damit.
- Was die Geschäftsleitung betrifft, so tragen deren Mitglieder gemeinsam die Verantwortung für alle Arineo-Belange. Sie stimmen ihre Aufgaben miteinander ab und verteilen sie passend. Dabei arbeiten sie weiterhin im operativen Geschäft mit.
- Die To-dos bestimmter Führungsaspekte lassen sich in Arbeitspakete aufteilen. Arbeitspakete, dies ist ein Begriff aus dem Projektmanagement. Er bezeichnet eine bestimmte Aufgabe, die zuständige Person und die Arbeitsdauer, meist zwischen einem und zehn Werktagen.
- Definierte Arbeitspakete wiederum ermöglichen es, entsprechend begabte Mitarbeitende mit Führungsaufgaben zu betrauen, die gar keine Führungskräfte sind, sondern für die Kundenberatung oder Entwicklung eingestellt wurden. Mit einer klar umrissenen Stundenzahl nehmen sie aber Führungsaufgaben wahr.
100 Mitarbeitende einschließlich der Geschäftsführung haben neben ihrer eigentlichen Rolle noch Führungsaufgaben. Diese Verantwortungen werden im Rahmen der Entgeltrunde berücksichtigt.
Von den Mitarbeitenden mit Führungsverantwortung sind 24 in Teilzeit tätig. Davon arbeiten 16 zwischen 24 und 32 Stunden pro Woche, die anderen zwischen 33 und 38 Wochenstunden.

Führen in Teilzeit: Modelle, Chancen, Umsetzungsschritte
Noch ist Führen in Teilzeit in KMU wenig verbreitet – trotz des großen Potenzials für die Fachkräftegewinnung und -bindung.
Ressourcenplanung und variables Führen
Wie hoch der Anteil der Führungsaufgaben am Gesamtstundenbudget einer Person ist, das hängt unter anderem von der Größe ihres Teams ab. Um die Arbeitszeiten zu steuern, dafür gibt es eine monatliche und wöchentliche Ressourcenplanung. Dabei handelt es sich um eine eigene, toolgestützte Führungsaufgabe. Daran wirkt auch die Projektplanung mit. Auf diese Weise stehen vorhersehbare und Ad-hoc-Aufwände, operative und Führungsaufgaben im Einklang.
Ein zusätzlicher Clou ist, dass man in den meisten Fällen die Führungsrolle wieder abgeben kann, um sich den ursprünglichen oder anderen Aufgaben zu widmen. „Das ist mit keinerlei Gesichtsverlust verbunden“, erläutert Sarah Peters. „Führen ist eine Chance, sich bei entsprechenden Voraussetzungen auszuprobieren. Je nachdem, wo die Fähigkeiten liegen, werden sie ausgebaut, woanders eingesetzt, oder man geht zu hundert Prozent in seine operative Rolle zurück.“

Zuerst muss man offen für Neues sein. Und dann auch flexibel genug, um zu verbessern, was vielleicht nicht so gut geklappt hat.
Sarah PetersPersonalleiterin bei ArineoUnd was ist, wenn ein Unternehmen nicht so agil ist?
Ein agiles Selbstverständnis, eine partizipative Kultur und das Denken in Projektmanagementbegriffen – solche Voraussetzungen bringt nicht jedes kleine oder mittelgroße Unternehmen (KMU) mit.
Wenn Sarah Peters in Diskussionsforen über das Arineo-Modell spricht, stellt sie fest: „Für einige andere Unternehmen ist es ein ganz langer Weg, um zu einer gelebten Praxis wie unserer zu kommen. Bei uns ist es einfach passiert, ohne viel Aufhebens.“
Sie macht Mut: „Zuerst muss man offen für Neues sein. Und dann auch flexibel genug, um zu verbessern, was vielleicht nicht so gut geklappt hat.“ So schließt die Führungsrolle „Vertragspartner“ anstrengende Feedbackgespräche ein, etwa wenn ein Teammitglied seine Pflichten verletzt hat und damit seinen Job gefährdet. Manch einem Kollegen fällt es in der neuen Rolle zu schwer, entsprechende Kritik zu üben. „Dann schauen wir, ob wir ihn verstärkt fürs Mentoring einsetzen, wo er wirklich gut ist“, sagt Peters. „Für die arbeitsrechtlichen Aspekte finden wir dann eine geeignetere Person.“
Die Personalleiterin rät außerdem dazu, Teilzeit-Führungskräften Vertrauen entgegenzubringen, statt vom Misslingen auszugehen. Dazu gehört eine Kultur der psychologischen Sicherheit: Wertschätzung statt Kontrollwahn. Nicht jeder Fehler gilt als Desaster, sondern als eine Chance, nachzujustieren und sich nach und nach zu verbessern. Zugleich heißt gegenseitiges Vertrauen, dass die Führungskräfte kompetent und klar führen – statt beispielsweise Dinge liegen zu lassen oder Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Eine überzeugte Geschäftsführung ist das A und O
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Teilzeit-Führung ist aus ihrer Sicht, dass das gesamte Topmanagement dahintersteht: „Tut es das nicht, braucht man sich gar nicht weiter mit dem Thema zu beschäftigen“, meint Sarah Peters. Denn andere Hürden, etwa die Abstimmung mit dem Betriebsrat oder mit weiteren Hierarchieebenen, seien dann kaum zu nehmen. Umgekehrt sei viel gewonnen, wenn die Geschäftsleitung als Vorbild vorangehe.
Bei Arineo sind drei Mitglieder der Geschäftsleitung in Teilzeit tätig, davon zwei Männer, Daniel Piekorz und Ralf Mackowiak mit 32 Wochenstunden und eine Frau, Dr. Astrid Selke, mit 35 Stunden. Der Grund ist jeweils: Sie möchten mehr Zeit für die Familie haben. Die Arbeit dieser drei ist so organisiert, dass im Alltag keine Übergaben erforderlich sind.
Gute Führung hängt nicht von der Stundenzahl ab
Obgleich es sich in der Geschäftsführung um Fast-Vollzeitstellen – und nicht um Job-Sharing – handelt, betont Sarah Peters: „Benötigter Zeitaufwand und tatsächliche Kapazität sollten übereinstimmen. Ist das nicht der Fall, braucht es Anpassungen.“ Dies gelte für jede Position, egal ob Voll- oder Teilzeit.
Ebenso sei es für eine Führungskraft wichtig, Präsenz zu zeigen und ihre Teammitglieder regelmäßig live zu sehen. Auch hier zähle nicht die Stundenzahl, sondern der echte Austausch. „Wer dennoch vom Homeoffice aus führt, braucht dann sehr gute Teamgewohnheiten und besonders hohe Aufmerksamkeit.“
Für den Fall, dass ein Unternehmen sich nicht bereit fühlt für Unternehmenskultur à la Arineo, sagt Peters: „Die Kollegiale Organisation geht nicht überall. Führen in Teilzeit schon.“
Über Arineo
Der Göttinger IT-Dienstleister Arineo unterstützt Mittelständler bei der Digitalisierung. 2018 gegründet, zählt das Unternehmen heute rund 380 Beschäftigte und ist an 18 Standorten präsent. Seit 2025 gehört das Unternehmen vollständig seinen Mitarbeitenden und ist als „Employee Owned Company“ unverkäuflich. Die Organisation ist kollegial aufgebaut: Führungsaufgaben werden nach Kompetenz und Interesse verteilt. Die partizipative, offene Kultur des Unternehmens dient nach eigenen Angaben beim Kampf um Fachkräfte erfolgreich der Talententwicklung und -bindung.



