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Die Corona-Krise managen

Die Corona-Krise managen

Frank Roselieb ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Krisenforschung. Zurzeit berät er Bundeseinrichtungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Im KOFA-Interview gibt er Auskunft, was Unternehmen tun können, um die aktuelle Krise bestmöglich zu managen.

Frank Roselieb (50) ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Krisenforschung ("Krisennavigator"), ein "Spin-Off" der Universität Kiel. Seit 1998 beschäftigt er sich in Forschung, Lehre, Training und Beratung mit Krisen, Skandalen, Konflikten und Katastrophen. Im KOFA-Interview gibt er Auskunft, was Unternehmen zum aktuellen Krisenmanagement wissen müssen. (Stand: 26.03.2020)

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Ein Interview mit Krisenforscher Frank Roselieb

Inwiefern unterscheidet sich die Corona-Krise von anderen Krisen, die deutsche Unternehmen in der Vergangenheit meistern mussten?

Roselieb:  Die Unterschiede liegen in zwei Bereichen: Zum einen ist eine Pandemie immer ein schleichender Krisenfall. Anders als beispielsweise ein Blackout – also ein großflächiger Stromausfall – oder ein Flugzeugabsturz tritt eine Pandemie nicht ad hoc ein, sondern entwickelt sich langsam. Auch die Maßnahmen der Krisenbewältigung müssen daher dosiert und schrittweise zur Anwendung gebracht werden, sonst bleibt am Ende keine Munition mehr übrig, wenn es wirklich kritisch wird.

Und zum anderen benötigt die Krisenbewältigung bei Pandemien immer einen sehr langen Atem. Die Schulen sind schon seit zwei Wochen geschlossen worden, trotzdem steigt die Zahl der Neuinfizierten weiter. Das erweckt natürlich bei den Bürgern den Eindruck, der Staat hat die Lage nicht im Griff, macht das Falsche oder reagiert zu spät. Das ist aber nicht Fall.

Ganz im Gegenteil. Das ist bei einer Pandemie eine ganz normale Entwicklung.

Welche konkreten Handlungsschritte würden Sie kleinen und mittleren Unternehmen empfehlen, um die aktuelle Krise bestmöglich zu managen?

Roselieb:  Im Kern ist jetzt Krisenmanagement auf drei Ebenen gefragt: Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene sind Maßnahmen einzuleiten, um eine Insolvenz – also eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit – möglichst zu vermeiden. Pandemien haben dabei den großen Vorteil, dass die Infrastruktur erhalten bleibt. Das wäre bei Großbränden oder Terroranschlägen so nicht der Fall.

Man kann also nach der Pandemie wieder mit den gleichen Mitarbeitern und Produktionsmitteln weiterarbeiten. Einen wirklichen Verlust an Vermögensgegenständen und damit eine mögliche Überschuldung beobachten wir nur sehr selten.

Ganz anders sieht es bei der Liquidität aus. Hier müssen monatlich die Mieten und Löhne gezahlt werden, auch wenn dem aktuell keine Einnahmen gegenüber. Für diesen Zweck stellt aber die Bundesregierung in diesen Tagen umfangreiche Mittel bereit. Die haben sich bereits während der Finanzmarktkrise bewährt - beispielsweise das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer und Ausgleichszahlungen für Arbeitgeber. Da sehe ich keinen Grund, warum das jetzt nicht auch wieder funktionieren sollte.

Die zweite Ebene ist das operative Krisenmanagement. Hier geht es um die Betriebskontinuität – also das, was man als Business Continuity Management bezeichnet. Das kann entweder ein Notbetrieb sein oder ein Vollbetrieb unter erschwerten Bedingungen, weil die Leistungen des Unternehmens vielleicht gerade sehr gefragt sind.

Hier spielt gerade die Marktwirtschaft ihre Stärke aus. Die Unternehmer suchen also dezentral nach Lösungen – beispielsweise stellt der Hotelier die leerstehenden Hotelzimmer als Homeoffice-Arbeitsplätze bereit. Der Gastwirt liefert jetzt außer Haus und der Kongressdienstleister streamt eben nicht mehr Veranstaltungen, sondern stellt Webcams Unternehmen für Videokonferenzen bereit.

Und die dritte Ebene ist schließlich das kommunikative Krisenmanagement. Hier müssen Mitarbeiter und Kunden, aber auch Banken und Behörden in regelmäßigen Abständen mit Wasserstandsmeldungen versorgt werden.

Welche Tipps können Sie Unternehmern für die Kommunikation mit Ihren Mitarbeitern in der aktuellen Situation mit auf den Weg geben?

Roselieb:  Wichtig ist zunächst die Antwort auf die Frage, wer eigentlich vor die Mitarbeiter tritt. Angesichts der Dimensionen, die die Corona-Pandemie mittlerweile hat, ist das stets der Chef. Also kein Pressesprecher, kein Arbeitsdirektor und erst recht kein externer PR-Berater.

Im nächsten Schritt sollten die Botschaften bestimmt werden. Gut geführte Unternehmen haben eigentlich keine Probleme damit, auch unangenehme Wahrheiten im Kreis der Mitarbeiter offen und vor allem frühzeitig anzusprechen. Wir haben seit mehr als 20 Jahren Regelungen zur Kurzarbeit in den Arbeitsverträgen stehen. Das signalisiert selbst jungen Nachwuchskräften, dass wir frühzeitig auch an schlechte Zeiten gedacht haben. „Reputationspolster“ nennen wir das in der Krisenforschung.

Außerdem sollte die Frequenz der Informationen festlegt werden. Da sind Kontinuität und Verlässlichkeit wichtig. Einmal täglich kann also durchaus ein „Call“ im Homeoffice via Skype oder eine Rund-E-Mail erfolgen. Damit verhindert man, dass ein Informationsvakuum entsteht, das dann schnell mit Gerüchten gefüllt wird

Schließlich ist auch ein Art Kommunikationsmonitoring ist wichtig: Beispielsweise haben während der Corona-Krise viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Die sind dann aber abends nach dem Homeoffice oft noch ins Fitnessstudio gegangen. Das entspricht natürlich ganz und gar nicht dem Sinn von Homeoffice. Manchmal lohnt es sich also in Krisenzeiten die eigenen Mitarbeiter wie kleine Kinder zu behandeln und jede Kleinigkeit sehr genau zu erklären.

Sie beraten auch Bundes- und Landeseinrichtungen im Rahmen der Corona-Krise: Was stimmt Sie zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft diese Krise meistern wird?

Roselieb: Einerseits sind es die Menschen, die mich zuversichtlich stimmen, und andererseits die Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden. Krisenmanagement ist immer eine Teamleistung. Man kann sicherlich viel Kritik an der großen Koalition in Berlin üben. Aber in der jetzigen Corona-Krise bin ich froh, dass wir genau dieses Team am Kabinettstisch sitzen haben. Horst Seehofer war früher Bundesgesundheitsminister. Jetzt ist er als Bundesinnenminister Teil der Corona-Taskforce. Peter Altmaier hat als Chef des Bundeskanzleramts die Maßnahmen während der Flüchtlingskrise koordiniert. Jetzt kümmert er sich als Bundeswirtschaftsminister um die Hilfen für die Unternehmen. Und Olaf Scholz war damals in der Finanzmarktkrise als Bundesarbeitsminister für die Kurzarbeiterregelungen verantwortlich. Die bringt er jetzt als Bundesfinanzminister wieder auf den Weg. Team und Maßnahmen stimmen also und sind erster wichtiger Schritt um die Corona-Krise zu bewältigen.

Wir danken Frank Roselieb für das Gespräch!

Webseite Frank Roselieb

Webseite Institut für Krisenforschung