
Mehr arbeiten, mehr Geld verdienen: Tipps für KMU
InterviewMehr Netto vom Brutto: 3 Tipps vom Experten
- Mehr arbeiten und mehr Brutto ist nicht unbedingt ein Netto-Vorteil: Arbeitgeber sollten per Lohnsimulation prüfen, wie sich die Brutto-Erhöhung auswirkt und sich somit für beide Seiten überhaupt lohnt.
- Vorteilhaftere Optionen prüfen: Steuerfreie und pauschal besteuerte Sachleistungen wie Jobtickets oder Kinderbetreuungszuschüsse sind oft attraktiver als Bruttolohnerhöhungen – für beide Seiten.
- Passgenaue Lösungen entwickeln: Spezielle Beschäftigtengruppen, etwa Eltern oder Pendler, haben verschiedene Bedürfnisse. Es gilt, diese herauszufinden, sowie Kosten und Nutzen möglicher Angebote abzuwägen. Als Benefit oft unterschätzt: Gesundheitsförderung!
Herr Clemens, mehr Arbeit, mehr brutto – das klingt erst einmal gut. Allerdings können Steuern und Sozialabgaben das höhere Einkommen empfindlich mindern. Inwiefern ist das ein Problem?
Clemens: Das deutsche Einkommensteuersystem ist progressiv gestaltet. Das heißt: Mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz. Zusätzlich mindern die Sozialversicherungsbeiträge das verfügbare Einkommen. Diese Beiträge sind zwar durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelt, fallen aber bis dahin proportional zum Einkommen an.
Gerade diese Steuer- und Abgabenlast kann die Motivation zur Mehrarbeit einschränken – besonders bei Zweitverdienern oder in Einkommensbereichen, die knapp über den Schwellen für höhere Abgaben liegen.
Eine Bruttolohnerhöhung wirkt also oft nur auf den ersten Blick attraktiv. Tatsächlich reduziert der progressive Steuertarif zusammen mit den Sozialabgaben den Nettoeffekt in aller Regel deutlich. Mit Lohnsimulationen können Arbeitgeber prüfen, wie viel von einer Gehaltserhöhung tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt.
Ein höheres Bruttoeinkommen kann sogar Nachteile haben, etwa durch höhere Kitabeiträge oder den Wegfall von BaföG-Leistungen. Welche Maßnahmen gibt es für Arbeitgeber, dies zu vermeiden oder auszugleichen?
Clemens: Ein höheres Bruttoeinkommen kann in verschiedenen Bereichen zu Nachteilen führen, insbesondere bei einkommensabhängigen Sozialleistungen und Gebühren. Statt Bruttoerhöhungen können Arbeitgeber auf steuerfreie oder pauschal besteuerte Sachleistungen zurückgreifen. Das sind zum Beispiel das Jobticket, Kinderbetreuungszuschüsse oder Essensgutscheine. Diese fließen in aller Regel nicht in die Berechnung einkommensabhängiger Leistungen ein.
Wie gehen Unternehmen mit der Brutto-Netto-Problematik um? Was ist der Vorteil für Arbeitgeber, wenn sie Alternativen zur Bruttolohnerhöhung finden?
Clemens: Unternehmen setzen verschiedene Strategien ein, um die sogenannte Brutto-Netto-Problematik zu reduzieren und damit ihre Attraktivität für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhöhen. Dabei werden statt reiner Bruttolohnerhöhungen steuerfreie oder pauschal besteuerte Leistungen gewährt. Für Arbeitgeber bietet dies den Vorteil, dass sie Sozialversicherungsbeiträge einsparen können, da diese Leistungen in der Regel beitragsfrei sind.
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet dies effektiv einen höheren Nettolohn, ohne dass die Steuer- oder Sozialabgabenlast steigt. In der Praxis führt dies zu einer stärkeren Motivation, einer höheren Mitarbeiterbindung und einer insgesamt attraktiveren Arbeitgeberpositionierung.
Inwiefern sind Boni und Prämien ein Ausweg?
Clemens: Boni und Prämien können eine sinnvolle Alternative oder Ergänzung zu regulären Gehaltserhöhungen darstellen. Sie bieten sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Vorteile, wenn sie gezielt eingesetzt werden. Boni können an bestimmte Leistungen oder Ziele gekoppelt werden, etwa an Umsatzsteigerungen oder Projektabschlüsse. Dadurch entstehen keine dauerhaften Verpflichtungen für den Arbeitgeber.
Solche Einmalzahlungen können unter bestimmten Voraussetzungen beim Mitarbeitenden nach der so genannten Fünftelregelung besteuert werden. Diese Regelung mildert die Steuerprogression, indem die Steuer auf die Einmalzahlung so berechnet wird, als ob sie auf fünf Jahre verteilt wäre. Dies führt zu einer geringeren Steuerbelastung im Vergleich zur regulären Besteuerung. Seit dem 1.1.2025 findet diese Tarifermäßigung jedoch nur noch bei der Einkommensteuerveranlagung Anwendung. Beschäftigte, die von der Fünftelregelung profitieren möchten, müssen also eine Einkommensteuererklärung abgeben, um die Steuerermäßigung zu erhalten. Im Lohnsteuerabzugsverfahren wird die Regelung nicht mehr angewandt.
Welche steuerneutralen/steuerfreundlichen Anreize gibt es?
Clemens: Es gibt eine Vielzahl von steuerneutralen oder steuerfreundlichen Anreizen, die Arbeitgeber nutzen können, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen, ohne die Steuerlast zu erhöhen. Diese Anreize sind häufig auch sozialversicherungsfrei. Einige Beispiele für steuerfreie Leistungen sind
- Zuschüsse oder die Überlassung von Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr,
- Kinderbetreuungszuschüsse,
- Mitarbeiterrabatte von bis zu 1.080 Euro jährlich,
- Sachbezüge bis zu 50 Euro monatlich.
Welche brutto-neutralen Anreize gibt es?
Clemens: Unter „brutto-neutral“ verstehe ich, dass ein Anreiz keine Veränderung im Bruttoentgelt des Mitarbeitenden bewirkt. Trotzdem entstehen aber Netto-Vorteile, etwa durch Begünstigungen bei den Steuer- oder den Sozialabgaben. Auf diese Weise ist der Vorgang beim Arbeitgeber weitgehend kostenneutral. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Gehaltsumwandlung. Häufige Anwendung findet dies im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge.
Was ist besonders beliebt?
Clemens: Insgesamt bieten Arbeitgeber häufig betriebliche Altersvorsorge und vermögenswirksame Leistungen an. Auch Sonderzahlungen wie Prämien, das 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld sowie Mobilitätsbenefits in Form von Job- oder Deutschlandtickets oder Dienstwagen sind beliebt.
Welche Ideen sind noch wenig bekannt und würden mehr Aufmerksamkeit verdienen?
Clemens: Die betriebliche Gesundheitsförderung nach § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes verdient mehr Aufmerksamkeit. Sie bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Zugleich leistet sie einen Beitrag zur Reduzierung von Krankheitstagen. Durch gezielte, geförderte Maßnahmen können Mitarbeitende gesünder bleiben, ihre Leistungsfähigkeit erhalten und die Ausfallzeiten im Unternehmen verringert werden – ein klarer Gewinn für beide Seiten.
Wie können Arbeitgeber vorgehen, um netto-freundliche Anreize zu entwickeln, die genau zum Unternehmen und zu den jeweiligen Beschäftigtengruppen passen?
Um passende Lösungen zu finden, eignet sich das folgende Vorgehen:
- Arbeitgeber, die netto-freundliche Anreize entwickeln möchten, sollten zunächst den konkreten Bedarf bei ihren Mitarbeitenden ermitteln, zum Beispiel über Mitarbeitergespräche oder eine Mitarbeiterbefragung. Entscheidend ist zu verstehen, welche Leistungen oder Benefits für unterschiedliche Beschäftigtengruppen besonders relevant sind – etwa für junge Fachkräfte, Eltern oder Führungskräfte.
- Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, die Kosten und den Nutzen der einzelnen Maßnahmen sorgfältig gegenüberzustellen. Hierbei kann es hilfreich sein, steuerliche Expertise einzubeziehen. Dann ist sichergestellt, dass die geplanten Benefits steuerlich optimal ausgestaltet sind und tatsächlich den gewünschten Nettoeffekt für die Mitarbeitenden erzielen.
- Oft ist es sinnvoll, neue Maßnahmen zunächst als Pilotprojekte zu testen. So können Unternehmen praxisnah prüfen, wie die Angebote angenommen werden und welche Anpassungen nötig sind, bevor sie unternehmensweit eingeführt werden.
Wir danken Herrn Clemens für dieses Interview.
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