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So gelingt Ausbildung in Teilzeit

So gelingt Ausbildung in Teilzeit


Zuletzt aktualisiert: 15. Januar 2024

Der Kunststoffhersteller NIKU hat bereits zwei Frauen in Teilzeit ausgebildet. Geschäftsführerin Johanna Beckurts-Othmer sieht großes Potenzial in dem Modell. Sie erklärt, worauf es bei der Umsetzung für Betriebe ankommt.

Eine Ausbildung machen, obwohl zu Hause drei Kinder warten? Lange bekam Sadiye Ay auf ihre Bewerbungen nur Absagen. Doch beim Kunststoffhersteller NIKU im niedersächsischen Nienburg klappte es schließlich: Die junge Mutter konnte eine Ausbildung zur Industriekauffrau beginnen – und zwar in Teilzeit. Drei Jahre später hat die 35-Jährige die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Für Chefin Johanna Beckurts-Othmer ist sie bereits die zweite Kandidatin, die in Teilzeit ausgebildet wurde. „Das Modell funktioniert sehr gut und ist für uns eine große Chance, Fachkräfte zu gewinnen“, sagt die Geschäftsführerin des Unternehmens mit rund 90 Mitarbeitenden.

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Durch die Ausbildung in Teilzeit Potenzialgruppen ansprechen

NIKU kämpft wie viele Betriebe in Deutschland mit Nachwuchssorgen und wagt deshalb Neues. Mit einer Ausbildung in Teilzeit lassen sich neue Zielgruppen gewinnen: etwa Mütter mit kleinen Kindern, pflegende Angehörige, Geflüchtete, Menschen mit einer Lernschwierigkeiten oder einer Behinderung oder andere Personen, die nicht in Vollzeit arbeiten können oder möchten. 2021 wurden gerade einmal 0,5 Prozent aller Ausbildungsverträge in Teilzeit geschlossen. Hier gibt es also noch viel Potenzial.

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Ausbildung in Teilzeit: So sind die Regeln 

Wie funktioniert das Modell? „Eigentlich genauso wie eine normale Ausbildung“, sagt Christine Wecker, Ausbildungsverantwortliche bei NIKU. Drei Jahre lang wechselte Sadiye Ay zwischen Betrieb und Berufsschule. In der Berufsschule musste sie die gleiche Anzahl an Stunden absolvieren wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler in Vollzeit. Der größte Unterschied: Ihre Ausbildungsstunden im Unternehmen wurden reduziert. Ay entschied sich für eine Teilzeit von 75 Prozent. „So viel sollte es schon sein, schließlich müssen wir als Betrieb den Azubis alle typischen Fertigkeiten vermitteln, die in dem Beruf nötig sind“, erklärt Wecker. Möglich ist auch, die Ausbildungszeit um bis zu 50 Prozent zu verlängern. Auch die Ausbildungsvergütung verringert sich anteilig – in Ays Fall also auf 75 Prozent.
 


Sinnvoll sei auch, wenn die Auszubildenden die Teilzeit so aufteilen, dass sie jeden Tag außer an Schultagen ein paar Stunden im Betrieb sind. „So kommt man eher in die Betriebsabläufe rein, als wenn man mehrere Tage gar nicht da ist”, sagt Wecker.

Größere Hürden gab es aus Sicht von Geschäftsführerin Beckurts-Othmer nicht. „Wir als Betrieb haben keinerlei Probleme gehabt. Für Frau Ay war die Doppelbelastung aber manchmal schwierig“, sagt Beckurts-Othmer. Die Tage der Nachwuchskraft waren voll durchorganisiert, berichtet die Geschäftsführerin: morgens um 5:30 Uhr aufstehen, die Kinder versorgen, zur Arbeit oder in die Berufsschule, sich danach um die Familie kümmern, ab 21 Uhr lernen. Der Betrieb hat sie unterstützt, indem ihr zum Beispiel Zeit zum Lernen freigeschaufelt wurde. Eine gute Planung brauchte es dennoch.

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Eignung der potenziellen Teilzeit-Azubis prüfen

Wichtig findet Beckurts-Othmer deshalb, dass Teilzeit-Auszubildende diszipliniert und belastbar sind und strukturiert arbeiten. Bereits der Lebenslauf von Sadiye Ay habe ihr gezeigt, dass das auf die Bewerberin zutrifft: „Sie hatte schon zwei Kinder, als sie das Fachabitur absolviert hat. Später hat sie nebenher noch als Sprachmittlerin für Geflüchtete gearbeitet. Das zeigt, dass sie Organisationstalent hat und mehrere Dinge gleichzeitig schafft.“

Zwei Frauen betrachten Unterlagen in einer Fertigungshalle.

Zusätzlich klärte die Geschäftsführerin im Bewerbungsgespräch wichtige Fragen: Wie hat Ay Herausforderungen in der Vergangenheit bewältigt? Welche Unterstützung bekommt sie von Familie und Freunden? „Dabei stellte sich raus, dass die ganze Familie hinter ihr steht und die Schwester einspringen kann, wenn mal etwas mit den Kindern ist.“
Funktionieren kann das Modell aus ihrer Sicht auch in anderen Jobs. „Wir bilden in vielen unterschiedlichen Berufen aus, nicht nur im Büro. Und ich bin sicher, dass eine Teilzeit-Ausbildung auch für Werkzeugmechaniker, Lageristinnen oder Industriemechanikerinnen klappen kann“, sagt Beckurts-Othmer. Einzige Einschränkung: „Im Schichtbetrieb ist es schwierig.


Wenn da die Maschine läuft und jemand nach einem Dreiviertel der Zeit geht, macht das wenig Sinn.“ Wichtig sei zudem, die Führungskräfte frühzeitig zu informieren und gemeinsam zu besprechen, wie die Ausbildung in Teilzeit gelingen kann.

Portrait von Frau Beckurts-Othmers.

„Ich bin sicher, dass es in Zukunft gar nicht mehr ohne Teilzeit-Ausbildung geht“

Johanna Beckurts-OthmerGeschäftsführerin der NIKU GmbH

Teilzeit perspektivisch aufstocken

Einkalkulieren sollten Unternehmen, dass die Fachkräfte auch nach Ende der Ausbildung nicht in Vollzeit arbeiten. Schließlich dauert die Doppelbelastung, zum Beispiel aus Job und Familie, meist an. So arbeitet Sadiye Ay aktuell nur einige Stunden pro Woche für NIKU. Die zweite Absolventin der Teilzeit-Ausbildung arbeitet aktuell mit 75 Prozent.

Chefin Beckurts-Othmer ist trotzdem überzeugt von dem Modell. „Unser Ziel ist, dass die Absolventinnen ihre Stundenzahl perspektivisch erhöhen, wenn es besser zur familiären Situation passt“, sagt sie. NIKU habe als Arbeitgeber durch das Modell deutlich an Attraktivität gewonnen. Es habe sich herumgesprochen, dass dort Teilzeit-Ausbildung möglich ist. Beckurts-Othmer habe entsprechende Bewerbungen bekommen.

„Ich bin sicher, dass es in Zukunft gar nicht mehr ohne Teilzeit-Ausbildung geht“, sagt Beckurts-Othmer. „Ich bin Jahrgang 1964, bei uns war es früher noch völlig normal, Vollzeit zu arbeiten. Aber das ändert sich extrem.“ In ihrem Umfeld gibt es viele junge Menschen, die nicht mehr so viel Zeit mit dem Beruf verbringen möchten. Auch die, so glaubt sie, würden sich über das Angebot einer Teilzeit-Ausbildung freuen.

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