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Mit Netzwerkpartner Azubis Wohnraum anbieten

Mit Netzwerkpartner Azubis Wohnraum anbieten

Interview

Bezahlbarer Wohnraum ist für Auszubildende in vielen Regionen knapp – besonders in Ballungszentren. Das macht es kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schwer, offene Ausbildungsplätze zu besetzen. Christina Borchert, Geschäftsführerin vom Verband der Kolpinghäuser, und Alissa Schreiber, Referentin für Azubi- und Jugendwohnen erklären, wie das Azubi- und Jugendwohnen hilft – und warum es mehr ist als nur ein Dach über dem Kopf.

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 3 Tipps zu Wohnraum für Azubis

  1. Wohnraum als Standortvorteil begreifen 
    Für viele Jugendliche ist Wohnraum ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl. Wer als Unternehmen Unterstützung bei der Wohnungssuche bietet, positioniert sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb.
  2. Lokale Netzwerke nutzen 
    Bundesweite Azubi- und Jugendwohnheime: In vielen Regionen gibt es bereits entsprechende Angebote. Vernetzen Sie sich mit den Akteuren vor Ort – zum Beispiel über die Plattform www.auswaerts-zuhause.de, die bundesweit Standorte anzeigt.
  3. Ausbildung jenseits der Heimat wagen 
    Eine Ausbildung muss nicht vor der Haustür liegen. Azubi- und Jugendwohnen erleichtert den Neustart in einem neuen Umfeld: bezahlbarer Wohnraum, Gemeinschaft, Freizeitangebote und Begleitung im Berufsleben – ideal, um selbstständig zu werden und Anschluss zu finden. 

Was sind Kolpinghäuser?

Die Kolpinghäuser gehen auf den katholischen Priester Adolph Kolping zurück, der im 19. Jahrhundert als Schuhmachergeselle auf Wanderschaft erkannte: Junge Handwerker brauchen sichere Unterkünfte. Daraus entstanden die ersten Gesellenhäuser – zunächst in Köln, dann bundesweit. Heute sind im Verbund 144 Kolpinghäuser zusammengeschlossen. Viele von ihnen bieten Auszubildenden ein Zuhause auf Zeit – bezahlbar, sicher und mit sozialpädagogischer Begleitung. Auch wandernde Gesellinnen und Gesellen finden dort weiterhin eine Unterkunft. 

Warum sollten sich Unternehmen mit dem Thema Azubi-Wohnen befassen? 

Schreiber: Weil es hilft, Ausbildungsstellen zu besetzen. Viele junge Menschen finden keine passende Ausbildung am Heimatort. Wenn dann noch Wohnraum fehlt, wird der Wechsel an einen anderen Standort unmöglich. Mit unserem Angebot erhöhen wir die Mobilität und bringen Betriebe und Auszubildende zusammen. 

Borchert: Und wir sorgen dafür, dass die Ausbildung auch erfolgreich abgeschlossen wird. Denn Azubi-Wohnen heißt bei uns immer: sozialpädagogische Begleitung. Unsere Fachkräfte unterstützen die Azubis im Alltag – sei es bei der Organisation von Lernphasen, bei Prüfungsstress oder bei persönlichen Problemen. Durch diese enge Begleitung sinkt die Abbruchquote spürbar: Während bundesweit fast 30 Prozent der Azubis ihre Ausbildung abbrechen, liegt sie bei uns nur bei rund 5 Prozent. 

Was ist der erste Schritt, wenn Betriebe Wohnraum für Azubis ermöglichen wollen? 

Borchert: Der wichtigste Schritt ist, den eigenen Bedarf klar zu benennen. Viele Betriebe merken, dass Wohnraum fehlt, machen es aber nicht offiziell zum Thema. Mein Rat: Gehen Sie aktiv auf Ihre Kommune zu und schildern Sie die Situation. Nur wenn der Bedarf auch sichtbar wird, können gemeinsam Lösungen gefunden werden. Parallel lohnt es sich, nach bestehenden Angeboten in der Region Ausschau zu halten. In vielen Städten gibt es bereits Azubi- und Jugendwohnen, mit denen sich Kooperationen ergeben können. Einen Überblick finden Sie auf unserer Internetseite zum Thema Jugendwohnen in Kolpinghäusern. Wichtig ist zudem, das Thema Wohnen in der eigenen Kommunikation mitzudenken. Unternehmen mit einer Sozialberatung können das Jugendwohnen als festen Bestandteil ihres Unterstützungsangebots aufnehmen. Bereits in Bewerbungsgesprächen sollten die Möglichkeiten des Azubi- und Jugendwohnens aktiv angesprochen werden. Zudem empfiehlt es sich, Werbematerialien beim Verband der Kolpinghäuser anzufordern und diese im Unternehmen – auch auf digitalen Plattformen – sichtbar zu platzieren. Für viele junge Menschen ist es entscheidend, wie sie während ihrer Ausbildung wohnen können. Wer hier Orientierung bietet, wird als attraktiver Ausbildungsbetrieb wahrgenommen. 

links: Christina Borchert; rechts: Alissa Schreiber

Christina Borchert ist Geschäftsführerin des Verbands der Kolpinghäuser (VKH), Alissa Schreiber verantwortet dort als Fachreferentin den Bereich Jugendwohnen. Gemeinsam engagieren sie sich für junge Menschen, die während ihrer Ausbildung auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Der VKH vertritt die Interessen der Kolpinghäuser in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. Die Einrichtungen sind rechtlich und wirtschaftlich eigenständig – und stehen allen offen, unabhängig von Religion oder politischer Überzeugung.

Wo hakt es in der Praxis, wenn Firmen das Thema Wohnraum für Azubis angehen wollen? 

Schreiber: Viele Betriebe kennen die Strukturen des Azubi- und Jugendwohnens gar nicht. Da fängt es oft schon an. Unternehmen überlegen, ob sie selbst Wohnraum schaffen müssen, dabei gibt es vielerorts schon bestehende Angebote. Eine weitere Herausforderung ist das Verständnis für den Mehrwert der sozialpädagogischen Begleitung. Wir merken : Gerade diese Begleitung macht den Unterschied, wenn es darum geht, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Und dann sind da natürlich die ganzen formalen Fragen: Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Wer ist Ansprechpartner? Welche Anträge sind nötig? Das wirkt für viele Unternehmen erstmal kompliziert. Hier sehen wir uns als Lotsen, die durch den Prozess führen. 

Borchert: Die Anbindung ist ebenfalls ein Thema. Ohne Auto muss der Weg zur Ausbildungsstätte gut erreichbar sein. Zudem fehlt es gerade im ländlichen Raum oft an Jugendwohnen-Angeboten. Hier könnten Modellprojekte helfen, gemeinsam mit Betrieben Strukturen aufzubauen. 

Welche Fördermöglichkeiten und Kooperationen unterstützen das Azubi- und Jugendwohnen? 

Schreiber: Die wichtigste Förderung für Auszubildende ist die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Sie richtet sich nach dem Einkommen des Azubis und der Eltern. Je nach Situation bleibt ein Eigenanteil von etwa 150 bis 400 Euro im Monat. Einen Rechner dafür gibt es unter babrechner.arbeitsagentur.de. Darüber hinaus gibt es auch Unterstützung durch Jugendämter, zum Beispiel für junge Menschen mit besonderen sozialen Herausforderungen. Und bei Auszubildenden mit Blockunterricht übernimmt auch oft der Schulträger die Kosten, wenn die jungen Menschen dann mehrere Wochen am Stück nicht nach Hause pendeln können.  

Borchert: Was die Kooperationen betrifft: Es gibt vereinzelt Betriebe, die Plätze im Azubi-Wohnen für ihre Auszubildenden sichern oder finanziell bezuschussen. Meistens läuft es aber so, dass Unternehmen ihre Azubis auf bestehende Angebote hinweisen und wir dann gemeinsam schauen, wie der Bedarf gedeckt werden kann. 

An wen richtet sich das Azubi-Wohnen – und welche Rolle spielt es mit Blick auf Fachkräfte aus dem Ausland? 

Schreiber: Azubi-Wohnen richtet sich grundsätzlich an alle jungen Menschen in Ausbildung, die nicht mehr zu Hause wohnen können oder wollen. Besonders wichtig ist unser Angebot aber für diejenigen, die von weiter herkommen – sei es aus anderen Regionen Deutschlands oder aus dem Ausland. Gerade internationale Auszubildende stehen vor besonderen Herausforderungen: Sprachbarrieren, komplizierte Behördengänge, fehlende Netzwerke. Für sie ist das Azubi-Wohnen oft der entscheidende Ankerpunkt. Wir bieten nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch Unterstützung im Alltag – beim Ankommen, bei Formalitäten und bei der Integration. Für Unternehmen ist das eine echte Entlastung. Sie wissen, dass ihre Auszubildenden gut begleitet werden und nicht mit diesen Themen allein dastehen. 

Sie heben immer wieder die sozialpädagogische Begleitung hervor. Welche Chancen eröffnet das Wohnen in Gemeinschaft – jenseits von Ausbildung und Beruf? 

Borchert: Das Wohnen in Gemeinschaft bietet jungen Menschen die Chance, sich auch außerhalb von Betrieb und Berufsschule weiterzuentwickeln. Sie lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, Konflikte zu lösen und ihren Alltag zu organisieren. Gerade in dieser Lebensphase ist das wichtig. In unseren Häusern entstehen soziale Netzwerke, die tragen: beim gemeinsamen Kochen, bei Freizeitaktivitäten oder einfach im Austausch untereinander. Gleichzeitig merken wir, dass viele Auszubildende unter Stress stehen – sei es durch Prüfungen oder private Belastungen. Deshalb bieten wir gezielt Möglichkeiten an, um abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Das kann ein Yoga-Kurs sein, mit Graffiti den Hausflur verschönern oder Projekte wie Urban Gardening, bei denen Gemeinschaft und Entspannung zusammenkommen. So stärken wir nicht nur die Ausbildung, sondern auch die persönliche Stabilität. 

Schreiber: Auch unsere Häuser ziehen daraus einen kleinen Vorteil. Die Auszubildenden bringen sich aktiv ein und übernehmen Verantwortung für ihr Wohnumfeld. Sie engagieren sich bei Renovierungen, gestalten Gemeinschaftsbereiche mit oder übernehmen Patenschaften für bestimmte Aufgaben. 

Was müsste politisch und gesellschaftlich passieren, damit mehr junge Menschen bezahlbaren Wohnraum während der Ausbildung finden? 

Schreiber: Es wurde ja schon etwas getan: Seit 2023 gibt es das Förderprogramm „Junges Wohnen“ von Bund und Ländern. Darüber werden jährlich 500 Millionen Euro für Studierenden- und Azubi-Wohnen bereitgestellt. Mit dem aktuellen Koalitionsvertrag sollen diese Mittel sogar verdoppelt werden. Wir merken aber, dass die Mittel heiß umkämpft sind und bisher eher die Studierendenwerke oder Anbieter von Studentenwohnheimen davon profitieren. Wir wünschen uns, dass Ausbildung genauso wertgeschätzt wird wie ein Studium – auch was die Infrastruktur betrifft. Es darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, ob junge Menschen eine Ausbildung fernab ihres Wohnortes machen können. 

Wir danken Christina Borchert und Alissa Schreiber für das Gespräch.  

 

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