Ausbildungsvorbereitung
Ausbildungsvorbereitung: Mit vollem Einsatz in der Einstiegsqualifizierung
„Die Dame bekommt schon?“ Zakaria Dahmoun nickt seiner Kollegin zu und tütet das Brot ein. Dem 17-jährigen Praktikanten entgeht auch nicht, dass einer älteren Dame am Tisch auf der anderen Seite des Raumes ein Löffel fehlt. „Bringe ich“, ruft er. Seit ein paar Wochen erst arbeitet Zakaria im Verkauf der Bäckerei „Backstube“ in Bremen. Seit einem Jahr ist er in Deutschland.
An einem Tisch im Café erzählt er in schon ziemlich flüssigem Deutsch von seinem Weg aus Algerien in die Hansestadt. „Ich bin mit dem Boot über's Mittelmeer gekommen. Das Boot war viel zu voll.“ Zwei Tage habe die Überfahrt nach Spanien gedauert. Dann folgten 28 Tage Warten darauf, dass es weitergeht – nun auf direktem Weg nach Bremen. „Ich bin hier am Hauptbahnhof angekommen. Die Polizei hat mich in ein Flüchtlingsheim in der Stadt gebracht.“ Gleich nach seiner Ankunft hat Zakaria sich beim Sozialamt gemeldet. Wie für alle minderjährigen Flüchtlinge bestellte das Amtsgericht einen Vormund, der sich unter anderem um den Asylantrag kümmert. Der junge Flüchtling kam in die elfte Klasse, besuchte Deutschkurse. Und schließlich nahm das Bremer Aus- und Fortbildungszentrum (AFZ) den Algerier in das Programm zur Einstiegsqualifizierung (EQ) der Bundesagentur für Arbeit auf. Über Praktika in Kooperationsunternehmen bereiten sich die Teilnehmer auf das Ziel der Einstiegsqualifizierung vor: einen Ausbildungsplatz.
EQ-Programm ist ein Glücksfall
"Wir haben durch das Programm die positive Aussicht, dass wir im kommenden Jahr drei Auszubildende einstellen können", sagt Lene Siemer, die Junior-Geschäftsführerin der Backstube. Für sie und ihre Eltern, die eine der ersten Biobäckereien im Bremer Norden gegründet haben, ist es ein Glücksfall, dass die AFZ sie als Kooperationspartner ausgewählt hat. Sie haben die Flüchtlinge auf einer Veranstaltung des AFZ kennengelernt und sie zu drei Tagen Probearbeit eingeladen. "Das hat uns sehr gefallen - und ihnen auch."
Diese Form des Kennenlernens ist in der Backstube nichts Neues: "Wir haben einen Fachkräftemangel in allen Bereichen. Es ist schwierig, gut ausgebildetes Personal, aber auch junge Menschen zu gewinnen, die sich für eine Ausbildung in unserem Handwerk interessieren." Um das zu ändern, bietet der Familienbetrieb schon seit längerem Schülerpraktika an. Auch ausgebildete Fachkräfte arbeiten zunächst auf Probe: "Als biologische Bäckerei arbeiten wir hier teilweise ganz anders als im konventionellen Großbetrieb. Da muss mancher das Handwerk von Neuem lernen."
Die Einstiegsqualifizierung für Flüchtlinge ist eine tolle Möglichkeit für beide Seiten. Unternehmen sollten sie unbedingt nutzen.
Lene SiemerJunior-Geschäftsführerin der Backstube BremenKeine Spur von Bürokratie
Zakaria Dahmoun, Koutayel Balde aus Guinea, 16 Jahre, und Moussa Koita aus dem Senegal, 17, fangen von Null an. Doch die Flüchtlinge, sagt Siemer, sind so, wie sie es sich von allen Mitarbeitern wünschen würde: „Sie wollen wirklich etwas lernen, sind sehr offen, wissbegierig und haben Spaß an der Arbeit.“ Natürlich dauere es manchmal länger, bis sie selbstständig arbeiten können, etwa, weil sie einen Begriff nicht kennen. Dafür lernen sie schnell: „Sie arbeiten bei uns wie ein Azubi im ersten Lehrjahr.“ Ihren Vertrag haben sie mit dem AFZ abgeschlossen, auch eine kleine Praktikumsvergütung zahlt das Zentrum ihnen. „Viele andere Unternehmen fragen uns, wie es läuft. Sie denken, dass es großen bürokratischen Aufwand bedeutet, Flüchtlingen ein Praktikum zu ermöglichen.“ Sie und ihre Eltern hätten nur zustimmen müssen, der Rest lief im Rahmen der Einstiegsqualifizierung dank der Kooperation mit dem AFZ wie von selbst.
Zakaria rollt einen Wagen mit Broten aus der Bäckerei, dann einen mit Mandelriegeln. Bäckermeister Michael Brandhorst arbeitet hier mit Koutayel und Moussa zusammen, die ihr Praktikum in der Produktion machen. „Ich mache nur gute Erfahrungen mit den Flüchtlingen“, sagt er. „Ich lege ihnen zum Beispiel einen Zettel mit dem Rezept hin, sie lesen es ab, fragen, wenn sie Fragen haben, und machen.“ Sogar Hefezöpfe könnten sie schon flechten. „Ich kann nur Gutes berichten. Die Firmen sollten alle nicht so ängstlich sein. Es ist sehr wichtig, dass diese Menschen integriert werden.“
Arbeit hilft gegen Heimweh
Dazu geschieht auch jenseits der Backstube einiges. "Richtig Freizeit habe ich nur sonntags neben meinen Hausaufgaben", sagt Zakaria. Mittwochabends ist er an der Uni, wo Studenten ihm und anderen Geflüchteten Unterricht geben: Deutsch, Chemie, Mathematik - was gerade gewünscht wird. An den Samstagen läuft sein Deutschkurs im Rahmen des EQ-Programms. Und auch den Berufsschulunterricht besuchen die drei Geflüchteten schon. "So erhalten sie ein noch besseres Bild davon, wie die Ausbildung ablaufen wird", sagt Siemer. Zakaria möchte sie machen - auch wenn ihm in Deutschland nicht alles so leicht fällt wie das Lernen in der Backstube. "Es gibt Menschen, die es nicht gut finden, dass wir hier sind."
Auf der Arbeit ist es genau andersherum: "Wir haben unsere Mitarbeiter auf die drei vorbereitet und mit ihnen besprochen, wie wichtig es ist, dass sie offen empfangen werden." Und das werden sie, auch von den Kunden: "Viele sagen zu Zakaria, wenn er sie bedient 'Toll, das ist gut, was du machst, mach weiter!' " Als Zakaria wieder an der Kaffeemaschine steht, fügt Siemer hinzu: "Manchmal merkt man aber doch, dass die Jungs Heimweh haben." Besonders dann tut es ihnen offenbar gut, eine sinnvolle Ablenkung zu haben. "Oft suchen sie die Arbeit richtig".
In der Ausbildungsphase wäre Zakaria geduldet in Deutschland. Da er jünger als 21 Jahre ist und nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, kann er seine Ausbildung voraussichtlich bis zum Ende absolvieren. Und nach dem Ende der Ausbildung, so hofft man in der Backstube, wird man eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung finden - auch für Moussa und Koutayel. Dann wäre das Team um drei motivierte, talentierte und qualifizierte Fachkräfte reicher.