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„Das Anerkennungsverfahren gibt meinem Betrieb Sicherheit“

„Das Anerkennungsverfahren gibt meinem Betrieb Sicherheit“


Zuletzt aktualisiert: 07. März 2024

Tobias Ehses gewinnt über das Anerkennungsverfahren eine ausgebildete Fachkraft aus Chile für seine Bäckerei. Lesen Sie, welche Vorteile und Nachteile der Prozess für Betriebe hat.

Tobias Ehses fand lange keine Fachkräfte für seine Bäckerei auf dem Land. Doch mithilfe des Anerkennungsverfahrens konnte er eine ausgebildete Bäckerin aus Chile gewinnen. Er erklärt, welche Vorteile der Prozess für Betriebe hat.

3 Tipps zum Anerkennungsverfahren:

  1. Unterstützung nutzen: Es benötigt viel Vorbereitung und zahlreiche Dokumente, damit die Anerkennung des ausländischen Berufsabschlusses gelingt. Doch Betriebe müssen das nicht allein stemmen: Sie sollten sich direkt am Anfang an die zuständige Stelle, wie die Handwerkskammer, wenden.
  2. Aufwand einkalkulieren: Vorteil der Anerkennung: Es wird genau ermittelt, über welche Kenntnisse die Fachkräfte verfügen und wo fachlichen Lücken bestehen. Aus dem Anerkennungsbescheid geht somit klar hervor, welches Fachwissen noch vermittelt werden muss. Diese Zeit sollte von Anfang an eingeplant und nicht zu knapp kalkuliert werden.
  3. Privat engagieren: Wer neunach Deutschland kommt, hat hier in der Regel keinerlei Kontakte. Betriebe sollten sich deshalb auch privat um die Fachkräfte kümmern – zum Beispiel bei der Wohnungssuche helfen, Unterstützung und gemeinsame Unternehmungen anbieten. Das kann die Bindung an das Unternehmen stärken.

Vor gut einem Jahr hat Tobias Ehses einen großen Erfolg bei der Suche nach einer passenden Fachkraft für sein Unternehmen erzielt. In seinem Betrieb, der Bäckerei Süß in Reinsfeld, arbeitet seitdem eine fertig ausgebildete Bäckerin. Die Chilenin Antonia Copolla hatte sich entschieden, für die Stelle von ihrer Heimat aus nach Rheinland-Pfalz umzuziehen. „Das ist eine große Hilfe, denn hier in der Region finde ich gar kein Personal mehr“, sagt Ehses, der noch zwei weitere Mitarbeitende aus dem Ausland beschäftigt. Insgesamt hat er zehn Beschäftigte. „Ohne ausländische Arbeitskräfte müsste ich schließen.“

Eine im Heimatland ausgebildete Fachkraft in Deutschland beschäftigen zu können: Das ist dank der Berufsanerkennung möglich. In diesem Verfahren prüft die zuständige Stelle, inwiefern die ausländische Qualifikation gleichwertig ist mit dem deutschen Abschluss ist. Wird die vorhandene Berufsqualifikation als voll oder teilweise gleichwertig anerkannt, können die ausländischen Fachkräfte ein Visum erhalten und hierzulande arbeiten. Bei einer teilweisen Gleichwertigkeit ist eine Anpassungsqualifizierung zur Kompensierung der Defizite erforderlich.

Handwerkskammer unterstützt bei Anerkennung

Bäckereiinhaber Ehses ist diesen Weg erfolgreich gegangen. Er empfiehlt anderen Betrieben, die dies auch machen möchten, sich frühzeitig Unterstützung zu suchen. „Die Handwerkskammer leistete bei der Anerkennung großartige Hilfe“, sagt er. Er selbst sei zunächst zu naiv an die Sache herangegangen.

Über einen Bekannten war er mit Antonia Copolla in Kontakt gekommen. Sie hatte an der Weltmeisterschaft der Jungbäckerinnen und Jungbäcker 2022 in Berlin teilgenommen und danach geäußert, dass sie gerne in Deutschland arbeiten will. „Ich dachte, es reicht, dass wir uns einig sind und Antonia sich um das Visum kümmert“, sagt er. Doch das stimmte nicht. Erst mit der Hilfe der Handwerkskammer Trier gelang es, alle nötigen Dokumente rechtzeitig vorzubereiten.

Hilfreich ist die Anerkennung auch, um die Ausbildungspläne genau abzugleichen und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was die jeweilige Fachkraft zuvor gelernt hat. „Das gibt meinem Betrieb die Sicherheit, dass die Person tatsächlich genügend kann. Ein Probearbeiten ist aufgrund der Distanz ja nicht so einfach möglich“, erklärt Ehses.

Ausländische Fachkräfte beruflich und privat integrieren

Auf Grund des Lehrplanvergleichs wusste Ehses frühzeitig, dass Copollas Können ausreicht, um bei ihm als Bäckerin anfangen zu können. Klar war aber auch, dass er ihr noch vieles beibringen muss. „Der deutsche Handwerksstandard ist sehr hoch. Außerdem sind die Backgewohnheiten hier einfach anders“, erklärt er. Die Variation der Backwaren aus unterschiedlichen Kornarten gebe es gerade in wärmeren Ländern nicht; dort werde vor allem mit Weizen gebacken. „Am Anfang musste ich ihr vieles zeigen. Das konnte sie aber schnell umsetzen“, sagt Ehses. Mittlerweise macht die chilenische Bäckerin in der täglichen Produktion vieles eigenständig: Brot abwiegen, Teig nach Rezept herstellen, Brot und Brötchen vorbereiten.

Um die neue Mitarbeiterin schnell im Ort und im Betrieb zu integrieren, ließ der Chef sie in einer Wohnung bei sich im Haus wohnen. Inzwischen lebt sie zur Miete im Nachbarort. Der Haken: Copolla hat keinen Führerschein, und Busse fahren nicht mehr, wenn spät abends der Dienst in der Bäckerei beginnt. Deshalb hat Ehses die Arbeitszeiten angepasst: Copolla fängt vergleichsweise früh an, nämlich um 22 Uhr. Vor Arbeitsbeginn verbringt sie ein paar Stunden bei ihm im Haus. Er hat ihr einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt, in dem sie fernsehen kann. „Sie wird aber bald einen Führerschein machen. Das ging nicht sofort, weil sie sich erst aufs Deutschlernen konzentrieren wollte“, so der Bäcker.

Bindung an den Betrieb aufbauen

Copolla hatte schon in Chile begonnen, online Deutsch zu lernen. Trotzdem gab es in Reinsfeld anfangs Verständigungsprobleme. Die Kollegen sprechen unterschiedliche Dialekte – von saarländisch bis moselfränkisch. „Das ist natürlich schwer zu verstehen für jemanden, der hochdeutsch lernt“, räumt Ehses ein. Auch das Vokabular war anfangs sehr begrenzt. Inzwischen klappe es aber schon deutlich besser. Copolla hat Deutschkenntnisse auf A2-Niveau und lernt weiter.

Nicht nur die Bäckerin muss sich engagieren, findet Ehses: Auch als Betriebsinhaber sollte man aktiv sein. Ehses unterstützte Copolla nicht nur mit einer Wohnung. Am Wochenende unternähmen er und andere Kolleginnen und Kollegen oft gemeinsam etwas. Es sei wichtig, dass man die ausländischen Mitarbeitenden nicht nur als Arbeitskraft sehe, sondern sich privat um sie kümmere: „Es strömt so viel Neues auf sie ein, zwischendurch kann es private Probleme geben – trotz alledem hier zu bleiben und ihr Bestes zu geben, ist eine enorme Leistung.“ Nur wer als Betrieb bereit sei, das zu unterstützen, solle sich auf ein Anerkennungsverfahren einlassen.

Doch dieser Aufwand lohne sich langfristig. „Wir haben inzwischen eine freundschaftlich-familiäre Bindung aufgebaut“, sagt Ehses. Er glaubt, dass Copolla deshalb in seinem Betrieb bleiben wird. Und vielleicht tun es ihr sogar andere nach. Freunde in Chile hätten sie vor dem Umzug gewarnt, dass die Deutschen kalt und unfreundlich seien. „Sie war froh und überrascht, dass es anders kam“, sagt Ehses. Als Betrieb könne man dazu beitragen, ein positives Bild von Deutschland in die Welt zu tragen. Und so, hofft er, könne man noch mehr Fachkräfte für den Anerkennungsprozess begeistern.