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Vermittlung durch Willkommenslotsen

Vermittlung durch Willkommenslotsen

Die Iranerin Zahra Ravarizadeh (37) macht eine Ausbildung in einem Kölner Hotel – ein Willkommenslotse hat sie vermittelt.

So hat das Hotel Azimut mit Hilfe eines Willkommenslotsen eine Auszubildende gefunden

Zahra Ravarizadeh streicht beim Verlassen des Hotelzimmers noch einmal über das Bettlaken. Das Zimmer ist längst gemacht. Falten gibt es hier nicht. Aber die Handbewegung ist bei der angehenden Hotelfachfrau einfach „drin“. „So ist das, wenn man das Housekeeping von der Pike auf lernt. Die Routinen gehen in Fleisch und Blut über“, schmunzelt Julia Lesser. Die Ausbildungskoordinatorin im Hotel Azimut weiß, wovon sie spricht – auch ihre eigene Karriere hat einst mit Bettenmachen, Service und Rezeption angefangen. Sie selbst hat Hotelfachfrau gelernt. Jetzt übernimmt sie als Verwaltungsassistentin Verantwortung für andere. Zahra Ravarizadeh ist der jüngste Neuzugang in ihrem Team. Seit September 2016 durchläuft die gebürtige Iranerin die unterschiedlichen Abteilungen. Sie hat so endlich eine berufliche Perspektive in Deutschland gefunden.

„Es war mein fester Wunsch eine Ausbildung zur Hotelfachfrau zu machen“, erzählt Ravarizadeh, die vor fünf Jahren mit ihrem Mann und dem damals 9-jährigen Sohn aus dem Iran geflohen ist. „Wir haben unglaubliche Schwierigkeiten, Nachwuchs für die Hotellerie zu finden“, sagt Lesser. – Das Ausbildungsverhältnis zwischen der geflüchteten Frau und dem Kölner Hotelbetrieb scheint für beide Seiten ein Segen zu sein. Dabei wäre es ohne fremde Hilfe vielleicht nie dazu gekommen.

 

 

Unterstützung durch Willkommenslotsen

Fabian Hüppe ist „Willkommenslotse“ bei der IHK Köln. Er hat den Kontakt zwischen dem Hotel und Zahra Ravarizadeh hergestellt – und genau das ist auch die Aufgabe, die das Wirtschaftsministerium den mittlerweile etwa 160 Willkommenslotsen in Deutschland zugedacht hat: kleine und mittlere Betriebe (KMU) für die Beschäftigung von Geflüchteten zu öffnen und zu beraten und sie mit Menschen mit Fluchthintergrund zusammenzubringen – und zwar so, dass es „passt“, dass Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse entstehen. „Als mir auf einer IHK-Veranstaltung ein Flyer über die Arbeit von Fabian Hüppe in die Hände gefallen ist, war mir sofort klar, dass uns das Angebot des Willkommenslotsen extrem weiterhelfen kann“, erzählt Lesser. „Wir hatten auch in diesem Jahr praktisch keine Bewerbungen für unsere Ausbildungsplätze – Herr Hüppe hat Erfahrung, was Unternehmen bei der Rekrutierung geflüchteter Menschen beachten sollten und kann hier unterstützen. Das ist natürlich eine riesen Chance.“

Die Geschichte von Ravarizadeh und dem Kölner Hotelbetrieb ist auch die Erfolgsgeschichte von Hüppes Arbeit. „Als ich Frau Ravarizadeh kennengelernt habe, war ich der festen Überzeugung, dass sie als Auszubildende für jedes Unternehmen eine Bereicherung ist“, sagt Hüppe. Ihre Vermittlung war trotzdem schwierig.

Durchs Raster fallen

„Ich habe eine Absage nach der anderen erhalten“, erzählt Ravarizadeh. Das änderte sich auch durch die Betreuung von Hüppe zunächst nicht. Die Personalverantwortlichen sortierten die als Flüchtling anerkannte Iranerin schon vor dem ersten Kennenlernen aus. Woran es lag? – Eine echte Rückmeldung haben Ravarizadeh und Hüppe von den angeschriebenen Personalverantwortlichen nie erhalten. „Man kann vermuten, dass Frau Ravarizadeh schlicht durchs „klassische“ Bewerbungsraster als Auszubildende gefallen ist“, meint Hüppe.

Schulabschluss – vielleicht erste Praktika. Wenn es das ist, wonach die Personalchefs Ausschau hielten, passte die Bewerbung von Ravarizadeh tatsächlich nicht ins Bild: Die Iranerin ist 37 Jahre alt. Sie ist gelernte Dolmetscherin und hat in ihrer Heimat bei einem Tourismusunternehmen gearbeitet. Ihr Mann engagierte sich in der politischen Opposition. Aus Angst vor Verfolgung verließ die Familie ihr Land. Die Flucht führte sie zunächst in ein Asylbewerberheim in Hannover. Später wurde der Familie eine Wohnung auf dem Dorf zugewiesen. Zahra Ravarizadeh wurde zum zweiten Mal schwanger. Sie bekam eine Tochter  – und sie beschloss, dass Deutschland für sie und ihre Familie von nun an eine neue, gute Heimat sein sollte.

 

 

Die Familie zog nach Köln. „Mein Sohn spielt Klavier und es war mir wichtig, dass er auch hier in Deutschland Unterricht bekommen kann“, erzählt sie. Anders als auf dem Dorf gab es in der Millionen-Stadt Köln Fördermöglichkeiten für die städtische Musikschule. Fast alles schien sich für die Familie ins Gute zu wenden: Dem Sohn gelang der Wechsel aufs Gymnasium. Die Tochter bekam rasch einen Platz im Kindergarten. Ihr Mann fand Arbeit als Elektriker. Und sie selbst? – Sie schrieb Bewerbungen. „Ich glaube, dass es für viele nicht vorstellbar war, dass eine zweifache Mutter wirklich eine Ausbildung im Hotel machen möchte“, sagt Ravarizadeh. „Aber ich sehe in der Ausbildung einen wichtigen Schritt, um mich weiter zu entwickeln. Um mir breite Einsatzmöglichkeiten zu erarbeiten.“

Willkommenslotse als Türöffner

Zahra Ravarizadeh machte die gleiche Erfahrung, die auch viele deutsche Frauen nach der Babypause sammeln: Dass es schwierig ist, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Und dass man manchmal viel Glück und eine gehörige Portion „Vitamin B“ braucht, damit sich Türen einen Spalt breit öffnen.

Für Fabian Hüppe gehört es quasi zur Job-Beschreibung „Vitamin B“ zu sein – und Türen zwischen Geflüchteten und KMU weit aufzustoßen, und zwar so, dass die Menschen, die sich gegenüberstehen sich nicht mit Misstrauen, sondern mit einem Lächeln begegnen können. Als er Julia Lesser vom Azimut-Hotel auf einer Veranstaltung kennenlernte, ergriff er sofort die Chance, für Ravarizadeh zu werben. „Er hat mir so von ihr vorgeschwärmt, dass mir eigentlich gar nichts anderes übrig blieb, als sie einzuladen“, erzählt Lesser lachend. Laut Lesser hat Hüppes Unterstützung das Bewerbungsverfahren extrem vereinfacht. So konnte er sicherstellen, dass die Kommunikation auf beiden Seiten reibungslos läuft, dass mögliche Sprachbarrieren kein Hindernis darstellen. „Für mich ist wichtig, dass die Unternehmen und Flüchtlinge genau wissen, worauf sie sich einlassen und was sie bei einer Zusammenarbeit erwartet“, sagt Hüppe. „Julia Lesser hat Frau Ravarizadeh sehr ehrlich gesagt, welche Arbeitszeiten und welche Tätigkeiten in der Ausbildung auf sie zukommen – und das ist auch richtig so.“

 

 

Wiedereinstieg ins Berufsleben

Seit dem 1. September 2016 ist Zahra Ravarizadeh nun Auszubildende. Julia Lesser hat darauf geachtet, dass ihr Einstieg so reibungslos wie möglich funktioniert. An zwei Tagen in der Woche ist sie aus dem Schichtbetrieb herausgenommen – so kann sie sich abwechselnd mit ihrem Mann um die Kinder kümmern. „In unserem Team haben auch schon zwei Spanier gearbeitet, mit denen wir im ersten Jahr kein Deutsch sprechen konnten“, erzählt Lesser. „Das ist bei Frau Ravarizadeh natürlich ganz anders. Trotzdem war mir wichtig, dass sie erstmal im Team gut ankommt und sich hier sprachlich weiterentwickeln kann, bevor sie an der Rezeption direkten Kundenkontakt hat.“ Und so sammelte Ravarizadeh ihre ersten Erfahrungen in der Hotellerie beim Frühstücks-Service und beim Herrichten der Hotelzimmer. „Für mich war das ein guter Einstieg“, sagt Ravarizadeh – es klingt glaubwürdig.

Realistische Erwartungen

Fabian Hüppe weiß, dass dieses Beispiel ein besonders Positives ist. Selbstverständlich ist das nicht. Gemeinsam mit der Iranerin hatte Fabian Hüppe einen weiteren Geflüchteten in das Hotel vermittelt – doch scheinbar hatte der Kandidat den Ausbildungsberuf mit einer anderen Erwartungshaltung angetreten. Julia Lesser sah sich gezwungen, die Zusammenarbeit schon während der Probezeit zu beenden.

„In der Regel sammeln wir als Willkommenslotsen sehr positive Erfahrung bei unserem Matching“, sagt Fabian Hüppe. „Aber letztlich ist es wie bei der Vermittlung deutscher Arbeitnehmer auch: Am Ende muss im Arbeitsalltag die Chemie stimmen.“

Kulturelle Offenheit als Voraussetzung

Fabian Hüppe hat in den letzten Monaten viele Unternehmen unterstützt und so Matching-Prozesse eingefädelt und aktiv begleitet. Dabei hat er die Erfahrung gesammelt, dass plötzlich auch religiöse Aspekte zu neuen Fragestellungen am Arbeitsplatz führen: „In einem Unternehmen bestand Unsicherheit, ob ein gläubiger Moslem aus Somalia, bei seiner Ausbildung zum Koch eine Suppe mit Schweinefleisch abschmecken kann“, erzählt Hüppe.

Der Willkommenslotse hat den Auszubildenden, das Unternehmen und einen Iman dann gemeinsam an den Tisch gebeten, um nach einer Lösung zu suchen. „In diesem speziellen Fall ist der angehende Koch nach dem religiösen Rat des Imans zu dem Schluss gekommen, dass das Abschmecken der Suppe grundsätzlich nicht gegen seine Religion verstößt. Was das Beispiel zeigt, ist, dass Unternehmen eine kulturelle Offenheit mitbringen müssen, wenn sie Menschen aus einem anderen Land als Fachkräfte gewinnen möchten.“

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