Herr Djafari war sicher nicht der einzige Bewerber. Weshalb haben Sie sich für ihn entschieden?
Rösler: Wir laden eine Grobauswahl zum schriftlichen und praktischen Einstellungstest ein. Die besten fünf aus dieser Runde möchten wir im Vorstellungsgespräch näher kennenlernen. In Mortezas Fall haben wir beim schriftlichen Test ein Auge zugedrückt, weil wir wissen, dass nach drei Jahren in Deutschland die Sprachkenntnisse noch nicht so da sein können. Sein Fingerspitzengefühl und die Genauigkeit haben uns dafür umso mehr überzeugt. Der Job als Industriemechaniker erfordert nämlich genau diese Fähigkeiten. Außerdem haben wir ein gutes Gefühl dafür, wer in die Belegschaft passt: Morteza ist sehr höflich und zuvorkommend, was gut zu unserem Credo passt, dass wir hier ordentlich miteinander umgehen. Und schließlich möchten wir Morteza die Chance geben, weil wir uns vorstellen können, wie schwer es als Flüchtling ist, in einem fremden Land Fuß zu fassen.
Wie schwer ist es denn generell für Sie, Fachkräfte zu finden?
Rösler: Die Fachkräftesituation ist grundsätzlich schwierig. Von außen bekommen wir kaum Personal in der Qualität, die wir brauchen. Deshalb bilden wir selbst aus – seit fast 60 Jahren, in den vergangenen Jahren etwa zwei Azubis pro Jahrgang. Mit dem Ergebnis, dass mehr als 90 Prozent unserer Facharbeiter ihre Ausbildung hier durchlaufen haben. Wir haben zwar so gut wie null Fluktuation, aber es gibt neben dem natürlichen Wechsel immer mal wieder Mitarbeiter, die sich zum Beispiel für den Meister oder Techniker entscheiden. Das reißt bei uns Löcher, denn die Fachkräfte fehlen uns an den Maschinen. Bei Meistern und Technikern weist der Markt dagegen aktuell ein Überangebot auf.
Und wie haben Sie diese Löcher bisher zu füllen versucht?
Rösler: Auf der einen Seite haben wir die Facharbeiterproblematik. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die aus verschiedenen Gründen keinen Job bekommen. Die Integration dieser Menschen wird in Zukunft wichtiger denn je. Wir haben über Schulkooperationen mit Schwererziehbaren angefangen, damit sie zumindest in Berührung mit einem Beruf kommen. Mit Morteza haben wir jetzt einen Auszubildenden, der mit seinen Deutschkenntnissen und seinem Geschick Vorbildcharakter hat – vielleicht künftig auch für weitere Flüchtlinge, die bei uns in die Ausbildung gehen.
Herr Djafari, wie war denn der Ausbildungsstart als ein solches Vorbild für Sie?
Djafari: Anfangs gab es schon Blicke, so als wollten die Kollegen sagen „Ah, das ist der Neue“. Aber es hat nicht lang gedauert, bis ich sie kennengelernt habe.
Rösler: Ich denke, das ist wie bei jedem neuen Kollegen. Morteza ist nicht der erste Ausländer bei uns und auch nicht der erste Flüchtling, den die Kollegen gesehen haben. Wir haben aber seinen Ausbilder vorbereitet. Er kennt beispielsweise die Fluchtgeschichte von Morteza und die Gründe für seine Flucht.